Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag mit einer aus einem Mitgliedsstaat der EU stammenden Lektorin an einer Hochschule
Leitsatz (amtlich)
1) Der Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 24.04.1996 1 BUR 712/86 (AP Nr. 2 zu § 57 a HRG) hindert die Gerichte nicht daran, im Rahmen der Befristungskontrolle festzustellen, daß die Befristung von Arbeitsverträgen mit Fremdsprachenlektoren aus EU-Ländern nicht mit dem Hinweis auf § 57b Abs. 3 HRG gerechtfertigt werden kann und die Sicherung des Aktualitätsbezugs sowie der Vielfalt des Sprachenunterrichts keinen sachlichen Grund für die Befristung dieser Arbeitsverträge darstellt (im Anschluß an EuGH von 20.10.1992 C – 272/92 = AP Nr. 17 zu Art. 48 EWG-Vertrag und BAG von 12.2.1997 7 AZR 133/96 = AP Nr. 13 zu § 57 b HRG sowie Urt. v. 25.02.1998, 7 AZR 31/97 = 2 TR 1992, 471)
2) Darin liegt keine Verletzung des Grundrechts der Wissenschaftsfreiheit (Art. 5 Abs. 3 GG), dessen Träger (auch) die Universität ist.
Normenkette
HRG § 57b Abs. 3; EGVtr Art. 48 Abs. 2 (jetzt Art. 39 Abs. 2 EG); GG Art. 5 Abs. 3, Art. 12 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 17.09.1996; Aktenzeichen 1 Ca 225/96) |
Tenor
1. Die Berufung des beklagten Landes gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 17.09.1996 (Az.: 1 Ca 225/96) wird zurückgewiesen.
2. Das beklagte Land trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der Kosten der Nebenintervention. Diese trägt die Nebenintervenientin.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis über den 31.07.1996 hinaus unbefristet fortbesteht, und die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens von der Beklagten weiterzubeschäftigen ist.
Die Klägerin ist italienische Staatsangehörige, die in Italien und Deutschland Germanistik und Romanistik studierte und ihr Studium … abschloß. Nachdem sie im Rahmen von zwei befristeten Arbeitsverträgen zunächst aushilfsweise ab Dezember 1992 an der Universität … … als Lektorin für Italienisch tätig gewesen war, schloß sie mit dem beklagten Land am 14.06.1994 einen Arbeitsvertrag ab (Bl. 5, 6 d. A.), wonach sie ab dem 01.08.1994 befristet bis zum 31.07.1996 an der Universität … mit 50 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit einer vollbeschäftigten Angestellten als außertarifliche Lektorin beschäftigt wurde.
Von der weiteren Darstellung des Sachverhalts wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.
Das beklagte Land hat gegen das der Klage stattgebende Urteil des Arbeitsgerichts, das ihm am 17.03.1997 zugestellt wurde, am 17.04.1997 Berufung eingelegt, und zu deren Begründung am 10.06.1997 einen Schriftsatz eingereicht, nachdem die Begründungsfrist bis zu diesem Tag verlängert worden war.
Es macht geltend, die Rechtsprechung des BAG (Urteil vom 15.03.1994, Az.: 7 AZR 737/94 und Urteil vom 20.09.1995, Az.: 7 AZR 70/95), wonach die Befristung des Arbeitsvertrages eines Lektors aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Union nicht auf § 57 b Abs. 3 HRG gestützt werden könne und das Ziel, einen aktualitätsbezogenen Unterricht zu sichern, kein sachlicher Grund für eine Befristung sei, sei nicht haltbar. Wie das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 24.04.1996, Az.: 1 BfR 712/86, dargelegt habe, sei die Gefahr, daß Lektoren, die in der Regel Unterricht in ihrer Muttersprache erteilen, nach einem längeren Aufenthalt in Deutschland den Aktualitätsbezug zu ihrer Sprache verlieren, nicht von der Hand zu weisen. Für eine Universität sei es aber wichtig, nicht nur Althergebrachtes zu vermitteln, sondern auch die Sprache in ihrer aktuellen Ausgestaltung. Auch könne nur ein ausländischer Lektor, der noch einen aktuellen Bezug zu seinem Heimatland habe, den Hochschulabsolventen die erforderliche Sprachkompetenz vermitteln. Nur ein Unterricht, in dem über die Kultur, die Sozialstrukturen und über den Ablauf des Alltagsleben so berichtet werde, wie es dem gegenwärtigen Zustand in dem betreffenden Land entspreche, könne gewährleisten, daß die Studenten einen wirklichkeitsnahen sprach- und landeskundlichen Unterricht erhielten. Der deshalb erforderliche Aktualitätsbezug könne aber nach mehrjährigem Aufenthalt in Deutschland durch den ausländischen Lektor nicht mehr gewährleistet werden.
Unabhängig davon lägen aber auch die in § 2 der „Lektoren-Richtlinien” genannten weiteren Gründe vor, die eine Befristung sachlich rechtfertigten. Die Universität … unterhalte eine offizielle Partnerschaft mit der Universität … Das mit dieser über die wissenschaftliche und kulturelle Zusammenarbeit abgeschlossene Rahmenabkommen beinhalte auch den Austausch von Lektoren. Ferner sei es erforderlich, den Studenten die Vielfalt der italienischen Sprache, Mentalität und Denkweise nahezubringen. Deshalb sei es erforderlich, Lektoren nach einigen Jahren auszuwechseln, um solche aus anderen italienischen Regionen tätig werden zu lassen. Schließlich sei zu berücksichtigen, daß die Klägerin nur mit 50 Prozent der regelmäßigen Arbeitszeit beschäftigt werde. Es blieben ihr deshalb für die Wei...