Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruchsübergang der Bürgenhaftung nach § 1 a AEntG auf die Bundesagentur für Arbeit bei Insolvenz des Nachunternehmers
Leitsatz (amtlich)
Die Bürgenhaftung des Generalunternehmer nach § 1 a AEntG geht nicht auf die Bundesagentur für Arbeit über, sofern diese im Falle der Insolvenz des Nachunternehmers Insolvenzgeld an die Arbeitnehmer des Nachunternehmers zahlt. § 187 SGB III ist verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass die Aufwendungen für das Insolvenzgeld von den am Umlageverfahren nach § 358 ff. SGB III beteiligten Unternehmen zu tragen sind (Abweichung von BAG 12.01.2005 – 5 AZR 279/01 – AP AEntG § 1 a Nr. 2).
Normenkette
AEntG § 1a; SGB III § 187
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 20.02.2009; Aktenzeichen 27 Ca 10029/07) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 20.02.2009 – 28 Ca 10029/07 – abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte gegenüber der Klägerin nach § 1a AEntG in der vom 01.01.1999 bis 31.03.2006 geltenden Fassung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes vom 26.02.1996 (im folgenden: AEntG 1996) für die Verpflichtungen eines Nachunternehmens zur Zahlung des Mindestentgelts aus übergegangenem Recht haftet.
Die Klägerin ist die Bundesagentur für Arbeit. Die ursprüngliche Beklagte Ziff. 1, die ARGE N., war eine Arbeitsgemeinschaft, zu der sich die ursprünglichen Beklagten Ziff. 2 und 3, die Fa. M. Bauunternehmung GmbH & Co. KG und die Fa. W. Schlüsselfertig Bau AG, zur Durchführung des Bauvorhabens „N. SG” zusammengeschlossen hatten. Die Arbeitsgemeinschaft besteht zwischenzeitlich nicht mehr. Die Beklagten Ziff. 2 und 3 haben mit Wirkung vom 01.01.2007 fusioniert (Anlagen B 2 – B 4). Die Gesellschaftsanteile an der Beklagten Ziff. 2 sind bei der Beklagten Ziff. 3 angewachsen. Die Beklagte Ziff. 3 firmiert seit dem 06.12.2006 als „B. AG”; diese ist die Beklagte Ziff. 4 (im Folgenden: Beklagte – aufgrund der im Verlauf des erstinstanzlichen Verfahrens erfolgten Klagerücknahmen gegenüber den Beklagten Ziff. 1-3).
Die frühere Beklagte Ziff. 1 führte das Bauvorhaben „SG” durch. Sie betraute mit Nachunternehmervertrag vom 11.10.2004 (Anlage K 1) die Fa. H. Baugesellschaft mbH mit der Ausführung von Beton- und Stahlbetonarbeiten Los 1 Bauschnitt 2 ohne Maurerarbeiten zu einem Gesamtpreis von EUR 322.817,04 zuzüglich Mehrwertsteuer. Die Fa. H. war (nach einem Abruf des Landesarbeitsgerichts beim elektronischen Handelsregister vom 29.09.2009) durch Gesellschaftsvertrag vom 24.07.2003 gegründet und am 16.10.2003 in das Handelsregister eingetragen worden. Nach den Angaben des späteren Insolvenzverwalters anlässlich der Beweisaufnahme vom 16.12.2008 erzielte die Fa. H. im Jahr 2003 einen Umsatz von EUR 183.000,00, im ersten Halbjahr 2004 von EUR 109.000,00 und im zweiten Halbjahr 2004 von EUR 157.000,00. Wie viele Arbeitnehmer die Fa. H. im Durchschnitt beschäftigte, geht aus dem Akteninhalt nicht hervor. Zuletzt, kurz vor dem am 25.02.2005 gestellten Insolvenzantrag, waren bei der Fa. H. zwischen 70 und 80 Arbeitnehmer tätig.
Den ganz überwiegenden Teil der Arbeitnehmer hatte die Fa. H. – vermutlich aus Anlass des ihr erteilten Auftrags – ab November 2004 eingestellt. Jedenfalls ausweislich der vorgelegten Unterlagen datieren lediglich die Arbeitsverträge der gewerblichen Arbeitnehmer H., J., L., S. und (wohl auch) W. vor dem Monat November 2004. Die Arbeitsverträge wurden nach einem im wesentlichen gleichlautenden Muster geschlossen (beispielhaft Anlage K 13 betreffend den Arbeitnehmer B.). Die Parteien vereinbarten hierbei ganz überwiegend ein Arbeitsentgelt in Höhe des Mindestlohns, der aufgrund des allgemeinverbindlichen Tarifvertrags zur Regelung der Mindestlöhne im Baugewerbe im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 29.10.2003 (im Folgenden: TV Mindestlohn 2003) in den Lohngruppen 1 und 2 ab 01.09.2004 in den Ländern Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen zu zahlen war (EUR 8,95 und EUR 10,01 brutto).
In einer Vereinbarung vom 12.01.2005 (Anlage B 5) verpflichtete sich die Fa. H. gegenüber der Beklagten Ziff. 1, das Personal bis zum 17.01.2005 auf 50 produktive Arbeitskräfte aufzustocken. Hierfür gewährte die Beklagte Ziff. 1 der Fa. H. eine Prämie, aus der Zahlungen an die Arbeitnehmer geleistet wurden. Daran anschließend stellte die Fa. H. weitere Arbeitskräfte ein. Die von der Fa. H. zuletzt abgeschlossenen Arbeitsverträge datieren vom 21.02.2005 (beispielhaft Anlage 109 betreffend den Arbeitnehmer H.).
Im Zuge des Bauvorhabens wurden für die Arbeitnehmer für die dort geleisteten Arbeitsstunden zumindest teilweise Stundenzettel geführt, wobei diese nicht in allen Fällen unterzeichnet und als geprüft abgezeichnet sind (beispielhaft Anlage K 18 betreffend den Arbeitnehmer F. B.). Teilweise wurden aber auch lediglich ohne Angabe der Baustelle Ex...