Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksamkeit eines zur Weiterbildung befristeten Arbeitsvertrages einer teilzeitbeschäftigten Fachärztin für innere Medizin bei unzureichend strukturierter Weiterbildung zum Erwerb einer Anerkennung für den Schwerpunkt "Gastroenterologie"
Leitsatz (amtlich)
Voraussetzung für eine Befristung eines Arbeitsvertrags mit einem Arzt in Weiterbildung ist nach § 1 Abs. 1 ÄArbVtrG, dass die Beschäftigung des Arztes seiner zeitlich und inhaltlich strukturierten Weiterbildung dient. Dies bedeutet, dass der Arbeitgeber bei Abschluss des befristeten Arbeitsvertrags zu diesem Zweck eine Weiterbildungsplanung erstellen muss, die zeitlich und inhaltlich auf die konkrete Weiterbildung zugeschnitten ist. Die Planung muss nicht Inhalt der (schriftlichen) Befristungsabrede sein; sie muss aber objektiv vorliegen;
Normenkette
ÄArbVtrG § 1 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Heilbronn (Entscheidung vom 28.01.2015; Aktenzeichen 4 Ca 299/14) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 28.01.2015 - 4 Ca 299/14 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht aufgrund der Befristung vom 13./21.06.2012 geendet hat.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen geschlossene Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitsvertraglicher Befristung mit Ablauf des 30.06.2014 geendet hat.
Die am 02.11.1969 geborene Klägerin schloss unter dem Datum des 13./21.06.2012 mit der Beklagten einen befristeten Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.07.2012 bis 30.06.2014 als teilzeitbeschäftigte Ärztin ab. In der Vertragsurkunde (Anlage K 1) ist in § 1 angekreuzt, dass die Befristung "zum Erwerb einer Zusatzbezeichnung, eines Fachkundenachweises oder einer Bescheinigung über eine fakultative Weiterbildung" erfolgt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages wurde die Klägerin als Assistenzärztin eingestellt. Es wurde weiter angegeben, dass die Tätigkeit in den (verschiedenen) Einrichtungen der Beklagten zu erbringen sei. Das Arbeitsverhältnis bestimmte sich nach § 4 des Arbeitsvertrags nach dem Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an kommunalen Krankenhäusern im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TV-Ärzte/VKA). Das durchschnittliche Bruttomonatsentgelt der Klägerin belief sich auf € 5.700,00.
Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses war die Klägerin seit rund 16 Jahren approbierte Ärztin. Im Rahmen von verschiedenen Arbeitsverhältnissen hatte sie ausweislich des Zwischenzeugnisses des Städtischen Klinikums K. vom 12.05.2009 im April 2007 die Gebietsbezeichnung "Fachärztin für innere Medizin" erworben. Die Weiterbildung erfolgte vom 01.12.2001 bis 31.07.2006 bei der Beklagten an deren Klinikum AGH. Die Klägerin war darüber hinaus bei der Beklagten vom 01.05.2007 bis 31.07.2007 in deren Krankenhaus M. tätig. Außerdem stand die Klägerin zum Erwerb des Schwerpunkts Gastroenterologie vom 01.01.2008 bis 31.07.2008 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Landkreis E. in dessen Klinikum KN. und vom 01.09.2008 bis 30.04.2009 in einem Arbeitsverhältnis mit dem Städtischen Klinikum K. gGmbH.
Die Beklagte betreibt Krankenhäuser in BF., B., H. und M.. Ende 2011 nahm die Klägerin Kontakt mit dem Chefarzt der Abteilung Innere Medizin des Krankenhauses B., Herrn Dr. B., auf. Die Klägerin beabsichtigte, ihre Weiterbildung im Schwerpunkt Gastroenterologie fortzusetzen. Herr Dr. B. besitzt eine Weiterbildungsberechtigung für das Gebiet Innere Medizin und den Schwerpunkt Gastroenterologie für die Dauer von 18 Monaten (Anlage K 2). Außerdem besitzt er eine Befugnis in der stationären internistischen Patientenversorgung für 36 Monate (Anlage zum Protokoll der Berufungsverhandlung vom 20.07.2015). Die Weiterbildungsberechtigung hatte Herr Dr. B. aufgrund eines gegliederten Programms gemäß § 5 Abs. 5 der seit dem Jahr 2006 geltenden Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg (im Folgenden: WBO 2006) erhalten (Anlage BB 1).
Die Klägerin bewarb sich daraufhin bei der Beklagten für eine Tätigkeit als Assistenzärztin in der Abteilung von Herrn Dr. B. zur Fortsetzung ihrer Weiterbildung im Schwerpunkt "Gastroenterologie". Welche Absprachen die Klägerin und Herr Dr. B. zu Beginn des Arbeitsverhältnisses über den Inhalt der Weiterbildung getroffen haben, ist zwischen den Parteien streitig.
Im Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zwischen der Klägerin und Herrn Dr. B. zu Meinungsverschiedenheiten über den Inhalt der Weiterbildung. Diese wurden anlässlich von Mitarbeitergesprächen im Jahr 2012, November 2013 und vom 28.01.2014 thematisiert. Am 04.02.2014 richtete die Klägerin ein Schreiben an Herrn Dr. B. (nicht vorgelegt). Dieser teilte hierzu mit Schreiben vom 13.02.2014 (Anlage B 4) mit, es gebe eine Reihe von Gründen, weshalb die Endoskopiezahlen der Klägerin gering seien. Herr Dr. B. sprach in diesem Zusammenhang die mang...