Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsübergang. Unterrichtung der Arbeitnehmer. Widerspruch der Arbeitnehmer

 

Leitsatz (amtlich)

1. Erhält der Arbeitnehmer innerhalb eines Zeitraums von einem Monat zwei einander widersprechende Informationsschreiben zu einem Betriebsübergang, so wird die Frist für einen Widerspruch gegen den Betriebsübergang mit Zugang des zweiten Schreibens unterbrochen.

2. Die Frist für den Widerspruch beginnt erst neu, wenn der Arbeitgeber die widersprüchliche Situation in Textform auflöst.

3. Zur Auslegung eines Informationsschreibens über einen Betriebsübergang können im Hinblick auf die vorgeschriebene Textform nur die in dem Unterrichtungsschreiben enthaltenen Umstände herangezogen werden.

 

Normenkette

BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 08.10.2010; Aktenzeichen 4 Ca 329/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg vom 08.10.2010 – 4 Ca 329/10 – abgeändert:

  1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der P. GmbH am 01.12.2009 auf die Beklagte übergegangen ist.
  2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

II. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das Arbeitsverhältnis des Klägers, das ursprünglich mit der Firma P. GmbH bestand, am 01.12.2009 auf die Beklagte übergegangen ist oder ob es durch Teilbetriebsübergang auf die Gesellschaft A GmbH, die später in C. GmbH umfirmierte, übergegangen ist.

Der Kläger nahm zum 01.08.1998 seine Tätigkeit bei der Firma G. AG auf. Zum 01.12.2000 ging das Arbeitsverhältnis auf die P. GmbH über. Im Laufe des Jahres 2009 wurde im Betrieb der P. GmbH in F. eine Umorganisation im Bereich Technik vorgenommen. Es wurde unter der Bezeichnung „Facility und Operations” eine neue Abteilung unter Leitung von Herrn G. geschaffen (vgl. im Einzelnen Organigramm einer internen Reorganisation zum 01.02.2009, Anlage K 2).

Zuletzt war der Kläger als Mechaniker im Funktionsbereich Materialwirtschaft tätig.

Er war von der Umorganisation im Jahr 2009 betroffen, da er nach dem Organigramm der Ersatzteil- und Lagerverwaltung zugeordnet wurde. Die Tätigkeit des Klägers besteht darin, Ersatzteile zu bestellen, Lieferanten auszusuchen, den Bestellvorgang durchzuführen und Reklamationen zu bearbeiten. Seine Tätigkeiten änderten sich im Laufe des Jahres 2009 und auch nach dem fraglichen Teilbetriebsübergang nicht wesentlich. Die Leitung der Abteilung „Facility und Operations” wird nach wie vor von Herr G. geleitet. Dem gesamten Bereich „Facility und Operations” wurden 12 Mitarbeiter zugeordnet.

Die P. GmbH und A. schlossen unter dem Datum des 21.10.2009 einen Vertrag über den Auftrag betreffend das strategische Facility Management und am selben Tag einen Überleitungsvertrag betreffend den Übergang der zugeordneten Arbeitsverhältnisse (vgl. Überleitungsvertrag, Anlage K 4, und Vertrag über Strategische Facility Management Leistungen, Anlage K 5).

Am 06.11.2009 erhielt der Kläger die Information zum Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf A., die später in C. umfirmierte (vgl. Informationsschreiben vom 06.11.2009, Anlage K 6).

In diesem Schreiben heißt es:

„Sehr geehrter Herr S.,

wie Ihnen aus verschiedenen Informationsveranstaltungen – insbesondere vom vergangenen Freitag, den 30.10.2009 bekannt ist, wird die P. GmbH, Arzneimittelwerk G. (nachfolgend „.r” oder „Veräußerer/in” genannt) den Auftrag über das Strategische Facility Management betreffend die Abteilung „Facility & Operations und Betrieb des Kesselhauses” in der M. 1, F. auf die A. GmbH vergeben.

Die Auftragsvergabe schießt die Übertragung der der Betriebsabteilung zugeordneten Betriebsmittel und Arbeitsverhältnisse ein …. Diese Auftragsvergabe in der vorgeschilderten Form führt zu einem Teilbetriebsübergang im Sinne von § 613 a BGB, über den wir Sie nachfolgend unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorgaben unterrichten möchten.

2. Zeitpunkt und Grund des Übergangs:

Der Betriebsteilübergang wird nach derzeitigen Planungen mit Wirkung ab 01.12.2009 erfolgen.

7. Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses:

Sie haben die Möglichkeit, dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses von P. auf A. schriftlich zu widersprechen … Ein etwaiger Widerspruch hätte zur Folge, dass Ihr Arbeitsverhältnis nicht auf A. übergeht, sondern bei P. verbleibt. Sollten Sie einen Widerspruch erwägen, bitten wir Sie aber ausdrücklich, folgendes zu berücksichtigen:

  1. P. wird voraussichtlich mit Wirkung zum 01.12.2009 auf die P-M.D. GmbH (P1) mit Sitz in I. verschmolzen. Mit der Wirksamkeit dieser Verschmelzung wird die P. GmbH als eigener Rechtsträger nicht mehr existieren. Vielmehr übernimmt die P1 dann Kraft Gesetzes sämtliche Rechte und Pflichten der P. GmbH.
  2. Im Fall einer Ausübung des Widerspruchs beachten Sie bitte, dass P., auch nach der Verschmelzung mit P1 – für Sie keine Weiterbeschäftigungsmöglichkeit in F. mehr haben wird, mit der Folge, dass Sie mit einer betriebsgedingten Kündigung rechnen müssten, soweit keine Beschäftigung...

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