Verfahrensgang

ArbG Reutlingen (Urteil vom 11.04.1995; Aktenzeichen 4 Ca 794/94)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird dasUrteil desArbeitsgerichts Reutlingen vom11.04.1995 –4 Ca 794/94 – abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.341,20 brutto zu bezahlen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger beansprucht mit seiner am 13.12.1994 eingereichten Klage von der Beklagten die Zahlung restlicher „Sonderzuwendung” für das Jahr 1994.

Der Kläger war seit 01.08.1982 als Lehrer bei der Beklagten angestellt. Die Vertragsurkunde bestimmt in

§ 2

Anstellungsgrundlagen

Zwischen den Vertragschließenden wird vereinbart, daß für das Anstellungsverhältnis, soweit nicht durch diesen Vertrag etwas anderes bestimmt wird, die Bestimmungen der Kirchlichen Anstellungsordnung (KAO) in ihrer jeweiligen Fassung gelten; sie werden ausdrücklich als Bestandteil dieses Vertrags anerkannt.

Die Arbeitsrechtliche Kommission hat am 08.09.1994 eine Änderung der Kirchlichen Anstellungsordnung (KAO) beschlossen. Danach beträgt die Zuwendung „In Abweichung von § 2 Abs. 1 des Zuwendungstarifvertrages … im Jahr 1994 für Mitarbeiter der Vergütungsgruppen … IV a bis I” nur noch 80 vom Hundert der „Urlaubsvergütung nach § 47 Abs. 2 BAT …”.

Der Beschluß bestimmt in § 3 „1. Diese Regelung tritt mit Wirkung vom 1. Oktober 1994 inkraft”.

Demgemäß wurde gegenüber dem Kläger, der Vergütung nach Vergütungsgruppe II a BAT erhielt, verfahren.

Der Kläger, der seit 01.01.1995 als Studienrat in einem Kirchenbeamtenverhältnis zur Beklagten steht, hat diese Kürzung nicht für rechtens gehalten.

Nach Klagrücknahme im übrigen hat er beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.341.20 brutto zu bezahlen.

Die Beklagte hat beantragt.

die Klage abzuweisen.

Sie hat den gegenteiligen Rechtsstandpunkt eingenommen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Anspruch weiter.

Er hält dafür, das Arbeitsgericht habe die Rechtslage nicht zutreffend beurteilt.

Er beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen, AZ: 4 Ca 794/94 vom 11.04.1995 wird abgeändert; die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 1.341,20 brutto zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das angefochtene Urteil auch in seiner Begründung und behauptet ergänzend, die Entscheidung der Arbeitsrechtlichen Kommission sei Teil eines Gesamtkonzeptes zur Vermeidung betriebsbedingter Kündigungen.

Ergänzend wird auf die von den Parteien im zweiten Rechtszug gewechselten Schriftsätze, deren Inhalt mündlich vorgetragen ist, die zu den Akten gegebenen Untertagen, sie bildeten den Gegenstand der mündlichen Verhandlung, und die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat Erfolg. Die Beklagte ist verpflichtet, die klagegegenständliche Forderung dem Kläger zu bezahlen.

A) Sachentscheidungshindernisse bestehen nicht.

1. Der Rechtsweg zu den staatlichen Gerichten (deren Jurisdiktionsgewalt) ist gegeben. Der Kläger leitet aus einem privat-arbeitsrechtlichen Vertragsverhältnis zu der Beklagten einen Zahlungsanspruch her. Zur Entscheidung dieses Rechtsstreits sind die staatlichen Gerichte berufen (Art. 19 Abs. 4 GG, §13 GVG; § 48 ArbGG, vgl. Kissel, GVG, 2. Aufl. § 13 Rn. 186).

2. Die Beklagte ist parteifähig. Sie ist eine Körperschaft öffentlichen Rechts, also juristische Person und daher rechtsfähig (§ 50 Abs. 1 ZPO).

3. Es handelt sich um eine (sogenannte offene) Teilklage. Sie unterliegt als solche keinen Bedenken, zumal der Anspruch teilbar ist, wenn man das als Voraussetzung für die Zulässigkeit solcher Klagen ansehen will.

B) Die Klage ist begründet.

I.

Als Anspruchsgrundlage kommt allein in Betracht § 611 BGB i.V.m. § 2 des Anstellungsvertrages. i.V.m. § 7 KAO und den Bestimmungen des Tarifvertrags über eine Zuwendung für Angestellte vom 12.10.1973 (künftig = ZuwTV) in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 25.04.1994.

Der Gesichtspunkt der Betriebsübung scheidet aus. Die Beklagte hat dem Kläger in der Vergangenheit die Sonderzuwendung als Erfüllung des – nach den angeführten Vorschriften – bestehenden Anspruchs gezahlt; eine „neue” Anspruchsgrundlage wurde dadurch nicht geschaffen. Eine „Gleichbehandlung” mit Lehrern an den Schulen des Staates (hier des Landes Baden-Württemberg) – wie der Kläger anzunehmen scheint – kommt nicht in Betracht. Der funktionale Geltungsbereich des Grundsatzes der arbeitsrechtlichen Gleichbehandlung ist auf den Arbeitgeber beschränkt, gleichviel ob er lediglich betriebsbezogen ist oder unternehmensweit Anwendung zu finden hat.

Der Kläger hat mit der Klageschrift eine Zusage behauptet, ihn mit den Lehrern des Landes gleichzustellen. Das Arbeitsgericht hat dazu ausgeführt, diesem bestrittenen Vortrag könne nicht nachgegangen werden, da der Kläger keinen Beweis angetreten habe. Das nimmt die Berufung hin. Überdies erscheint dieser Vortrag unerheblich, denn er ermöglicht nicht die Prüfung und En...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge