Entscheidungsstichwort (Thema)
Nebentätigkeit eines Arbeitnehmers. Pflicht zur Genehmigung einer Nebentätigkeit. Rettungssanitäter. Nebentätigkeit eines Rettungssanitäters als Taxifahrer
Leitsatz (redaktionell)
1. Vereinbaren die Arbeitsvertragsparteien, dass der Arbeitnehmer eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung seines Arbeitgebers ausüben darf, handelt es sich dabei nicht um ein Nebentätigkeitsverbot, sondern um einen Erlaubnisvorbehalt. Dies bedeutet, dass dem Arbeitnehmer nicht jede Nebentätigkeit verboten ist, sondern er lediglich vor Aufnahme der Nebentätigkeit die Zustimmung des Arbeitgebers einzuholen hat.
2. Ein Erlaubnisvorbehalt berechtigt den Arbeitgeber nicht, die Aufnahme einer Nebentätigkeit willkürlich zu verwehren. Sofern keine Beeinträchtigung der betrieblichen Interessen des Arbeitgebers zu erwarten ist, hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Erteilung der Zustimmung. Diese Auslegung folgt aus der objektiven Wertentscheidung des Art. 12 Abs. 1 GG, der auch die Freiheit schützt, eine nebenberufliche Tätigkeit zu ergreifen.
3. Es stellt ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers dar, dass der Arbeitnehmer während des Bestands des Arbeitsverhältnisses keine Konkurrenztätigkeit zum Nachteil des Arbeitgebers aufnimmt. Auch wenn der Einzelarbeitsvertrag keine ausdrückliche Regelung enthält, konkretisiert die für Handlungsgehilfen geltende Vorschrift des § 60 HGB einen allgemeinen Rechtsgedanken. Der Arbeitgeber soll vor Wettbewerbshandlungen seines Arbeitnehmers geschützt sein. Deshalb schließt der Arbeitsvertrag für die Dauer seines Bestehens über den persönlichen und sachlichen Anwendungsbereich des § 60 HGB hinaus ein Wettbewerbsverbot ein.
4. Die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung ist unzulässig, wenn diese den Arbeitnehmer daran hindert, seinen Arbeitspflichten aus dem Hauptarbeitsverhältnis nachzukommen. Die Arbeitszeit im Hauptarbeitsverhältnis und in der Nebenbeschäftigung darf die gesetzlich zulässigen Grenzen nach § 3 ArbZG nicht übersteigen.
Normenkette
GG Art. 12. Abs. 1; BGB § 611; HGB § 60; ArbZG § 3
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 12.08.2002; Aktenzeichen 30 Ca 1407/02) |
Tenor
1.Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 12.08.2002 – 30 Ca 1407/02 abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger die Zustimmung für die beantragte Nebentätigkeit als Taxifahrer auf der Grundlage des derzeit geltenden Wechselschichtdienstplans (4 Wo chen) nach folgenden Ma ßgaben zu erteilen:
2. Woche: Samstag und Sonntag jeweils 8 Stunden
4. Woche: Freitag und Samstag jeweils 8 Stunden. jeweils ab 19.00 Uhr, wobei sog. Behandlungstransporte von und zu Krankenhäusern bzw. Ärzten und sog. Schultransporte von schwerbehinderten Kindern ausgenommen sind.
2.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Genehmigung zur Ausübung einer Nebentätigkeit als Taxifahrer zu erteilen.
Der am 19.03.1967 geborene, verheiratete und seiner Ehefrau und einem minderjährigen Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei dem Beklagten seit 01.02.1993 als Rettungssanitäter beschäftigt. Das monatliche Bruttoeinkommen des Klägers beläuft sich derzeit auf 2.043,00 EUR. Dem Arbeitsverhältnis liegt ein Arbeitsvertrag vom 03.02.1993 zugrunde. Nach Ziffer 2 des Arbeitsvertrages gilt für das Arbeitsverhältnis der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des xxx xxx xxxx in der jeweiligen Fassung.
Der Arbeitsvertrag vom 03.02.1993 enthält in Ziffer 7 folgende Regelung:
„Der Mitarbeiter darf eine entgeltliche oder unentgeltliche Nebentätigkeit nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung seines Dienstvorgesetzten ausüben. Die Zustimmung kann widerrufen we rden”.
In § 11 des o.a. Tarifvertrags ist eine gleichlautende Regelung enthalten.
Bereits vor Beginn des Arbeitsverhältnisses hatte der Kläger eine Nebentätigkeit als Taxifahrer ausgeübt. Nachdem er dies in seinen Bewerbungsunterlagen angegeben hatte, wurde ihm im Vorstellungsgespräch mitgeteilt, dass diese Nebentätigkeit einer hauptberuflichen Tätigkeit bei dem Beklagten entgegen stehe. Der Kläger verzichtete hierauf auf die Ausübung der Nebentätigkeit.
Mit Schreiben vom 25.05.2001 teilte der Beklagte dem Kläger mit, die Dienststelle habe Kenntnis darüber erhalten, dass er einer ungenehmigten Nebentätigkeit als Taxifahrer nachgehe. Für diese Nebentätigkeit könne keine Zustimmung erteilt werden. Mit Schreiben seines späteren Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2001 teilte der Kläger hierauf mit, dass er dieses Schreiben als Abmahnung auslege und dessen Entfernung aus seiner Personalakte begehre. Der Kläger vertrat die Auffassung, dass er in zeitlich beschränktem Umfang berechtigt sei, eine Nebentätigkeit als Taxifahrer auszuüben. Dieser Auffassung widersprach der Beklagte mit Schreiben vom 26.06.2001. Er forderte den Kläger auf, bis...