Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwirkung der Berufung des Arbeitnehmers auf das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmerentleiher
Leitsatz (amtlich)
Das Recht, sich auf den Bestand eines Arbeitsverhältnisses zu berufen, kann verwirken. Dies gilt grundsätzlich auch für kraft gesetzlicher Fiktion zustandegekommene Arbeitsverhältnisse.
Normenkette
BGB §§ 242, 645 Abs. 1 S. 1; ZPO §§ 256, 308 Abs. 1 S. 1; AÜG §§ 1, 9
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 22.11.2016; Aktenzeichen 16 Ca 7/16) |
Nachgehend
Tenor
I.
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.11.2016 - 16 Ca 7/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst.
- Es wird festgestellt, dass zwischen den Parteien vom 01.01.2008 bis zum 31.03.2014 ein Arbeitsverhältnis bestanden hat.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 2/3, die Beklagte 1/3.
IV.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen, für die Beklagte wird sie nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger verfolgt mit seinem Hauptantrag die Feststellung, dass zwischen den Parteien seit dem 01.01.2008 ein Arbeitsverhältnis bestehe. Hilfsweise erstrebt er die Feststellung, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestehe. Hilfsweise dazu begehrt er die Verurteilung der Beklagten, ihm den Abschluss eines unbefristeten Arbeitsvertrags als Kalibrier-/Servicetechniker und Indiziermesstechniker anzubieten. Zur Begründung seiner Anträge beruft er sich auf unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung.
Der Kläger schloss am 27.11.2007 einen Arbeitsvertrag mit der Firma K. I. GmbH (künftig: Firma K) mit Vertragsbeginn 01.12.2007 (Anlage K 2, Bl. 5 bis 8 ArbG-Akte). Demnach erfolgte die Anstellung als Kalibrier-/Servicetechniker mit dem Arbeitsgebiet Prüfen und Kalibrieren von Druckmesssystemen im Kalibrierlabor, selbständiger Aufbau und Betreuung von kompletten Indiziermessungen an Motorenprüfständen. Nachdem er im Monat Dezember 2007 noch bei der Firma K im Hause tätig gewesen war, erfolgte sein Arbeitseinsatz ab dem 01.01.2008 bis zum 31.03.2014 bei der Beklagten. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Automobilbauindustrie. Die Firma K verfügt erst seit dem 05.09.2014 über eine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis. Zuvor besaß sie keine Arbeitnehmerüberlassungserlaubnis.
Sämtliche vom Kläger während seines Einsatzes bei der Beklagten genutzten Betriebsmittel waren Eigentum der Beklagten. Zu den Grundlagen seines Arbeitseinsatzes hat der Kläger mehrere Dokumente vorgelegt. Es handelt sich dabei erstens um ein Dokument "Bestellung" der Beklagten, gerichtet an die Firma K, vom 20.01.2010 (Anlage K 3, Bl. 9 bis 12 ArbG-Akte). Diese Unterlage bezieht sich auf "Indizierservice Entwicklung PKW (MCG/D), Liefertermin von/bis: 01.01.2010 - 31.12.2010" sowie "Kalibrierservice Entwicklung PKW (MCG/D), Liefertermin von/bis: 01.01.2010 - 31.12.2010". Unter Menge/Einheit ist jeweils vermerkt: "1 Ges./nach Bedarf", unter Preis/Einheit: "pro 1 Ges. 55.100,00 EUR" sowie: "pro 1 Ges. 31.200,00 EUR". Zweitens hat der Kläger vorgelegt ein "Angebot" der Firma K, gerichtet an die Beklagte, vom 29.11.2010, das sich auf einen "Werkvertrag Aufbau und Wartung von Indiziermesstechnik Kalibrierung von Indiziermesstechnik" richtet (Anlage K 6, Bl. 45 bis 46 ArbG-Akte), drittens eine Unterlage "Bestellung", von der Beklagten an die Firma K, datierend vom 13.01.2011, gerichtet auf einen "Werkvertrag" zwischen der Beklagten und der Firma K, der sich auf "Aufbau, Wartung + Kalibrierung Indizier. Entwicklung PKW (MCG/D), Liefertermin: 31.12.2011" bezieht, unter Menge/Einheit ist vermerkt: "1 Ges./einmalig", unter Preis/Einheit ist vermerkt: "pro 1 Ges. 22.600,00 EUR" (Anlage K 7, Bl. 47 bis 49 ArbG-Akte). Viertens hat der Kläger ein weiteres "Angebot" der Firma K an die Beklagte vorgelegt, welches sich für Indizierservice und Kalibrierservice auf die Projektlaufzeit 01.01.2012 bis 31.12.2012 bezieht (Anlage K 8, Bl. 50 bis 52 ArbG-Akte, zu unterscheiden von der weiteren Anlage K 8 , die Bl. 64 bis 72 ArbG-Akte umfasst).
An Unterlagen hat der Kläger außerdem ein Protokoll "Quartalsgespräch" vom 23.10.2012 in tabellarischer Form eingereicht (Teil der Anlage K 8, Bl. 67 bis 68 ArbG-Akte). Dieses weist als Verfasser Herrn L. (Lo) aus. Dieser ist Mitarbeiter der Beklagten. Als anwesend sind folgende Personen aufgeführt: "G. (Go), E. (Es), [Name des Klägers] Fa. K ([Abkürzung für den Namen des Klägers]), F. (Fro)". Darunter befindet sich eine Auflistung mit den Rubriken "Themen", "Beschreibung", "Bearbeiter" und "Termin". Unter "Themen" heißt es in der zweiten Zeile "Tätigkeitsbeschreibung im Rapport", als "Beschreibung" ist vermerkt "Die Tätigkeitsbeschreibung soll z.B. Stückzahl (Indimaster, Sensor) und falls erforderlich Zusatzaufwendungen enthalten, damit die angegebene Stundenzahl nachvollzi...