Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristete Übertragung der Tätigkeit einer ersten Fagottistin
Leitsatz (redaktionell)
1. Für eine Orchestermusikerin wird mit der befristeten Übertragung der Tätigkeit als 1. Solofagottistin eine einzelne Arbeitsbedingung befristet, auf die weder § 14 Abs. 1 TzBfG noch § 3 Abs. 1 Satz 3 oder Satz 5 TVK Anwendung finden, da sowohl § 14 Abs. 1 TzBfG als auch § 3 TVK die Befristung des Arbeitsvertrages insgesamt regeln; für die befristete Übertragung einer mit einer Zulage verbundenen Tätigkeit gilt vielmehr § 20 TVK.
2. Die in § 20 TVK genannten Tätigkeiten können auch befristet übertragen werden; für einen Regelungswillen der Tarifvertragsparteien, die befristete Übertragung einer solchen Tätigkeit auszuschließen, gibt es keine Anhaltspunkte.
3. Aus der Unanwendbarkeit von § 14 TzBfG auf die Befristung einzelner Arbeitsbedingungen folgt nicht, dass eine solche Befristung nach Inkrafttreten des TzBfG ohne Einschränkung wirksam ist und keiner Befristungskontrolle mehr unterliegt oder nur einer Inhalts- und Angemessenheitskontrolle gemäß §§ 242, 315 BGB zu unterwerfen ist; vielmehr bleibt es bei den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zur Unwirksamkeit der Befristung einzelner Vertragsbedingungen, nach denen es eines rechtfertigenden Grundes bedarf, wenn der gesetzliche Änderungskündigungsschutz (§ 2 KSchG) in seinem Kernbereich umgangen wird.
Normenkette
BGB § 307 Abs. 1, § 611 Abs. 1; TzBfG § 14 Abs. 1; TVK § 3 Abs. 1 Sätze 3, 5, § 20 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 25.06.2012; Aktenzeichen 3 Ca 126/12) |
Nachgehend
Tenor
1.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 25.06.2012 - Aktenzeichen 3 Ca 126/12 - wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
2.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Klägerin zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin die Aufgabe einer ersten (Solo-) Fagottistin befristet übertragen konnte oder ob diese Befristungen unwirksam sind mit der Folge, dass der Klägerin die Tätigkeit einer 1. (Solo-) Fagottistin auf Dauer zu übertragen ist.
Die Klägerin ist seit 01.12.2002 gemäß Arbeitsvertrag vom 07.01.2003 als Orchestermusikerin für den Eigenbetrieb der Beklagten, das N. M., eingestellt. Sie bezieht ein Bruttomonatsgehalt -einschließlich der Zulage der Stufe II (EUR 304,24) - in Höhe von EUR 3.530,50. Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 01.07.1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen (K 1, ABl. 27 ff. der erstinstanzlichen Akte). Die Klägerin ist Mitglied der Deutschen Orchestervereinigung (DOV). § 3 des Arbeitsvertrags vom 07.01.2003 lautet:
" Frau D. ist zum Spielen der Instrumente 3., 1. Fagott und 2. Fagott verpflichtet. Ihr wird die Tätigkeit einer Fagottistin übertragen. Sie erhält die Tätigkeitszulage II."
Durch Vereinbarung vom 09.10.2008 wurde der Klägerin unter der Überschrift "Vorübergehende Änderung Ihres Arbeitsvertrages" ab 01.10.2008 "im gegenseitigen Einvernehmen" "interimsweise die Tätigkeit einer "1. (Solo-) Fagottistin" übertragen". Ab diesem Zeitpunkt erhielt die Klägerin die Tätigkeitszulage I. Diese beträgt EUR 608,49 brutto im Monat. Die Vereinbarung galt bis zur Genesung des Stelleninhabers, längstens bis zum 30.07.2009 (K 2, ABl. 28 der erstinstanzlichen Akte). Mit Vereinbarung vom 14.07.2009 wurde der Klägerin ab 14.09.2009 wiederum "im gegenseitigen Einvernehmen" und "interimsweise" die Tätigkeit einer 1. (Solo-) Fagottistin bis zur Besetzung der Stelle, längstens bis 12.09.2010 übertragen (K 3, ABl. 29 der erstinstanzlichen Akte). Eine entsprechende Vereinbarung gibt es für die Zeit vom 13.09.2010 bis 11.09.2011 (K 4, ABl. 30 der erstinstanzlichen Akte) und vom 12.09.2011 bis zum 09.09.2012 (K 5, ABl. 31 der erstinstanzlichen Akte). Die Stelle eines 1. Solofagotts war seit September 2008 bis April 2012 monatlich in der Zeitschrift "Das Orchester" ausgeschrieben. Am 01.06.2010, 16.11.2010, 07.02.2011 und 14.03.2012 fanden die nach der Probespielordnung des N. M. vom 07.03.1994 (K 8, ABl. 34 ff. der erstinstanzlichen Akte) vor einer Besetzung vorgesehenen Probevorspiele statt. Die Klägerin nahm an diesen Vorspielen nicht teil. Sie begründet das damit, dass zwei Kollegen der Fachgruppe (beide am 2. Fagott) angekündigt hätten, sie würden der Klägerin unabhängig vom Ausgang des Vorspiels die Stimme verweigern, weshalb die Klägerin die erforderliche 2/3 Mehrheit nach Artikel V Ziff. 3 und 6 der Probespielordnung nicht habe erreichen können. Die Teilnahme an einem Vorspiel sei ihr, zumal ihre Leistung im Orchester seit vier Jahren bekannt seien, deshalb nicht zumutbar gewesen. Mit Schreiben vom 04.02.2012 (K 10, ABl. 65 der Berufungsakte) bewarb sich die Klägerin um die Stelle als 1. (Solo-) Fagottistin. Ab September 2012 wurde die Stel...