Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 20.03.1986; Aktenzeichen 15 Ca 326/85)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.3.1986 –15 Ca 326/85– wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Frage, ob dem schwerbehinderten Kläger für die Zeit der Aussperrung Ansprüche aus Lohnfortzahlung im Krankheitsfalle zustehen.

Anläßlich der Kündigung der Tarifverträge für die Arbeiter und Angestellten in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum 31.12.1983, bekanntgeworden unter dem Stichwort „Einführung der 35-Stundenwoche”, hat die Industriegewerkschaft Metall für die Bundesrepublik Deutschland am 11.5.1984 zum Streik gegen Mitglieder des Verbandes der Metallindustrie Baden-Württemberg mit Wirkung ab 14.5.1984 aufgerufen. Gestreikt haben von den ca. 501.000 Arbeitnehmern des Tarifgebietes Nordwürttemberg/Nordbaden zunächst ca. 12.700 Arbeiter in 14 bzw. 15 Zulieferbetrieben der Automobilindustrie. Die Zahl der Streikenden steigerte sich am 21.5.1984 auf ca. 40.600 Arbeiter. Diese Zahl blieb bis 28.6.198 nahezu konstant. Am 3.7.1984 war der Streik beendet.

Der Arbeitgeberverband hat beschlossen, auf den Streik mit einer Aussperrung zu reagieren. Davon sind mit Wirkung ab 22.5.1984 alle Betriebe der Verbandsmitglieder mit mehr als 2.000 Beschäftigt betroffen gewesen. Mit Wirkung ab 18.6.1984 sind auch die Arbeiter in Betrieben mit mehr als 1.000 Beschäftigten entsprechend dem Beschluß des Arbeitgeberverbandes in die Aussperrung einbezogen worden. Die Aussperrung ist am 28.6.1984 beendet worden, weil an diesem Tag die Einigung über die umstrittenen Tarifverträge erzielt werden konnte.

Der Betrieb der Beklagten in …, in welchem der Kläger als Lagerist zu einem Stundenlohn von 13,72 DM im Rahmen eines mit der Beklagten bestehenden Arbeitsverhältnisses beschäftigt ist, ist von der Aussperrung mit Wirkung ab 18.6.1984 bis einschließlich 28.6.1984 betroffen gewesen. Während dieser Zeit war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt.

Mit der Klage verlangt der Kläger Lohnfortzahlung für den genannt. Zeitraum, und zwar für 10 Tage á 109,76 DM in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.097,60 DM. Der Kläger begründet die Klage mit der Auffassung, die Aussperrung verstoße gegen die Rechtsordnung, weshalb sie rechts widrig sei. Dies gelte jedenfalls auch deshalb, weil das Übermaßverbot nicht beachtet sei. Es seien letztlich 128.035 Arbeitnehmer im Tarifgebiet ausgesperrt gewesen, also mehr als 25 % der insgesamt im Tarifgebiet in der Metallindustrie beschäftigten Arbeitnehmer. Das gelte vor allem, wenn man die 50.000 Arbeitnehmer hinzuzählte, die „kalt” ausgesperrt worden seien. Zudem sei die gegen arbeitsunfähig erkrankte und schwerbehinderte Arbeitnehmer gerichtete Aussperrung ohnehin unzulässig.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 1.097,60 DM nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte führt aus, die Klage sei unbegründet, weil eine Anspruchsgrundlage nicht bestehe. Die Aussperrung habe in ihrer durchgeführten Form nicht gegen geltendes Recht verstoßen. Der Umfang der Aussperrung sei deutlich unter den vom BAG in seinen Entscheidungen gezogenen Grenzen geblieben. Danach hätten bis zu 25 % der Arbeitnehmer im Tarifgebiet, also 125.000 Arbeitnehmer ausgesperrt werden dürfen. In Wahrheit seien maximal 101.100 Arbeitnehmer ausgesperrt gewesen, im Durchschnitt der 25 Aussperrungstage sogar lediglich 81.300 Arbeitnehmer. Weder schwerbehinderte noch arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer seien von der Aussperrung aus Rechtsgründen ausgenommen.

Mit am 20.3.1986 verkündetem Urteil hat das Arbeitsgericht Stuttgart die Klage abgewiesen, im wesentlichen mit der Begründung, die dem Kläger gegenüber zum Ausdruck gelangte Aussperrung sei rechtmäßig gewesen. Deshalb entfalle die Anspruchsgrundlage des Lohnfortzahlungsgesetzes (LohnFG); daran vermöge auch das Schwerbehindertenrecht nichts zu ändern.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger seinen Klagantrag weiter,

  1. das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.3.19 –15 Ca 326/86– abzuändern;
  2. auf die Berufung des Klägers die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger DM 1.097,60 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich daraus ergebenden Nettobetrag seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hinsichtlich des Vortrages der Parteien im einzelnen wird auf deren vorbereitende Schriftsätze und auf die vorgelegten Anlagen verwiesen.

 

Entscheidungsgründe

Die statthafte und auch im übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet. Das Arbeitsgericht hat die zulässige Klage zutreffend abgewiesen, weil ein Rechtsgrund für den eingeklagten Betrag nicht besteht.

I.

Als gesetzliche Anspruchsgrundlage kommt ohnehin ausschließlich § 1 Abs. 1 LohnFG in Betracht, weil der Kläger im hier umstrittene Zeitraum ab 18.6.1984 arbeitsunfähig erkrankt war.

...

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