Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingriffe in dienstzeitabhängige Steigerungsraten und in die zeitanteilig erdiente Dynamik bei betrieblichen Versorgungsanwartschaften
Leitsatz (amtlich)
1. Sachlich-proportionale Gründe für die Kürzung dienstzeitabhängiger Steigerungsraten von Versorgungsanwartschaften können auch bei einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks gegeben sein, ohne dass zuvor andere Sanierungsmaßnamen vom Arbeitgeber ergriffen werden müssen. Das gilt zumindest dann, wenn der Grund für die künftig nicht mehr finanzierbare Belastung im System der betrieblichen Altersversorgung selbst liegt.
2. Ein gerechtfertigter Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik von Versorgungsanwartschaften erfordert neben dem Vorliegen eines triftigen Grundes im Sinne der Rechtsprechung des BAG auch die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Arbeitgeber hat somit die Gesamtheit der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage zur Kosteneinsparung zu dienen bestimmt waren.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2ff
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 23.03.1994; Aktenzeichen 2 Ca 327/93) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufungen des Klägers und der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 23.03.1994 – 2 Ca 327/93 – werden zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechnung der dem Kläger zustehenden Betriebsrente.
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Betriebsrente auf der Grundlage der Leistungsrichtlinien vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980, er ist der Meinung, dass die Abänderung durch die Leistungsrichtlinien vom 04.07.1985 nicht rechtswirksam sei.
Der am … geborene Kläger ist seit dem … bei der Beklagten, der früheren … beschäftigt. Voraussichtlich endet sein Beschäftigungsverhältnis mit Erreichen des 65. Lebensjahres am … Im Konzern der Beklagten besteht eine betriebliche Altersversorgung, an der der Kläger teilhat. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält einen Hinweis darauf, dass für das Arbeitsverhältnis die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene Arbeitsordnung Anwendung findet. In deren Ziff. 2.13 heißt es:
Unterstützungseinrichtung
Der Unterstützung der Mitarbeiter im Alter bzw. ihrer Hinterbliebenen sowie in besonderen Not- und Härtefällen dient die … Unterstützungs GmbH.
Die Einzelheiten und die Voraussetzungen für Art. und Höhe der Leistungen sind der Satzung und den Richtlinien zu entnehmen, die bei der Personalabteilung und dem Betriebsrat eingesehen werden können …
Gemäß den §§ 2, 3 der Satzung der Unterstützungskasse handelt es sich bei den von dieser gewährten Leistungen um freiwillige, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht.
Der Kläger hatte am 01.01.1985 bei Änderung der Richtlinien 1975 auch einen Versorgungsanspruch gegenüber der Unterstützungskasse, erst durch Betriebsvereinbarung vom 16.12.1991 wurde ihm von der Beklagten selbst eine Versorgungszusage erteilt.
Bis zum 31. Dezember 1984 bestimmten sich die Versorgungsrechte nach den vom Beirat der Unterstützungskasse beschlossenen Richtlinien vom 10.07.1975, die in den Folgejahren in einzelnen Punkten geändert worden waren (Richtlinien 1975). Nach diesen Richtlinien erhielten die Mitarbeiter eine betriebliche Altersrente, die sich wie folgt errechnete: Bemessungsgrundlage war das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der letzten fünf Jahre. Der Rentengrundbetrag nach Ablauf einer 10-jährigen Wartezeit betrug 10 % dieses Betrages. Er stieg mit jedem weiteren Beschäftigungsjahr um 0,5 %, es sei denn, die Bemessungsgrundlage lag oberhalb der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze. In diesem Fall fand eine zusätzliche Steigerung um 1 % des Betrages statt, der über der Beitragsbemessungsgrenze lag. Die betriebliche Rente durfte nicht mehr als 35 % und zusammen mit den gesetzlichen Versorgungsleistungen nicht mehr als 75 % des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens der letzten drei Jahre betragen.
Im Herbst 1984 drängte die Beklagte auf eine Änderung der Altersversorgung. Zur Vermeidung der Schließung des Versorgungswerks für neu eintretende Mitarbeiter einigten sich Gesamtbetriebsrat und Beklagte durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20.03.1985 darauf, dass allen Mitarbeitern für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr ab dem 01.01.1985 nur noch ein fester Rentenbetrag pro Dienstjahr gewährt wird. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetriebsvereinbarung beschloss der Beirat der Beklagten am 04.07.1985 neue Richtlinien der Unterstützungskasse für die Gewährung von Versorgungsleistungen mit Wirkung ab 01.01.1985 (Richtlinien 1985).
§ 10 der Richtlinien 1985 bestimmt zur Höhe der Renten folgendes:
Rentenformel
Die monatliche Alters-, Berufs- und Erwerbsunfähigkeitsrente errechnet sich aus der
Formel
Festrentenbetrag × Dienstjahre….
Festrentenbetrag
Der Festrentenbe...