Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerrufsvorbehalt. Arbeitgeberzusage. Vorläufige Geltendmachung eines Anspruchs und Wahrung der Ausschlussfristen. Geltendmachung eines Anspruchs durch den Betriebsrat
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Bezeichnung einer Zuwendung als „freiwillige Sozialleistung”, als „Ehrengabe” oder als „Geldgeschenk” lässt weder allein noch in ihrer Kombination den Schluss zu, die entsprechende Zusage des Arbeitgebers stehe unter einem Widerrufsvorbehalt.
2. Verlangt eine tarifvertragliche Ausschlussfristenregelung die schriftliche Geltendmachung eines Anspruchs innerhalb von sechs Monaten nach Fälligkeit, so kann der Arbeitnehmer den Verfall seines Anspruchs auch bereits vor Eintritt der Fälligkeit wirksam verhindern.
3. Sieht der Tarifvertrag die Möglichkeit der Geltendmachung durch den Betriebsrat vor, so kann dessen Geltendmachung auch zugunsten der Arbeitnehmer wirksam werden, deren Ansprüche zum Zeitpunkt der Geltendmachung noch nicht fällig waren.
Normenkette
Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südbaden v. 08.05.1990 § 18; TVG § 1; BGB § 151
Verfahrensgang
ArbG Lörrach (Urteil vom 17.03.2003; Aktenzeichen 3 Ca 232/03) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lörrach vom 17.03.2003, Az. 3 Ca 232/03, wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
2. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Kläger, allesamt langjährige Beschäftigte der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen, teilweise bereits Ruheständler, Anspruch auf Zahlung einer Jubiläumszuwendung aus Anlass ihres 25- bzw. 40-jährigen Dienstjubiläums haben.
Der Kläger zu 1 ist seit 31.07.1956, der Kläger zu 2 seit 25.10.1956, der Kläger zu 3 seit 16.04.1956, der Kläger zu 4 seit 03.04.1956, die Kläger zu 5, 6 und 7 seit 06.09.1971, der Kläger zu 8 seit 23.04.1957 und der Kläger zu 9 seit 24.04.1957 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerinnen beschäftigt und feierte zum jeweils gleichlautenden Kalendertag 40 Jahre (Kläger zu 1 bis 4 und 8 sowie 9) bzw. 25 Jahre (Kläger zu 4 bis 6) später sein 40-jähriges bzw. 25-jähriges Dienstjubiläum. Die Beklagte betreibt in xxxxxxxxxxxx eine Landmaschinenfabrik. Eine ihrer Rechtsvorgängerinnen gab im Jahre 1977 eine Personalinformation 4.6 heraus, die in der am 1. Januar 1984 gültigen Fassung unter anderem wie folgt lautete:
…
II. Jubiläumszuwendungen
1. Jubilarenehrengabe
Im Monat seines Dienstjubiläums erhält der Jubilar ein Geldgeschenk.
Diese freiwillige Sozialleistung des Unternehmens beträgt:
bei 25jährigem Dienstjubiläum 1 Monatsentgelt brutto
bei 40jährigem Dienstjubiläum 2 Monatsentgelte brutto
bei 50jährigem Dienstjubiläum 2 Monatsentgelte brutto.
Unter dem 06.10.1995 gab die damalige Geschäftsleitung unter dem Eindruck einer immer schwieriger werdenden wirtschaftlichen Situation des Unternehmens ein Schreiben folgenden Inhalts an die Belegschaft aus:
Bekanntmachung
Einstellung der Jubiläumszahlungen
Aufgrund geänderter Steuervorschriften ist es uns leider unmöglich, die bisher gewährten Jubiläumszahlungen in der praktizierten Form beizubehalten.
Aus diesem Grunde werden die Zahlungen mit Wirkung vom 01. Oktober 1995 eingestellt.
Wir sind sicher, dass wir im Frühjahr 1996 eine Möglichkeit finden werden, Dienstjubiläen in geänderter Form auf absolut freiwilliger Basis entsprechend zu honorieren.
Hierauf wandte sich der Betriebsrat mit Schreiben vom 22.11.1995 an die Geschäftsleitung der Rechtsvorgängerin der Beklagten und widersprach der Einstellung der Jubiläumszahlungen mit folgender Formulierung:
”….Wir gehen davon aus, dass es bei der Jubiläumsgeldregelung um eine Gesamtzusage handelt, zumindest aber um eine betriebliche Übung, entsprechend der Einschätzung ihres Firmenanwalts.
In diesem Fall ist nach der herrschenden Rechtsauffassung eine vertragliche Bindungswirkung eingetreten, die eine Rücknahme der Leistung, einen Widerruf o. ä. nicht mehr zulässt.
Die Bindungswirkung hinsichtlich der bestehenden Arbeitsverhältnisse wird nach unserer Meinung nicht dadurch beseitigt, dass die Geschäftsleitung ein Jahr die Zahlungen einstellt und dann später eine andere Regelung einführt.
Deshalb widerspricht der Betriebsrat Ihrem Schreiben vom 22. September 1995. Alle betroffenen Betriebsangehörigen haben einen individuellen vertraglichen Anspruch auf das Jubiläumsgeld, so dass der Betriebsrat die Einstellung der Zahlungen für nicht rechtmäßig hält.”
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der Manteltarifvertrag für die Beschäftigten der Metallindustrie Südbaden vom 08. Mai 1990 kraft Verbandszugehörigkeit Anwendung. § 18 MTV enthielt eine Ausschlussfristenregelung mit folgendem Inhalt:
"18.1 |
Ansprüche der Beschäftigten aus dem Arbeitsverhältnis sind dem Arbeitgeber gegenüber folgendermaßen geltend zu machen: |
18.1.1. |
Ansprüche auf Zuschläge aller Art innerhalb von 2 Monaten nach Fälligkeit; |
18.1.2. |
Alle übrigen Ansprüche innerhalb von 6 Monaten nach Fälligke... |