Verfahrensgang

ArbG Karlsruhe (Urteil vom 14.05.1987; Aktenzeichen 6 Ca 256/87)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 01.02.1990; Aktenzeichen 6 AZR 74/88)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Karlsruhe vom 14. Mai 1987 – Az.: 6 Ca 256/87 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

II. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob sich der von der Klägerin im Jahre 1986 in Anspruch genommene Erziehungsurlaub mindernd auf die Höhe einer tariflichen Sonderzahlung auswirkt.

Die am 30. November 1947 geborene, verheiratete Klägerin ist seit März 1972 bei der Beklagten als kaufmännische Angestellte bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von nunmehr 38,5 Stunden beschäftigt. Ihr Monatsgehalt beläuft sich auf 3.518,00 DM. Kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit findet der Tarifvertrag über die Absicherung betrieblicher Sonderzahlungen für Arbeiter und Angestellte in der Metallindustrie in Nordwürttemberg/Nordbaden vom 30. Oktober 1976, gültig ab 1. Januar 1977, Anwendung (künftig: TV-Sonderzahlungen genannt). § 2 Ziffer 6 Abs. 1 TV-Sonderzahlungen bestimmt:

Anspruchsberechtigte Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr kraft Gesetzes oder Vereinbarung ruht, erhalten keine Leistung; ruht das Arbeitsverhältnis im Kalenderjahr teilweise, so erhalten sie eine anteilige Leistung.

Die Protokollnotiz hierzu (Nr. 2) lautet:

Es besteht Einigkeit darüber, daß Arbeitnehmerinnen, die unter das Mutterschutzgesetz fallen, und erkrankte Arbeitnehmer nicht von § 2 Ziffer 6 Abs. 1 erfaßt werden.

Die Klägerin befand sich in der Zeit vom 7. März bis 8. November 1986 in dem von ihr beanspruchten Erziehungsurlaub, nachdem sie am 9. Januar 1986 entbunden hatte. Die Beklagte kürzte unter Berufung auf § 2 Ziffer 6 Abs. 1 TV-Sonderzahlungen die nach einer Betriebsvereinbarung am 30. November 1986 fällige Sonderzahlung in Höhe von 1.579,00 DM um 1.052,00 DM und brachte einen Betrag von 527,00 DM zur Auszahlung. Die Klägerin verlangt mit der vorliegenden Klage den Kürzungsbetrag. Sie hat geltend gemacht, während der Dauer des Erziehungsurlaubes habe ihr Arbeitsverhältnis nicht geruht, so daß sie die Sonderzahlung in voller Hohe beanspruchen könne. Bezüglich des Mutterschaftsurlaubs sei anerkannt gewesen, daß dieser das Arbeitsverhältnis in seinem rechtlichen Bestand nicht berühre. Für den Erziehungsurlaub müsse entsprechendes gelten. Durch das Bundeserziehungsgeldgesetz werde nicht das Ruhen des Arbeitsverhältnisses angeordnet, so daß es an der tariflichen Voraussetzung des Ruhens kraft Gesetzes fehle. Eine erweiternde Auslegung der tariflichen Bestimmung sei unzulässig. Es bestehe keine tarifliche Regelungslücke bezüglich des Erziehungsurlaubs. Selbst wenn von einer unbewußten Tariflücke auszugehen sei, müsse die tarifliche Wertung auch für den Erziehungsurlaub gelten. Danach sollten lange Abwesenheitszeiten wegen Krankheit, Mutterschutz oder Mutterschaftsurlaub nicht zur Kürzung der Sonderzahlung berechtigen. Das BErzGG sehe eine ausführliche Regelung hinsichtlich der Befugnis des Arbeitgebers vor, den Erholungsurlaub zu kürzen. Das Gesetz enthalte keine Vorschriften hinsichtlich der Kürzung sonstiger Leistungen.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.052,00 DM brutto nebst 4 % aus dem Nettobetrag seit dem 1. Dezember 1986 zu zahlen.

Die Beklagte, die um Klagabweisung gebeten hat, hat die von ihr vorgenommene Kürzung der Sonderzahlung verteidigt. Sie hat geltend gemacht, die tarifliche Regelung für die Metallindustrie sehe im Gegensatz zu anderen tariflichen Regelungen generell für die Fälle des Ruhens des Arbeitsverhältnisses die Kürzung der Sonderzahlung vor und nehme nur bestimmte, enumerativ genannte Fälle von dessen Regelung aus.

Das Arbeitsgericht hat durch das am 14. Mai 1987 verkündete Urteil der Klage stattgegeben. Gegen diese am 30. Juli 1987 zugestellte Entscheidung, auf deren nähere Gründe (Bl. 26– 31 d.A.) verwiesen wird, hat die Beklagte mit dem am 28. August 1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. Sie hat ihr Rechtsmittel innerhalb der durch Beschluß vom 24. September 1987 bis zum 28. Oktober 1987 verlängerten Frist mit dem am 28. Oktober 1987 eingegangenen Schriftsatz ausgeführt.

Sie macht geltend, einen feststehenden Begriff des „Ruhens” gebe es im Arbeitsrecht nicht, so daß ein solcher auch nicht von den Tarifvertragsparteien habe übernommen werden können. Die Rechtsprechung erkenne offenbar verschiedene Ruhenstatbestände an. Aus dem Wortlaut und der Systematik des TV-Sonderzahlungen ergäben sich genügend Anhaltspunkte dafür, daß die Tarifvertragsparteien von einem weiten Ruhensbegriff ausgegangen seien. Der Inhalt der Protokollnotiz könne nur dahin verstanden werden, daß nach der Vorstellung der Tarifvertragsparteien auch im Falle einer Erkrankung und der Anwendung des Mutterschutzgesetzes ein Ruhenstatbestand kraft Gesetzes vorliege. Ein R...

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