Rechtmäßigkeit der betriebsbedingten Kündigung einer studentischen Hilfskraft wegen Exmatrikulation
Leitsatz (redaktionell)
1. Die betriebsbedingte Kündigung einer studentischen Hilfskraft, die sich exmatrikulieren lässt, kann nach § 1 Abs. 2 KSchG sozial gerechtfertigt sein. Der Wegfall des Beschäftigungsbedarfs kann sich aus der unternehmerischen Entscheidung ergeben, für Hilfstätigkeiten im Forschungsbereich einer Forschungseinrichtung ausschließlich immatrikulierte Studenten einzusetzen.
2. Ist der studentischen Hilfskraft aus dem Dienstvertrag bekannt, dass sie bei Nichtvorlage einer Immatrikulationsbescheinigung keine Vergütung erhält, bedarf es vor einer Kündigung wegen der Exmatrikulation der studentischen Hilfskraft keiner Abmahnung.
Normenkette
BGB § 125; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1; BGB § 314 Abs. 2, § 611
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 14.06.2005; Aktenzeichen 4 Ca 178/03) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung des Klägers und die Anschlußberufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 14.06.2005 – 4 Ca 178/03 – werden zurückgewiesen.
Der Kläger hat 2/3, die Beklagte 1/3 der Kosten der Berufung zu tragen.
Die Revision wird für den Kläger zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Befristung, einer von der Beklagten fürsorglich ausgesprochenen ordentlichen Kündigung und darüber, ob das Arbeitsverhältnis nach §§ 9, 10 KSchG aufzulösen ist.
Der inzwischen 43-jährige, ledige Kläger war ab 01.09.1995 aufgrund von 17 befristeten Arbeitsverträgen als wissenschaftliche Hilfskraft ohne abgeschlossene Hochschulausbildung bei der Beklagten, einer Forschungseinrichtung im Sinne des § 57 e HRG in der Fassung vom 31.12.2004 beschäftigt. Er war zuletzt mit Hilfstätigkeiten in der Forschungsgruppe „Informations- und Kommunikationstechnologien” für das Projekt „Konjunkturumfrage” eingesetzt und war dort mit der Administration der einschlägigen Datenbanken und der damit verbundenen Tätigkeiten beschäftigt. Die Beklagte beschäftigt neben etwa 120 anderweitigen Mitarbeitern regelmäßig rund 100 derartige studentische Hilfskräfte, überwiegend im Forschungsbereich, aber vereinzelt auch in Verwaltung und EDV-Abteilung. Der letzte befristete Arbeitsvertrag für die Zeit vom 01.01.2003 bis 31.03.2003 von der Beklagten unterzeichnet unter dem 20.12.2002, wurde vom Kläger erst am 21.01.2003 unterzeichnet. Der Kläger hat bereits ab der zweiten Januarwoche, spätestens ab 08.01.2003 weitergearbeitet. Der Kläger ließ sich zum 31.03.2003 ohne Hochschulabschluß exmatrikulieren. Die Beklagte weigerte sich daraufhin den Kläger weiterzubeschäftigen, weshalb der Kläger am 17.04.2003 Klage erhob mit dem Antrag festzustellen, dass zwischen den Parteien seit 01.01.2003 ein Dauerteilzeitarbeitsverhältnis besteht. Mit Schreiben vom 10.06.2003 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis vorsorglich zum 31.08.2003.
Der Kläger hat, soweit für die Berufung von Belang, beantragt:
1. festzustellen, dass zwischen der Beklagten, dem Z. f. E. W. GmbH, und ihm, dem Kläger, seit 01.01.2003 ein Dauerteilzeitarbeitsverhältnis bestehe;
…
5. festzustellen, dass das die Parteien verbindende Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 10.06.2003, ihm, dem Kläger, zugegangen am 13.06.2003, nicht aufgelöst wurde.
…
Die Beklagte hat beantragt:
die Klage abzuweisen;
hilfsweise hierzu:
- Das Arbeitsverhältnis gegen Zuerkennung einer in das Ermessen des Arbeitsgerichts gestellten Abfindung an den Kläger aufzulösen.
Der Kläger hat beantragt, den Auflösungsantrag zurückzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat dem Klagantrag Ziffer 1 stattgegeben und festgestellt, dass die Parteien seit 01.01.2003 in einem sie miteinander verbindenden unbefristeten Teilzeitarbeitsverhältnis standen. Die weiteren Anträge wurden abgewiesen. Die Befristung könne wegen Verletzung des Zitiergebotes gem. § 57 Abs. 3 Satz 1 und 2 nicht auf die Vorschriften des HRG gestützt werden. Außerdem sei sie mangels sachlichen Grundes rechtsunwirksam. Die von der Beklagten vorsorglich ausgesprochene Kündigung sei sozial gerechtfertigt. Die Bedingung für eine Beschäftigung des Klägers, nämlich der Studentenstatus sei entfallen, die Beklagte sei nicht verpflichtet gewesen, von ihrer grundsätzlichen Entscheidung abzuweichen, im Forschungsbereich nur studentische Hilfskräfte einzusetzen. Der Kläger habe auch nicht behauptet, dass ein für ihn geeigneter freier Arbeitsplatz außerhalb des Forschungsbereichs zur Verfügung gestanden habe. Zur näheren Sachdarstellung wird auf das arbeitsgerichtliche Urteil vom 14.06.2005 Bezug genommen.
Der Kläger hat gegen das am 03.08.2005 zugestellte Urteil am 05.09.2005 Berufung eingelegt und diese am 30.09.2005 ausgeführt. Die Berufungsbegründung wurde der Beklagten am 10.10.2005 zugestellt. Diese legte am 08.11.2005 Anschlußberufung ein.
Der Kläger meint, die von der Beklagten ausgesprochene Kündigung sei sozial nicht gerechtfertigt. Der Verlust des Studentenstatus sei kein tauglicher Anknüpfung...