Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Abfindung bei Rentenkürzung nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Gemäß § 6 Abs. 2 TV-ATZ besteht ein Abfindungsanspruch zugunsten derjenigen Beschäftigten, “die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung zu erwarten haben„. Bereits der Wortlaut der Tarifnorm legt nahe, dass die Formulierung “zu erwarten haben„ auf den sicheren Eintritt der Rentenkürzung abstellt und nicht auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses.
2. Beschäftigte, die aus welchen Gründen auch immer keine Rentenkürzung hinnehmen müssen, können gemäß § 6 Abs. 2 TV-ATZ keine Abfindung beanspruchen.
Normenkette
TV-ATZ § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 07.06.2016; Aktenzeichen 30 Ca 8181/15) |
Nachgehend
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 07.06.2016 - 30 Ca 8181/15 - wird zurückgewiesen.
- Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger Anspruch auf Zahlung einer Abfindung nach dem Tarifvertrag zur Altersteilzeit der A. (im Folgenden: TV ATZ) hat.
Der am 3. Oktober 1952 geborene Kläger trat am 1. August 1967 zur Ausbildung, zuletzt zum Sozialversicherungsfachangestellten, bei der Beklagten ein. Mit Arbeitsvertrag vom 28. März 1974 wurde er in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Der Kläger war zuletzt in die Entgeltgruppe 7 Stufe 7 des einschlägigen Entgelttarifvertrags eingruppiert. Seine Bruttovergütung belief sich, hochgerechnet auf eine Vollzeitstelle, zuletzt auf 3.523,00 €.
Am 27./28. November 2006 schloss der Kläger mit der Beklagten einen Vertrag über Altersteilzeitarbeit (Anlage K 1) ab. Hiernach wurde das Arbeitsverhältnis ab dem 1. November 2007 als Altersteilzeitarbeitsverhältnis fortgeführt. Nach § 2 des Altersteilzeitarbeitsvertrags wurde die Altersteilzeit im Wege des sogenannten Blockmodells durchgeführt. Vom 1. November 2007 bis 31. Oktober 2011 war der Kläger in Vollzeit tätig. Vom 1. November 2011 bis 31. Oktober 2015 war der Kläger von der Arbeitsleistung freigestellt. In § 9 Abs. 1 des Altersteilzeitarbeitsvertrags trafen die Parteien folgende Regelung:
"Das Arbeitsverhältnis/Altersteilzeitverhältnis endet auf Wunsch des Arbeitnehmers mit Ablauf des 31. Oktober 2015. Der Arbeitnehmer ist sich bewusst, dass er dadurch bei seiner Altersrente bzw. Zusatzversorgungsrente, die unmittelbar im Anschluss an das Ende des Arbeitsverhältnisses in Anspruch genommen wird, Abschläge hinnehmen muss."
Grundlage für den Altersteilzeitarbeitsvertrag war das Altersteilzeitgesetz und der Tarifvertrag zur Altersteilzeit der A. vom 11. Dezember 1997, in der Fassung des Änderungstarifvertrags vom 25. Oktober 2006 (Anlage B 1). § 6 Abs. 2 dieses Tarifvertrags lautet wie folgt:
"Beschäftigte, die nach Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung zu erwarten haben, erhalten eine einmalige Abfindung brutto für netto. Die Abfindung beträgt für Beschäftigte, die bei Beginn der Altersteilzeit
- das 56. Lebensjahr noch nicht vollendet haben 4 Bruttomonatsgehälter
- das 58. Lebensjahr noch nicht vollendet haben 3 Bruttomonatsgehälter
- das 59. Lebensjahr noch nicht vollendet haben 1,5 Bruttomonatsgehälter."
Für Altersteilzeitverhältnisse, die nach dem 31. Dezember 2006 abgeschlossen werden, wird eine Abfindung nach Satz 2 nicht mehr brutto für netto ausgezahlt.
Die Abfindung wird zum Ende der Altersteilzeit gezahlt."
Nach Ende des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses bezog der Kläger aufgrund eines Rentenbescheids der Deutschen Rentenversicherung vom 17. September 2015 ab 1. November 2015 eine abschlagsfreie Altersrente für besonders langjährig Versicherte. Diese Rentenart war aufgrund des Gesetzes über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23. Juni 2014 (BGBl. I S. 787) eingeführt worden. Nach § 236 b Abs. 2 SGB VI konnte der Kläger diese Altersrente abschlagsfrei mit Vollendung des 63. Lebensjahrs in Anspruch nehmen.
Mit Schreiben vom 26. Oktober 2015 (Anlage K 2) bat der Kläger die Beklagte, die ihm nach dem TV ATZ zustehende Abfindung zu überweisen. Mit Schreiben vom 29. Oktober 2015 (Anlage K 3) antwortete die Beklagte, dass der Abfindungsanspruch nach § 6 Abs. 2 TV ATZ denjenigen Beschäftigten zustehe, die aufgrund der Inanspruchnahme der Altersteilzeit eine Rentenkürzung erhielten. Da der Kläger eine abschlagsfreie Altersrente erhalte, könne die Abfindung nicht ausbezahlt werden. Mit Anwaltsschreiben vom 16. November 2015 (Anlage K 4) machte der Kläger den Anspruch auf Zahlung der Abfindung nochmals geltend. Mit Schreiben vom 1. Dezember 2015 (Anlage K 5) lehnte die Beklagte den Anspruch endgültig ab.
Mit seiner am 23. Dezember 2015 eingegangenen Klage begehrte der Kläger die Zahlung der Abfindung in Höhe vier Bruttomonatsgehältern. Er trug vor, mit Beginn der Freistellungsphase sei ein Anwarts...