Entscheidungsstichwort (Thema)
Ersatzfähigkeit der dem Arbeitgeber entstandenen Kosten für die Tätigkeit eines Privatdetektivs
Leitsatz (amtlich)
1. Der Arbeitnehmer hat dem Arbeitgeber die durch das Tätigwerden eines Detektivs entstandenen notwendigen Kosten zu ersetzen, wenn der Arbeitgeber aufgrund eines konkreten Tatverdachts einem Detektiv die Überwachung des Arbeitnehmers überträgt und der Arbeitnehmer einer vorsätzlichen Vertragspflichtverletzung überführt wird (BAG 29. Juni 2017 - 2 AZR 597/16 - Rn. 45 juris m.w.N.).
2. Besteht gegen einen Einkaufsleiter aufgrund von anonymen Meldungen von sog. Whistleblowern der Verdacht, er habe in erheblicher Weise gegen interne Compliance-Regeln verstoßen (hier: mehrfache Besuche von Champions-League-Spielen eines süddeutschen Fußballvereins auf Kosten von Geschäftspartnern des Arbeitgebers), so ist die Beauftragung einer auf Unternehmensstrafrecht spezialisierten Anwaltskanzlei durch den Arbeitgeber zur Aufklärung der Sachverhalte gerechtfertigt.
3. Die Kostenerstattungspflicht des Arbeitnehmers bezieht sich auf die Maßnahmen, die zur Beseitigung der Störung bzw. zur Schadensverhütung erforderlich sind. Das ist der Fall, wenn das Ermittlungsergebnis den Arbeitgeber zum Ausspruch einer Kündigung veranlasst.
4. Die Kosten für weitergehende Ermittlungen, die darauf gerichtet sind, Schadensersatzansprüche vorzubereiten, und die sich nicht auf einen konkreten Tatverdacht stützen, sind nicht erstattungsfähig. Dem steht § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG entgegen, der auch einen Anspruch auf Erstattung vor- bzw. außergerichtlicher Kosten ausschließt. Davon erfasst ist der Schadensersatz in Form von Beitreibungs- und Rechtsverfolgungskosten (BAG 25. September 2018 - 8 AZR 26/18 - juris zu pauschalierten Beitreibungskosten nach § 288 Abs. 5 Satz 1 BGB).
Normenkette
BGB §§ 619a, 249, 254; ArbGG § 12a Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Mannheim (Entscheidung vom 27.06.2019; Aktenzeichen 8 Ca 306/16) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Schlussurteil des Arbeitsgerichts Mannheim vom 27. Juni 2019 - 8 Ca 306/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Kläger wird verurteilt, an die Beklagte 2.703,54 Euro sowie weitere 582.731,11 Euro und mithin insgesamt 585.434,65 Euro zu bezahlten zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. September 2016.
Im Übrigen wird die Widerklage abgewiesen.
- Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
- Die Kosten des Berufungsverfahrens haben der Kläger zu 80% und die Beklagte zu 20% zu tragen. Die Kosten des Rechtsstreits vor dem Arbeitsgericht haben der Kläger zu 60% und die Beklagte zu 40% zu tragen
- Die Revision wird für den Kläger zugelassen, soweit er zur Zahlung in Höhe von 66.500,00 Euro betreffend die Kosten der Ermittlung durch die Anwaltskanzlei P. verurteilt wurde. Die Revision wird für die Beklagte zugelassen, soweit die Berufung insoweit in Höhe eines Betrages von 143.179,68 Euro zurückgewiesen wurde. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen.
Tatbestand
Zwischen den Parteien sind nach Bescheidung eines Kündigungsschutzbegehrens und der Klage auf Erteilung eines Zeugnisses noch Schadensersatzansprüche im Streit, die die Beklagte/Widerklägerin/Berufungsklägerin (i.F.: Beklagte) gegen den Kläger/Widerbeklagten/Berufungsbeklagten (i.F.: Kläger) erhebt.
Der Kläger war vom 1. November 2009 als Leiter des Zentralbereichs Einkauf und Mitglied der Führungsebene F1 für die Beklagte tätig. Er erzielte im Jahr 2015 unter Einschluss von Variablen, Zuschüssen und Gebrauchsvorteilen bei der Beklagten ein Einkommen in Höhe von 466.175,80 Euro brutto.
Auf Kosten der Beklagten lud der Kläger am 19. Februar 2013, 14. Januar 2014, 9. Februar 2016, 24. Februar 2016, 26. Februar 2016 und 17. Mai 2016 Personen ohne dienstliche Veranlassung zu Essen ein. In einer Mehrzahl der Fälle gab der Kläger auf den Bewirtungsbelegen unzutreffende Anlässe sowie Personen an, die an dem Essen nicht teilgenommen hatten. Der Beklagten entstand ein Schaden in Höhe von 1.090,10 Euro.
Der Kläger unternahm in der Zeit vom 9. April 2014 bis zum 3. Mai 2016 sechs Reisen zu Champions-League-Spielen des Fußballclubs BM und rechnete gegenüber der Beklagten Reisekosten hierfür in Höhe von insgesamt 1.014,35 Euro ab. Die Tickets für die Spiele erhielt der Kläger auf Anforderung von Geschäftspartnern der Beklagten. Des Weiteren unternahm er auf Kosten der Beklagten am 15. September 2014 eine Zugreise von N. nach M. und zurück zusammen mit seinem Sohn, die zu Lasten der Beklagten Kosten in Höhe von 73,00 Euro auslöste.
Die Beklagte überließ dem Kläger eine Firmenkreditkarte (Corporate Card) zur Begleichung von Kosten bei Dienstreisen. Mit dieser Karte tätigte der Mitarbeiter der Beklagten J. Barabhebungen von (mindestens) 206.264,17 Euro. Deswegen gab der Mitarbeiter J. ein notarielles Schuldanerkenntnis über 297.508,00 Euro zugunsten der Bekl...