Entscheidungsstichwort (Thema)
Entgeltfortzahlung
Leitsatz (amtlich)
Ist in einem vor Inkrafttreten des § 4 Abs. 1 EFZG i.d.F. des Arbeitsrechtlichen Beschäftigungsförderungsgesetzes vereinbarten Tarifvertrages geregelt, das „in Krankheitsfällen und während eines ärztlich verordneten Heilverfahrens der vereinbarte Lohn/das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen ist”, steht dem erkrankten Arbeitnehmer Entgeltfortzahlung in Höhe des vereinbarten Lohns und nicht nur in Höhe von 80 vom Hundert zu.
Normenkette
EFZG § 4
Verfahrensgang
ArbG Reutlingen (Urteil vom 20.08.1997; Aktenzeichen 6 Ca 244/97) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 20. August 1997 – Az.: 6 Ca 244/97 – wird auf Kosten der Berufungsführerin als unbegründet zurückgewiesen.
2. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Frage, in welcher Höhe die Arbeitgeberin Entgeltfortzahlung an den Kläger zu leisten hat.
Der am 24. Januar 1968 geborene Kläger steht seit dem 06. April 1992 als gewerblicher Arbeitnehmer in den Diensten der Beklagten. Der Kläger erhält einen Stundenlohn in Höhe von DM 24,05 bei einer 37,5 Std.-Woche. Die Arbeitsvertragsparteien sind aufgrund Organisationszugehörigkeit an den Rahmentarifvertrag für die Beschäftigten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg vom 03. Juni 1991 (künftig: RTV) gebunden. In dem Tarifvertrag ist unter § 12 I die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfalle geregelt. § 12 I Nr. 1 RTV lautet:
Wenn der Beschäftigte infolge unverschuldeter Krankheit oder Krankheit infolge eines Arbeitsunfalles an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, so ist ihm das Arbeitsentgelt gemäß den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes weiterzuzahlen.
Unter § 12 I Nr. 4 RTV ist des weiteren geregelt:
In Krankheitsfällen und während eines ärztlich verordneten Heilverfahrens ist der vereinbarte Lohn/das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen.
In früheren tariflichen Regelungen war hinsichtlich der Gehaltsfortzahlung für Angestellte und hinsichtlich der Lohnfortzahlung für Arbeiter unterschieden worden.
§ 8 Nr. 5 lit. a des Rahmentarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg, gültig ab 01. April 1989, lautete:
Wenn der Arbeitnehmer infolge unverschuldeter Krankheit oder Krankheit infolge eines Arbeitsunfalles an seiner Arbeitsleistung verhindert ist, so ist ihm das Arbeitsentgelt gemäß den Bestimmungen des Lohnfortzahlungsgesetzes weiterzuzahlen.
Der Manteltarifvertrag für die Angestellten der Steine- und Erdenindustrie in Baden-Württemberg ebenfalls gültig ab 01. April 1989, enthielt folgende Bestimmungen:
§ 13 Nr. 1 lit. b: In Krankheitsfällen und während eines ärztlich verordneten Heilverfahrens ist das vereinbarte Gehalt bis zur Dauer von 6 Wochen fortzuzahlen.
Nach § 13 Nr. 1 lit. c erhielten Angestellte nach Ablauf der Gehaltsfortzahlung als Zuschuß zu den Barleistungen der Krankenkasse, abhängig nach der Zugehörigkeit im selben Unternehmen, den Unterschiedsbetrag zwischen 90 % der monatlichen Nettogehaltsbezüge und dem aus Anlaß der Krankheit von öffentlichen oder privaten Kassen bezogenen Krankengeld.
Der Kläger war im Februar 1997 während 20,5 Arbeitsstunden arbeitsunfähig krank. Die Beklagte leistete für diese Stunden Entgeltfortzahlung in Höhe von DM 394,42. Im Monat Mai 1997 war der Kläger an 66,5 Stunden durch Krankheit an der Arbeitsleistung gehindert. Die Beklagte leistete an ihn DM 1.279,46. Der Kläger begehrt für die Stunden im Februar 1997 einen Differenzbetrag in Höhe von DM 98,60 brutto sowie für die Stunden im Monat Mai 1997 einen solchen in Höhe von DM 319,87 brutto.
Mit Wirkung vom 01. Juli 1997 haben die Tarifvertragsparteien einen neuen Rahmentarifvertrag in Kraft gesetzt. In diesem lautet es nunmehr unter § 12 I Nr. 1:
Hinsichtlich der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall gelten die gesetzlichen Bestimmungen des Entgeltfortzahlungsgesetzes, sofern in den nachfolgenden Vorschriften nichts anderes geregelt ist.
§ 12 I Nr. 3 enthält nunmehr die Regelung:
Wird ein Beschäftigter durch Arbeitsunfähigkeit infolge Krankheit an seiner Arbeitsleistung verhindert, ohne daß ihn ein Verschulden trifft, so verliert er dadurch nicht den Anspruch auf 100 % des Arbeitsentgelts – berechnet nach Ziff. 4 – für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit bis zur Dauer von 6 Wochen.
Der Kläger, der den Differenzbetrag für den Monat Februar 1997 mit seiner am 07. Mai 1997 zum Arbeitsgericht erhobenen Klage und den Differenzbetrag für den Monat Mai 1997 mit dem am 09. Juli 1997 eingereichten Klagerweiterungsschriftsatz geltend gemacht hat, hat zur Begründung ausgeführt, § 12 I Nr. 4 RTV enthalte eine eigenständige tarifliche Regelung. Aus diesem Grunde könne er die volle Lohnfortzahlung in Höhe von 100 % verlangen.
Der Kläger hat (zusammengefaßt) beantragt:
Die Beklagte wird verurteilt, an de...