Entscheidungsstichwort (Thema)

Entscheidungsfreiheit hinsichtlich Umfang der Weiterarbeit nach Ende des Mutterschutzes. Kein Rechtsmissbrauch wegen Beschäftigungsverbot. Kein Rechtsmissbrauch wegen unklarem Antrag auf Elternzeit. Einzelfallbezogene Auslegung von Anträgen auf Elternzeit ab dem 02.01.2018. Anspruch auf Mutterschutzlohn nur bis 31.12.2017

 

Leitsatz (amtlich)

1. Es unterfällt der freien Entscheidung einer Arbeitnehmerin, sich im Anschluss an die Mutterschutzfristen nach § 6 Abs. 1 MuSchG a.F. für eine Weiterarbeit im bisherigen Umfang zu entscheiden und gleichzeitig ihr Kind zu stillen.

2. Ein Missbrauch der Rechte aus §§ 6 Abs. 3, 11 Abs. 1 MuSchG a.F. auf Mutterschutzlohn folgt nicht daraus, dass die stillende Mutter einem Beschäftigungsverbot unterfällt, weil eine Umgestaltung der Arbeitsbedingungen oder die Umsetzung auf einen geeigneten Arbeitsplatz nicht möglich ist. Ein Rechtsmissbrauch ergibt sich nicht daraus, dass ein Antrag auf Elternzeit und/oder Teilzeit gestellt wird, der sich nicht unmittelbar auf den Ablauf der Mutterschutzfrist bezieht, sondern auf einen erheblich späteren Zeitpunkt.

3. Aus einem solchen Antrag kann nicht geschlossen werden, die stillende Mutter sei bereits zu einem früheren als dem gewünschten Zeitpunkt nur leistungsfähig oder leistungswillig im Rahmen der gewünschten Verringerung und das Beschäftigungsverbot sei nicht die alleinige Ursache für das Nichtleisten der Arbeit und den damit verbundenen Verdienstausfall.

4. Ein "Antrag auf Elternzeit/Teilzeit ab dem 2. Januar 2018 bzw. nach der Stillzeit" bedarf der einzelfallbezogenen Auslegung.

 

Normenkette

MuSchG a.F. § 6 Abs. 3, § 11 Abs. 1; BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Mannheim (Entscheidung vom 26.07.2018; Aktenzeichen 3 Ca 434/17)

 

Tenor

  1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 26. Juli 2018 - 3 Ca 434/17 - teilweise abgeändert:

    Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für Juli 2017 EUR 268,08 brutto nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz seit dem 15. Juli 2017 sowie

    für August 2017 EUR 2.770,14 brutto abzüglich am 24.08.2017 gezahlter EUR 1.866,81 brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus EUR 2.770,14 brutto vom 15.08.2017 bis zum 23.08.2017 sowie aus dem Differenzbetrag ab dem 24.08.2017 sowie

    für September 2017 EUR 2.770,14 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.702,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 15.09.2017 sowie

    für Oktober 2017 EUR 2.770,14 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.702,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 15.10.2017 sowie

    für Dezember EUR 2.770,14 brutto abzüglich gezahlter EUR 1.702,08 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem gesetzlichen Basiszinssatz aus dem Differenzbetrag seit dem 15.12.2017 zu zahlen.

  2. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 26. Juli 2018 - 3 Ca 434/17 - zurückgewiesen.
  3. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu 62 % und die Beklagte zu 38 %.

    Darüber hinaus trägt die Klägerin die Kosten der Nebenintervention zu 62 %.

    Im Übrigen trägt die Streithelferin die Kosten der Nebenintervention.

  4. Die Revision wird zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Mutterschutzlohn.

Die Klägerin ist Jahrgang 1988 und seit dem 15. August 2013 als Heilerziehungspflegerin in einem von dem Beklagten betriebenen Heim für Menschen mit Behinderung gegen ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von zuletzt 2.270,14 Euro brutto tätig (Dienstvertrag vom 13. August 2013 = Bl. 70ff der Akte des Arbeitsgerichts).

Sie ist bei der Streithelferin krankenversichert.

Die Klägerin unterrichtete den Beklagten am 22. September 2016 von ihrer Schwangerschaft. Dieser sprach in Übereinstimmung mit den Vorgaben des Regierungspräsidiums ein Beschäftigungsverbot nach § 4 Mutterschutzgesetz (MuSchG) a.F. aus und zahlte die vertragliche Vergütung nach § 11 MuSchG a.F. aus. Er erhielt von der Streithelferin entsprechende Erstattungen gem. § 1 Abs. 2 Nr. 2 AAG.

Mit Blick auf eine Wiederaufnahme der Beschäftigung nach der Geburt des Kindes wurde die Klägerin darüber unterrichtet, dass sie aufgrund der vorliegenden Gefährdungsbeurteilung während der Stillzeit in der Einrichtung nicht eingesetzt werden könne, da auch insoweit ein Beschäftigungsverbot nach § 6 Abs. 3 MuSchG a.F. bestehe. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass sie als in einem Wohnhaus für behinderte Menschen eingesetzte Heilerziehungspflegerin mit Körperflüssigkeiten in Berührung komme.

Deswegen erkundigte sich die Klägerin mit Schreiben vom 7. März 2017 nach der Möglichkeit der Versetzung, da es ihr als potentiellem Hauptverdiener nicht möglich sei, auf ihr Gehalt zu verzichten (Bl. 16 der Akte des Arbeitsgerichts).

Am 00.00.2017 gebar die Klägerin ihr Kind. Mit Schreiben vom...

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