Entscheidungsstichwort (Thema)
Eingriffe in dienstzeitabhängige Steigerungsraten und in die zeitanteilig erdiente Dynamik bei betrieblichen Versorgungsanwartschaften
Leitsatz (amtlich)
1. Sachlich-proportionale Gründe für die Kürzung dienstzeitabhängiger Steigerungsraten von Versorgungsanwartschaften können auch bei einer Fehlentwicklung des betrieblichen Versorgungswerks gegeben sein, ohne dass zuvor andere Sanierungsmaßnamen vom Arbeitgeber ergriffen werden müssen. Das gilt zumindest dann, wenn der Grund für die künftig nicht mehr finanzierbare Belastung im System der betrieblichen Altersversorgung selbst liegt.
2. Ein gerechtfertigter Eingriff in die zeitanteilig erdiente Dynamik von Versorgungsanwartschaften erfordert neben dem Vorliegen eines triftigen Grundes im Sinne der Rechtsprechung des BAG auch die Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Der Arbeitgeber hat somit die Gesamtheit der Maßnahmen darzulegen, die unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Lage zur Kosteneinsparung zu dienen bestimmt waren.
Normenkette
BetrAVG §§ 1, 2ff
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 07.06.2000; Aktenzeichen 29 Ca 5421/99) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgericht Stuttgart vom07.06.2000 – 29 Ca 5421/99 – teilweise abgeändert und wie folgt gefasst:
Es wird festgestellt, dass sich das rentenfähige Einkommen des Klägers gemäß § 22 Ziff. 2 der Richtlinien 1985 nach den Richtlinien 1975 in der Fassung vom 30.10.1980 bemisst.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Berufung der Beklagten wird im Übrigen zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Berechnung der dem Klägerzustehenden Betriebsrente.
Der Kläger verlangt von der Beklagten eine Betriebsrente auf der Grundlage der Leistungsrichtlinien vom 10.07.1975 in der Fassung vom 30.10.1980, er ist der Meinung, dass die Abänderung durch die Leistungsrichtlinien vom 04.07.1985 nicht rechtswirksam sei.
Der 1944 geborene Kläger ist seit dem 01.07.1974 bei der Beklagten, der früheren …, beschäftigt und ist mit Wirkung zum 31.12.1991 auf Grund eines Aufhebungsvertrags ausgeschieden. Er bezieht seit 02.08.1995 Erwerbsunfähigkeitsrente. Im Konzern der Beklagten besteht eine betriebliche Altersversorgung, an der der Kläger teilhat, er erhält von der Beklagten seit 01.08.1995 eine monatliche Betriebsrente in Höhe von 518,– DM brutto. Der Arbeitsvertrag des Klägers enthält einen Hinweis darauf, dass für das Arbeitsverhältnis die in Form einer Gesamtbetriebsvereinbarung abgeschlossene Arbeitsordnung Anwendung findet. In deren Ziff. 2.13 heißt es:
Unterstützungseinrichtung
Der Unterstützung der Mitarbeiter im Alter bzw. ihrer Hinterbliebenen
sowie in besonderen Not- und Härtefällen dient die … Unterstützungs
GmbH.
Die Einzelheiten und die Voraussetzungen für Art. und Höhe der
Leistungen sind der Satzung und den Richtlinien zu entnehmen, die bei
der Personalabteilung und dem Betriebsrat eingesehen werden können …
Gemäß den §§ 2, 3 der Satzung der Unterstützungskasse handelt es sich bei den von dieser gewährten Leistungen um freiwillige, auf die ein Rechtsanspruch nicht besteht.
Bis zum 31. Dezember 1984 bestimmten sich die Versorgungsrechte nach den vom Beirat der Unterstützungskasse beschlossenen Richtlinien vom 10.07.1975, die in den Folgejahren in einzelnen Punkten geändert worden waren (Richtlinien 1975). Nach diesen Richtlinien erhielten die Mitarbeiter eine betriebliche Altersrente, die sich wie folgt errechnete:
Bemessungsgrundlage war das durchschnittliche Bruttomonatseinkommen der letzten fünf Jahre. Der Rentengrundbetrag nach Ablauf einer 10-jährigen Wartezeit betrug 10 % dieses Betrages. Er stieg mit jedem weiteren Beschäftigungsjahr um 0,5 %, es sei denn, die Bemessungsgrundlage lag oberhalb der sozialversicherungsrechtlichen Beitragsbemessungsgrenze. In diesem Fall fand eine zusätzliche Steigerung um 1 % des Betrages statt, der über der Beitragsbemessungsgrenze lag. Die betriebliche Rente durfte nicht mehr als 35 % und zusammen mit den gesetzlichen Versorgungsleistungen nicht mehr als 75 % des durchschnittlichen Bruttomonatseinkommens der letzten drei Jahre betragen.
Im Herbst 1984 drängte die Beklagte auf eine Änderung der Altersversorgung. Zur Vermeidung der Schließung des Versorgungswerks für neu eintretende Mitarbeiter einigten sich Gesamtbetriebsrat und Beklagte durch eine Gesamtbetriebsvereinbarung vom 20.03.1985 darauf, dass allen Mitarbeitern für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr ab dem 01.01.1985 nur noch ein fester Rentenbetrag pro Dienstjahr gewährt wird. Auf der Grundlage dieser Gesamtbetriebsvereinbarung beschloss der Beirat der Beklagten am 04.07.1985 neue Richtlinien der Unterstützungskasse für die Gewährung von Versorgungsleistungen mit Wirkung ab 01.01.1985 (Richtlinien 1985).
§ 10 der Richtlinien 1985 bestimmt zur Höhe der...