Entscheidungsstichwort (Thema)

Beendigung der Nachbindung nach § 3 Abs. 3 TVG bzw. der Nachwirkung nach § 4 Abs. 5 TVG. Nachbindung. ERA-Einführung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Nachbindung gemäß § 3 Abs. 3 TVG endet nicht mit der ersten Kündigungsmöglichkeit nach Austritt des Arbeitgebers aus dem Tarifträgerverband.

2. Allein die Möglichkeit der ERA-Einführung (§ 2 ETV-ERA) führt ebenfalls nicht zur Beendigung der bisher geltenden Tarifverträge (§ 3 Abs. 3 TVG).

3. Eine andere Abmachung i.S.d. § 4 Abs. 5 TVG liegt nicht vor, wenn im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Nachwirkung eines Tarifvertrags nicht absehbar war.

 

Normenkette

TVG § 4 Abs. 5, § 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

ArbG Stuttgart (Urteil vom 04.09.2008; Aktenzeichen 21 Ca 7628/07)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 17.11.2011; Aktenzeichen 5 AZR 712/09)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten und die Anschlussberufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 04.09.2008 – Az.: 21 Ca 7628/07 – werden zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin zu 1/8 und die Beklagte zu 7/8.

3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelasen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten noch um die Gutschrift von 325 Arbeitsstunden auf dem Arbeitszeitkonto der Klägerin sowie um die Gutschrift eines Urlaubstags für das Urlaubsjahr 2007 auf dem Urlaubskonto der Klägerin. Hintergrund des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Tarifverträge für die Beschäftigten der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden auf das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit 15.09.1975 beschäftigt. Die Beklagte ist ein Unternehmen der Metallindustrie. Sie wendete auf sämtliche Arbeitsverhältnisse, so auch auf das Arbeitsverhältnis mit der zunächst nicht tarifgebundenen Klägerin, die Tarifverträge für die Beschäftigten der Metallindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden an. Zum 31.12.2005 trat die Beklagte aus dem Verband der Metallindustrie Baden-Württemberg e.V. aus. Am 24.06.2005 schlossen die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag mit Wirkung vom 01.01.2006. Dieser regelt, dass die individuelle regelmäßige Arbeitszeit des Arbeitnehmers 40 Stunden beträgt. Sämtliche bisherigen Arbeitsverträge und andere schriftliche Abmachungen sollten mit der Unterzeichnung des Arbeitsvertrags ihre Gültigkeit verlieren. Die Parteien stimmten darüber ein, dass keinerlei Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden (Anlage K2 zur Klagschrift vom 24.09.2007). Die Arbeitgeberin und der bei ihr gebildete Betriebsrat verabschiedeten am 07.12.2005 mit Wirkung vom 01.01.2006 eine Betriebsvereinbarung über die Lage und Verteilung der Arbeitszeit, die in Ziff. 4 i.V.m. Ziff. 2 ein Arbeitszeitkonto auf der Grundlage einer persönlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden vorsieht. Die Differenz zwischen der geleisteten Arbeitszeit und der Regelarbeitszeit wird danach im Verhältnis 1:1 in ein Arbeitszeitkonto übertragen (ABl. 76 ff. d. Berufungsakte). Seit dem 01.01.2006 arbeitet die Klägerin wöchentlich 40 Stunden; entsprechend wurde das Arbeitszeitkonto der Klägerin geführt. Einen Lohnausgleich erhielt die Klägerin nicht.

Der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. – Südwestmetall – und die IG Metall, Bezirk Baden-Württemberg, haben am 16.09.2003 mit Wirkung zum 01.10.2003 den Einführungstarifvertrag zum ERA-Tarifvertrag (ETV-ERA) abgeschlossen, der auszugsweise wie folgt lautet:

㤠2

Einführungszeitraum

2.1 Tarifliche Stichtage

2.1.2

Der Vorbereitungsphase schließt sich eine Einführungsphase von 3 Jahren an*). … Der ERA-TV ersetzt zum Stichtag im Betrieb die entsprechenden Bestimmungen der bestehenden Tarifverträge (§ 24 ERA-TV).

Vor der Einführungsphase kann der ERA-TV nur mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien eingeführt werden.

*) Protokollnotiz: Beginn und Ende der Einführungsphase werden bei Vereinbarung der letzten ERA-Strukturkomponente festgelegt.

(Hinweis: Im Rahmen der Tarifrunde 2004 wurde diese Einführungsphase auf die Zeit 01. März 2005 – 29. Februar 2008 festgelegt.)

2.1.3

Im Anschluss an die Einführungsphase gilt der ERA-TV verbindlich für alle Betriebe. Mit Zustimmung der Tarifvertragsparteien kann der ERA-TV betrieblich auch bis zu 12 Monate nach diesem Zeitpunkt eingeführt werden.

…”

Die Tarifvertragsparteien haben zeitgleich den Entgeltrahmentarifvertrag (ERA-TV), am 18.12.2003 den Tarifvertrag ERA-Anpassungsfond (TV-ERA-AnpF) und am 29.09.2004 den Tarifvertrag zum Bruttoaufstockungsmodell Altersteilzeit (TV-BA) abgeschlossen. Am 14.06.2005 sind folgende weitere Tarifverträge zwischen den Tarifvertragsparteien vereinbart worden:

  • Manteltarifvertrag für Beschäftigte in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden zum ERA-TV (MTV-ERA),
  • Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung Nordwürttemberg/Nordbaden (TV-BeschSich),
  • Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung für die Beschäftigten und Auszubildenden in der Metall- und Elektroindustrie in Ba...

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