Entscheidungsstichwort (Thema)
Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses durch den Caritasverband wegen Austritts des Arbeitnehmers aus der katholischen Kirche
Leitsatz (amtlich)
1. Im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses mit einem Caritasverband stellt es einen schwerwiegenden Verstoß gegen die arbeitsvertraglichen Loyalitätspflichten dar, wenn der Arbeitnehmer aus der katholischen Kirche austritt
2. Ein derartiger Verstoß ist an sich geeignet, die außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu begründen.
3. Zur Interessenabwägung unter Berücksichtigung der Art. 4 Abs. 1 und 140 GG.
Normenkette
BGB § 626 Abs. 1; GG Art. 4 Abs. 1, Art. 140
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 11.08.2011; Aktenzeichen 7 Ca 106/11) |
Nachgehend
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der beklagte Caritasverband das gemeinsame Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 14.03.2011 wirksam außerordentlich zum 30.09.2011 kündigen konnte.
Der Kläger wurde am 00.00.1952 geboren. Er ist ledig. Seit dem 01.01.1992 arbeitete er für den beklagten Caritasverband als Sozialpädagoge, zuletzt in Teilzeit (75 % der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit). Sein Monatsgehalt betrug 2.753,47 EUR brutto.
Der Arbeitsvertrag der Parteien vom 02.01.1992 (Anlage B 1 zum Schriftsatz des beklagten Caritasverbands vom 20.05.2011, Prozessakte des Arbeitsgerichts (im Folgenden: Arb), Bl. 21 f.) enthielt u.a. folgende Vereinbarungen:
"Caritas ist eine Lebens- und Wesensäußerung der katholischen Kirche. Der obengenannte Rechtsträger ist dem Deutschen Caritasverband angeschlossen. Seine Einrichtung dient der Verwirklichung des gemeinsamen Werkes christlicher Nächstenliebe. Dienstgeber und Mitarbeiter bilden eine Dienstgemeinschaft und tragen gemeinsam zur Erfüllung der Aufgaben der Einrichtung bei. Die Mitarbeiter haben den ihnen anvertrauten Dienst und Treue und in Erfüllung der allgemeinen und besonderen Dienstpflichten zu leisten. Der Treue des Mitarbeiters muß von seiten des Dienstgebers die Treue und Fürsorge gegenüber dem Mitarbeiter entsprechen. Auf dieser Grundlage wird der folgende Dienstvertrag geschlossen: ...
§ 2
Für das Dienstverhältnis gelten die "Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes" (AVR) in ihrer jeweils geltenden Fassung. Dem Mitarbeiter/der Mitarbeiterin ist Gelegenheit zur Einsichtnahme in die AVR gegeben.
§ 6
Die Parteien stimmen darin überein, daß ein Verstoß gegen Grundsätze der katholischen Glaubens- und Sittenlehre Grund für eine Kündigung sein kann.
Die Richtlinien für Arbeitsverträge in den Einrichtungen des Deutschen Caritasverbandes (AVR), auf die § 2 des Arbeitsvertrags verweist, enthalten im Allgemeinen Teil u.a. folgende Regelungen:
"§ 4 Allgemeine Dienstpflichten
(1) Der Dienst in der katholischen Kirche fordert vom Dienstgeber und vom Mitarbeiter die Bereitschaft zu gemeinsam getragener Verantwortung und vertrauensvoller Zusammenarbeit unter Beachtung der Eigenart, die sich aus dem Auftrag der Kirche und ihrer besonderen Verfaßtheit ergibt.
(2) Bei der Erfüllung der dienstlichen Aufgaben sind die allgemeinen und für einzelne Berufsgruppen erlassenen kirchlichen Gesetze und Vorschriften zu beachten.
(3) Der Dienst in der katholischen Kirche erfordert vom katholischen Mitarbeiter, dass er seine persönliche Lebensführung nach der Glaubens- und Sittenlehre sowie den übrigen Normen der katholischen Kirche einrichtet. Die persönliche Lebensführung des nicht katholischen Mitarbeiters darf dem kirchlichen Charakter der Einrichtung, in der er tätig ist, nicht widersprechen.
(4) ...
(5)
§ 14 Ordentliche Kündigung
...
(5) Nach einer Beschäftigungszeit (§ 11) von 15 Jahren bei demselben Dienstgeber, frühestens jedoch nach dem vollendeten 40. Lebensjahr des Mitarbeiters, ist eine ordentliche Kündigung durch den Dienstgeber ausgeschlossen, soweit nicht § 15 etwas anderes bestimmt."
Der beklagte Caritasverband beschäftigt rund 800 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen. Die angestellten Pädagogen und Sozialpädagogen sind ausnahmslos Mitglieder christlicher Kirchen.
Der Kläger arbeitete seit September 2008 im SZA. Etwa seit März 2010 war er arbeitsunfähig. Das SZA wird von der Stadt finanziert und von dem beklagten Caritasverband auf der Basis einer Leistungs- und Entgeltvereinbarung mit der Stadt (Anlage B 7 zum Schriftsatz des beklagten Caritasverbands vom 16.01.2012, Bl. 38 ff. der Akte) betrieben. Der Verband setzt dort vier Arbeitnehmer auf 2,5 Vollzeitstellen ein.
Das SZA ist ein Projekt der Erziehungshilfe, in dem Kinder von der ersten Grundschulklasse bis zum 12. Lebensjahr von Montag bis Freitag nachmittags betreut werden. Die Kinder kommen aus sozial benachteiligten Verhältnissen und haben Schwierigkeiten mit der Sozialisation. Ihre Religionszugehörigkeit ist ohne Bedeutung. ...