Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialauswahl bei betriebsbedingter Änderungskündigung
Leitsatz (redaktionell)
1. Bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Änderungskündigung ist unabhängig von der Frage, ob der Arbeitnehmer die Änderungskündigung unter Vorbehalt angenommen hat oder nicht, stets auf das Änderungsangebot und dessen soziale Rechtfertigung abzustellen.
2. Im Rahmen der Prüfung der Sozialauswahl bei einer betriebsbedingten Änderungskündigung ist darauf abzustellen, ob der Arbeitgeber die Änderung einem anderen vergleichbaren Arbeitnehmer hätte anbieten können, dem sie in sozialer Hinsicht eher zuzumuten wäre.
Normenkette
KSchG §§ 2, 1 Abs. 2-3; BGB § 623; BetrVG § 102 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Urteil vom 13.07.2004; Aktenzeichen 12 Ca 29/04) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 13.07.2004 - Az.: 12 Ca 29/04 - wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen eine ordentliche Änderungskündigung, deren Änderungsangebot er unter Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung annahm. Die beiden beklagten Arbeitgeber machen dringende betriebliche Erfordernisse für die Änderungskündigung geltend.
Der am 02.12.1952 geborene Kläger trat am 01.04.1986 in die Dienste der beiden Beklagten. Bei ihnen handelt es sich um zwei Versicherungsunternehmen desselben Konzerns, des D. R., die beide ständig weit über fünf Arbeitnehmer beschäftigen. In der Landesdirektion Süd-West, in der der Kläger bei Ausspruch der Änderungskündigung beschäftigt war, sind 41 Arbeitnehmer einschließlich der im Außendienst eingesetzten 21 Arbeitnehmer einer angegliederten Agentur tätig.
Der Kläger ist verheiratet und neben seiner Ehefrau unstreitig einem Kind zum Unterhalt verpflichtet. Die Tochter des Klägers bestand gerade ihr Abitur, sein Sohn steht kurz vor der Reifeprüfung. Beide wollen studieren. Die Beklagte bestreitet eine fortbestehende Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seinem zweiten Kind. Die Frau des Klägers pflegt nach seiner von der Beklagten bestrittenen Behauptung ihren schwer erkrankten Vater. Sie ist unstreitig nicht berufstätig. Der Kläger lebt mit seiner Familie in Ke. bei Sch.
Zu Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien war der Kläger als Bezirksdirektor tätig (vgl. den Arbeitsvertrag vom 24.06.1986 und seinen Nachtrag vom 24.01.1998, Anlagen K 1a und K 1b der Klageschrift vom 12.01.2004, Blatt 23 ff. und 29 ff. der Akten des Arbeitsgerichts). In dieser Funktion erhielt er ein in Teilen variables Entgelt, im Jahr 2000 erzielte er Gesamtbezüge von 99.451,33 Euro brutto.
Nachdem die Beklagten die Bezirksdirektionen aufgelöst und an ihrer Stelle in geringerer Zahl Landesdirektionen gegründet hatten, wurde der Kläger seit 01.01.2001 als Betriebsberater in der Landesdirektion Süd-West beschäftigt (vgl. dazu näher den als Anlage K 2 der Klageschrift vorgelegten weiteren Arbeitsvertrag vom 22.05.2001, Blatt 32 ff. der erstinstanzlichen Akten). In dieser Funktion war der Kläger unmittelbar dem zuständigen Landesdirektor unterstellt. Aufgabe eines Betriebsberaters war und ist es, ausgewählte Agenturen, die ihm durch den Landesdirektor zugewiesen werden, zu beraten und deren Arbeitsabläufe zu optimieren. Die Tätigkeit wird ungefähr zur Hälfte im Innen- und im Außendienst verrichtet. Der Kläger versah seine Innendienstaufgaben nach seiner Behauptung überwiegend von zu Hause in Ke. aus. Daneben verfügte er über Arbeitsplätze in der Zentrale der Landesdirektion Süd-West in F. und in der Regionaldirektion Ma., die ungefähr 24 km von seinem Wohnort Ke. entfernt liegt. Den Multifunktionsraum in der Regionaldirektion Ma. teilte sich der Kläger mit dem Vertriebsleiter der Regionaldirektion Ma.
Hintergrund der Vertragsänderung waren Umstrukturierungsmaßnahmen der Beklagten, die sie im Jahr 2000 unter der Programmbezeichnung „Sprint” einleiteten (vgl. dazu den zwischen den Beklagten und dem Gesamtbetriebsrat geschlossenen Sozialplan vom 17.11. 2000, Anlage K 7 der Klageschrift, Blatt 57 ff. der Vorakten). Im Zuge der Umorganisation gliederten die Beklagten ihre dezentrale Vertriebsorganisation und Verwaltung in die fünf Landesdirektionen Nord, Ost (L.), Süd (St.), Süd-West (F.) und West (vgl. zu den Gebieten das letzte Blatt der Anlage K 4 der Klageschrift, Blatt 53 der Akten erster Instanz).
Die Landesdirektionen untergliedern sich ihrerseits in mehrere Regionaldirektionen. Zu der Landesdirektion Süd-West, der der Kläger zugeordnet wurde, gehören die Regionaldirektionen Ka. und Ma.. Diesen beiden Regionaldirektionen zugeordnet sind die Region He., der O., die Pf., das Sa. und der Sp.
Die Landesdirektionen werden jeweils von einem Landesdirektor geführt, der für die vertriebliche und sonstige Organisation sowie den Vertriebserfolg der Landesdirektion verantwortlich ist. Dagegen ist ein Landesdirektor nicht ...