Entscheidungsstichwort (Thema)

Einstandspflicht der Arbeitgeberin bei Leistungskürzungen der Pensionskasse. Zahlungsklage eines Betriebsrentners auf künftig fällig werdende Teilbeträge

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wiederkehrende Leistungen im Sinne des § 258 ZPO, die (wie etwa Betriebsrentenansprüche) von keiner Gegenleistung abhängen, können grundsätzlich auch als künftig fällig werdende Teilbeträge eingeklagt werden; im Gegensatz zu § 259 ZPO muss nicht die Besorgnis bestehen, dass die Schuldnerin sich der rechtzeitigen Leistung entziehen wird.

2. Gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG hat die Arbeitgeberin für die Erfüllung der von ihr zugesagten Leistungen auch dann einzustehen, wenn die Durchführung der betrieblichen Altersversorgung nicht unmittelbar über sie erfolgt; nach § 1 Abs. 1 BetrAVG ist betriebsrentenrechtlich zu unterscheiden zwischen der Versorgungszusage (§ 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG), der Bestimmung des internen oder externen Durchführungsweges (§ 1 Abs. 1 Satz 2 BetrAVG) und dem aus der Einstandspflicht (§ 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG) folgenden Verschaffungsanspruch, der als Erfüllungsanspruch darauf gerichtet ist, eine Lücke zu schließen, die sich zwischen der Versorgungszusage einerseits und der Ausgestaltung des Durchführungsweges andererseits ergeben kann.

3. Die Einstandspflicht gemäß § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG stellt sicher, dass bei Schwierigkeiten im Durchführungsweg gleichwohl der Versorgungszusage entsprechende Leistungen erbracht werden, und gilt uneingeschränkt auch dann, wenn die betriebliche Altersversorgung über eine Pensionskasse durchgeführt wird; von dieser Einstandspflicht kann sich die Arbeitgeberin durch vertragliche Abreden nicht zulasten der Beschäftigten befreien (vgl. § 17 Abs. 3 Satz 3 BetrAVG)

4. Der Betriebsrentner hat nach § 1 Abs. 1 Satz 3 BetrAVG einen Anspruch gegen die Arbeitgeberin auf Zahlung der Beträge, um die die Pensionskasse den auf Beiträgen der Arbeitgeberin beruhenden Teil der Pensionskassenrente herabsetzt; ein von der Pensionskasse befristet gewährter Gewinnzuschlag bleibt dabei außer Betracht, wenn er nicht Gegenstand der dem Betriebsrentner als betriebliche Altersversorgung zustehenden und von der Arbeitgeberin zugesagten Pension sondern eine zusätzliche Zahlung der Pensionskasse ist.

 

Normenkette

BetrAVG § 1 Abs. 1 Sätze 1-3, § 16 Abs. 1, § 17 Abs. 3 S. 3; BGB §§ 195, 199 Abs. 1, § 214 Abs. 1; ZPO §§ 258-259

 

Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Entscheidung vom 21.11.2013; Aktenzeichen 6 Ca 144/13)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 21. November 2013 (Az.: 6 Ca 144/13) unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt an den Kläger

    1. für den Zeitraum 1. Januar 2009 bis 31. März 2014 EUR 3.905,22 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus

      EUR 3.147,55 seit 12. Juni 2013 und aus weiteren

      EUR 757,67 seit 12. April 2014

    2. ab April 2014 monatlich EUR 76,35 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab Beginn des jeweiligen Folgemonats zu zahlen.
  2. Von den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 5/6 und die Beklagte 1/6. Von den Kosten des zweitinstanzlichen Verfahrens trägt der Kläger 6/7 und die Beklagte 1/7.
  3. Für die Parteien wird die Revision zugelassen.
 

Tatbestand

Der Kläger begehrt von der Beklagten - seiner ehemaligen Arbeitgeberin - für Leistungskürzungen einer Pensionskasse einzustehen sowie seine Altersversorgungsleistungen anzupassen.

Der am 00.00.1939 geborene Kläger arbeitete auf Grundlage eines Einstellungsschreibens vom 21. August 1970 (vgl. Akten 1. Instanz Bl. 7 f.; I/7 f.) seit dem 1. Januar 1971 bei der Beklagten beziehungsweise deren Rechtsvorgängerin. In dem Einstellungsschreiben heißt es unter anderem:

"Wir stellen Sie ... unter folgenden Bedingungen ein:

  • I.

    Sie verpflichten sich:

    1.

    ...

    2.

    3.

    4.

    5.

    6.

    während der Dauer des Arbeitsverhältnisses Mitglied der Pensionskasse der chemischen Industrie zu sein;

    7.

  • II.

    ...

  • III

    ...

  • IV

    ...

  • V.

    ..."

Der Kläger war bereits im Rahmen einer vorangegangenen Beschäftigung bei der Firma A. aufgrund seines Antrags vom 5. Januar 1967 (vgl. I/222) Mitglied der Pensionskasse der Chemischen Industrie Deutschlands, heute firmierend als Pensionskasse für die Deutsche Wirtschaft VVaG (künftig: PKDW). Der Kläger hatte den Status eines so genannten "Firmenmitglieds" im Sinne von § 3 Abs. 1 der Satzung der PKDW (vgl. I/26 ff.). Die Beklagte, die den Status einer so genannten "Kassenfirma" im Sinne von § 3 Abs. 2 der Satzung hat, meldete den Kläger gemäß § 3 der Satzung bei der PKDW an, führte entsprechend § 9 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen der PKDW (vgl. I/35 ff.) die monatlichen Beiträge an die PKDW ab, von denen nach den Tarifbedingungen für den "Tarif A" § 1 Nr. 1 (vgl. I/47 ff.) die Beklagte 2/3 und der Kläger 1/3 zu tragen hatte.

Die Beklagte befasste sich ursprünglich mit der Wiederaufarbeitung von Kernbrennstoffen und nunmehr mit...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge