Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreiseitiger Vertrag. Betriebsübergang. Umgehung. Aufhebungsvertrag. Angebot. Zugang. Bindungswirkung. Widerruf. Rechtsmissbrauch
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine gem. § 130 Abs. 1 S. 2 BGB abgegebene Erklärung kann durch rechtzeitigen Widerruf beseitigt werden. Die Vorschrift des § 130 Abs. 1 S. 2 BGB ist jedoch dispositiv, so dass die Bindung auch schon auf den Zeitpunkt der Abgabe des Vertragsantrags vorverlegt werden kann. Die gewählte Vertragskonstruktion eines dreiseitigen Vertrags unter Einschaltung eines Treuhänders spricht für den Willen aller drei Vertragsparteien zu einer solchen Bindung.
2. Aufhebungsverträge bei Betriebsübergang zwischen Arbeitnehmer und altem oder neuem Betriebsinhaber sind auch ohne Vorliegen eines sachlichen Grundes wirksam möglich, wenn sie auf das endgültige Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Betrieb gerichtet sind.
Normenkette
BGB §§ 613a, 130 Abs.1, § 145
Verfahrensgang
ArbG Lörrach (Urteil vom 10.12.2003; Aktenzeichen 2 Ca 256/03) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 10.12.2003, Az. 2 Ca 256/03, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das ursprüngliche Arbeitsverhältnis des Klägers bei der P auf die Beklagte übergegangen ist und der Kläger dort beschäftigt werden muss.
Der Kläger war seit 1987 bei der Firma P als Betriebsschlosser tätig. Seine Vergütung belief sich zuletzt auf 2500,00 Euro brutto monatlich. Über das Vermögen der P wurde am 01.04.2002 das Insolvenzverfahren eröffnet. Insolvenzverwalter wurde Rechtsanwalt Dr. W, der Streitverkündete. Zum Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung waren bei der Firma P noch zwischen 340 und 398 Mitarbeiter beschäftigt.
Am 14.03.2003 schlossen der Streitverkündete und der Betriebsrat der P eine Betriebsvereinbarung über die Schaffung von Auffangstrukturen, die zugleich ein Interessenausgleich und Sozialplan war. Danach sollten die Arbeitsverhältnisse aller Mitarbeiter zum 13.04.2003 beendet werden. Zu diesem Zwecke wurden zwischen den P-Mitarbeitern, dem Streitverkündeten als Insolvenzverwalter und der Beschäftigungs- und Qualifizierungsgesellschaft m 3-seitige Verträge geschlossen, durch die neben der einvernehmlichen Beendigung der Arbeitsverhältnisse bei der P mit Wirkung zum 14.04.2003 Arbeitsverhältnisse mit der m begründet werden sollten.
Die Beklagte hat sodann durch notariellen Kaufvertrag vom 11.04.2003 mit Wirkung ab 14.04.2003 die wesentlichen sachlichen und immateriellen Betriebsmittel der P vom Insolvenzverwalter und Streitverkündeten käuflich erworben. Dass damit die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 613 a BGB erfüllt wurden, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Die Beklagte hat ab 14.04.2003 insgesamt 265 frühere P-Mitarbeiter neu eingestellt.
Der Kläger hat den 3-seitigen Vertrag am 20.03.2003 unterzeichnet und diesen dem Betriebsrat zur Weiterleitung an den Treuhänder, Rechtsanwalt H, überlassen. Dies erfolgte im Hinblick auf eine entsprechende Aufforderung des Insolvenzverwalters im Schreiben vom 14.03.2003 (Bl. 19 d. erstinstanzl. Akte). Vom Betriebsratsbüro wurde der vom Kläger unterzeichnete 3-seitige Vertrag allerdings nicht an den Treuhänder, sondern vielmehr direkt an den Insolvenzverwalter weitergeleitet. Das in dessen Auftrag von Rechtsanwalt O unterzeichnete Vertragsexemplar ging am 23.06.2003 bei der m ein. Zwischen dem 23.06. und 01.07.2003 unterzeichnete der Vertreter der Firma m sämtliche bei der m eingegangenen 3-seitigen Verträge, auch den des Klägers, nachdem der Treuhänder, jedenfalls nach dem Vortrag der Beklagten, die Zusage eines unbeschränkten Massekredits der P-Gesellschafter als Sicherheit für die Zahlung des noch ausstehenden Teils des Zuschusses akzeptiert hatte. Der Kläger widerrief mit Schreiben vom 02.07.2003 sein Vertragsangebot.
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, zum Zeitpunkt der Betriebsübernahme durch die Beklagte habe noch ein wirksames Arbeitsverhältnis mit der Insolvenzschuldnerin bestanden. Ein wirksamer Aufhebungsvertrag im Rahmen des 3-seitigen Vertrages sei nicht zustande gekommen. Das Vertragsangebot des Klägers vom 20.03.2003 sei der Firma m und dem Insolvenzverwalter nicht wirksam zugegangen, weil die Erklärung des Klägers vom 20.03.2003 nicht willentlich in den Verkehr gebracht worden sei. Wenn der Betriebsrat das Angebot des Klägers nicht dem Treuhänder, sondern unmittelbar dem Insolvenzverwalter zur Verfügung gestellt habe, widerspreche dies der Intention der klägerischen Willenserklärung, weil der Treuhänder erst nach Eingang der Anschubsfinanzierung auf seinem Konto oder der Gestellung einer anderweitigen Sicherheit zur Vertragsweitergabe berechtigt gewesen sei. Mit seinem Schreiben vom 02.07.2003 habe der Kläger deshalb vor Zugang seiner Vertragserklärung diese wieder zurückgenommen und die Bindungswirkung beseitigt. Dass der Treuhänder im Übrigen die Massekreditzusage der Gesellschafter als Sicherheit akzepti...