Entscheidungsstichwort (Thema)
Mangelndes Feststellungsinteresse bei fehlendem Streit in der Sache. Formulierung "im Übrigen" als ausreichende Bezugnahme und Vorrang des Tarifvertrages. Keine überraschende AGB-Klausel im Arbeitsvertrag bei dynamischer Verweisung auf einschlägigen Tarifvertrag. Ausreichende Transparenz bei arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf Tarifvertrag. Recht der Arbeitsvertragsparteien zur Kürzung der verlängerten Arbeitszeit auf die tarifliche Regelarbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
1. Die Regelungen des Manteltarifvertrags der Metall- und Elektroindustrie Nordwürttemberg/Nordbaden zur Arbeitszeit (§ 7 MTV) und damit auch zur Möglichkeit, die individuell verlängert vereinbarte Arbeitszeit durch einseitige Erklärung mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten zu ändern und auf die tarifliche Regelarbeitszeit zurückzuführen (§ 7.1.3 MTV), sind auch dann insgesamt im Arbeitsvertrag in Bezug genommen, wenn bereits ursprünglich im Arbeitsvertrag individuell eine Arbeitszeit von mehr als 35 Stunden pro Woche vereinbart wurde und nach dem Inhalt der Bezugnahmeklausel die gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen in der jeweiligen Fassung nur "im Übrigen" gelten sollen.
2. Anschluss an die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur tariflichen Möglichkeit, die individuell verlängerte Arbeitszeit auf die tarifliche Regelarbeitszeit zurückzuführen (BAG 14. Januar 2009 - 5 AZR 75/08 -).
Normenkette
ZPO § 256 Abs. 1; BGB §§ 305 ff.; MTV Metall NW/NB § 7.1.3; GG Art. 12 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 15.01.2020; Aktenzeichen 18 Ca 4461/19) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15. Januar 2020 - 18 Ca 4461/19 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
- Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der vom Kläger zu leistenden wöchentlichen Arbeitszeit und in diesem Zusammenhang über weitergehende Entgeltansprüche im Zeitraum Juli bis November 2019.
Die Beklagte ist ein führender Automobilhersteller mit Sitz in S.. Die Beklagte ist Mitglied im Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg e.V. (Südwestmetall).
Der zwischen Südwestmetall und der Industriegewerkschaft Metall, Bezirk Baden-Württemberg, geschlossene Manteltarifvertrag für die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie in Nordwürttemberg-Nordbaden (künftig: MTV Metall) bestimmt zur Arbeitszeit ua. das Folgende:
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§ 7 |
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Regelmäßige Arbeitszeit |
7.1 |
Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit ohne Pausen beträgt 35 Stunden. |
7.1.1 |
Soll für einzelne Beschäftigte die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden verlängert werden, bedarf dies der Zustimmung des Beschäftigten. |
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Lehnen Beschäftigte die Verlängerung ihrer individuellen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ab, so darf ihnen daraus kein Nachteil entstehen. |
7.1.2 |
Bei der Vereinbarung einer solchen Arbeitszeit bis zu 40 Stunden erhalten Beschäftigte eine dieser Arbeitszeit entsprechende Bezahlung. |
7.1.3 |
Die vereinbarte Arbeitszeit kann auf Wunsch des Beschäftigten oder des Arbeitgebers mit einer Ankündigungsfrist von 3 Monaten geändert werden, es sei denn, sie wird einvernehmlich früher geändert. Das Arbeitsentgelt wird entsprechend angepasst. |
7.1.4 |
Der Arbeitgeber teilt dem Betriebsrat jeweils zum Ende eines Kalenderhalbjahres die Beschäftigten mit verlängerter individueller regelmäßiger wöchentlicher Arbeitszeit mit, deren Anzahl 18 % aller Beschäftigten des Betriebes nicht übersteigen darf. |
7.1.5 |
In Betrieben mit einem hohen Anteil (mehr als 50 % der Gesamtbeschäftigten) von Beschäftigten mit Einstufungen ab EG 14, einschließlich, können die Betriebsparteien eine höhere Quote bis maximal 50% vereinbaren. |
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Um Innovationsprozesse zu ermöglichen oder Fachkräftemangel zu begegnen, sollen, soweit diese Regelung nicht die Struktur des Betriebes abbildet, auf Antrag der Betriebsparteien die Tarifparteien nach Prüfung eine höhere Quote für den Betrieb oder Teile des Betriebes vereinbaren. |
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Im Übrigen gelten die §§ 7.1.1, 7.1.2, 7.1.3 MTV. |
7.1.5.1 |
Im Rahmen dieser Quoten können neben der individuellen Vereinbarung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden die Betriebsparteien durch freiwillige Vereinbarung für bestimmte Beschäftigtengruppen oder Bereiche die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit bis auf 40 Stunden verlängern. Die Verlängerung der regelmäßigen Arbeitszeit kann grundsätzlich auch befristet werden. |
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Im Übrigen gilt § 7.1.2 entsprechend. |
7.1.5.2 |
Eine Ausweitung der Quote über 18 % darf nicht zu einem Arbeitsplatzabbau führen. |
7.1.5.3 |
Um die Einhaltung einer nach Nr. 7.1.5 ausgeweiteten Quote zu gewährleisten, kann der Betriebsrat einer individuellen Verlängerung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit auf bis zu 40 Stunden wirksam widersprechen, wenn diese schon ausgeschöpft ist. In diesem Falle bleibt die individuelle regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit unverändert. Der Betriebsrat wird h... |