Entscheidungsstichwort (Thema)
Auflösungsantrag des Arbeitgebers
Leitsatz (amtlich)
Der Arbeitgeber ist berechtigt, zur Begründung eines Auflösungsantrags gemäß § 9 Abs. 1 Satz 2 KSchG auch solche vor Ausspruch der Kündigung bekanntgewordene Tatsachen heranzuziehen, die nicht Gegenstand der Betriebsrat-/Personalratsbeteiligung waren.
Normenkette
KSchG § 9 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Pforzheim (Urteil vom 29.06.2000; Aktenzeichen 2 Ca 25/00) |
Nachgehend
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil des Arbeitsgerichtes Pforzheim vom29.06.2000 – 2 Ca 25/00 – teilweise abgeändert und zur Klarstellung neu gefasst:
1. Es wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 08.02.2000 nicht beendet wurde.
2. Auf den Antrag der Beklagten wird das Arbeitsverhältnis der Parteien zum 31.03.2000 aufgelöst.
3. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin gemäß §§ 9, 10 KSchG eine Abfindung in Höhe von DM 30.000,– zu bezahlen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte 2/3 und die Klägerin 1/3.
III. Für die Klägerin wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht zugelassen. Für die Beklagte wird die Revision zum Bundesarbeitsgericht nicht
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer ordentlichen verhaltensbedingten Arbeitgeberkündigung und eines Auflösungsantrags des Arbeitgebers.
Die Klägerin ist Fachärztin für Augenheilkunde und Anästhesiologie. Sie wurde am 06.01.1961 geboren, ist ledig und hat keine Unterhaltsverpflichtungen. Sie wurde von der beklagten Stadt ab 01.08.1998 als Assistenzärztin in der Augenklinik innerhalb des Städtischen Klinikums beschäftigt. Die in einem eigenständigen Gebäude untergebrachte Augenklinik besteht aus einem stationären Bereich mit (nach Angaben der Beklagten) 15 Planbetten sowie einem ambulanten Bereich; für Augenoperationen werden die Räumlichkeiten des städtischen Klinikums genutzt. Das ärztliche Personal der Augenklinik setzt sich zusammen aus einem Chefarzt, zwei Oberärzten und vier Assistenzärzten. In der Ambulanz werden zwei Arzthelferinnen und in der Station im Schichtdienst (nach Angaben der Beklagten) 10 Krankenschwestern eingesetzt. Die Assistenzärzte sind den Oberärzten und diese dem Chefarzt fachlich unterstellt. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug DM 7.325,–, zuzüglich der Vergütung von Bereitschaftsdiensten ca. DM 10.000,– …
Der bei Beschäftigungsbeginn der Klägerin tätige Chefarzt wurde am 26.11.1998 von seiner Tätigkeit entbunden. Ab diesem Zeitpunkt wurden die Aufgaben des Chefarztes kommissarisch von der Oberärztin … bis zur Neubesetzung der Position ab 01.03.2000 wahrgenommen. Am 22.03.1999 fand ein Gespräch zwischen den beiden Oberärzten und der Klägerin über ihre betriebliche Zusammenarbeit statt. Mit Schreiben vom 27. April 1999 beschwerten sich 10 Schwestern der Augenstation über das Arbeitsklima zwischen ihnen und der Klägerin; in diesem Schreiben warfen sie der Klägerin u. a. sehr schlechte Rücksprache zu Behandlungsmethoden, sehr unfreundliche Behandlung, sehr mangelhafte Darlegung von einzelnen Therapien, Abstreiten von Verantwortlichkeit und Abgabe von ärztlichen Aufgaben an die Schwestern vor (vgl. im Einzelnen Bl. 53 Berufungsakte – Ber.A. –). Mit Schreiben vom 02.05.1999 wandte sich die Klägerin an den Direktor des Städtischen Klinikums und beschwerte sich über Mobbing durch die Oberärztin Dr. … und andere Mitarbeiter der Klinik (vgl. im Einzelnen Bl. 71 bis 76 Vorakte – VorA. –). Am 19.05.1999 machte eine Schwester der Kinderklinik die Augenklinik auf eine des Öfteren vorgekommene unfreundliche Kommunikation der Klägerin aufmerksam (Bl. 52 Ber.A.). Die Oberärztin Dr. … teilte der Personalleitung mit Schreiben vom 23.05.1999 mit, dass eine konstruktive Zusammenarbeit mit der Klägerin nicht mehr möglich sei und bat um schnellstmöglichste Beendigung des Arbeitsverhältnisses (vgl. im Einzelnen Bl. 54 f. Ber.A.).
Am 20.03.1999 beschwerte sich eine Patientin schriftlich über diskriminierendes und beleidigendes Verhalten der Klägerin anlässlich einer Untersuchung am 12.02.1999. Mit Schreiben vom 20.03.1999 beschwerte sich die Tochter einer anderen Patientin darüber, dass sie und ihre Mutter anlässlich einer Untersuchung am 17.03.1998 von der Klägerin laut und unfreundlich angeschrien und erniedrigt worden seien (vgl. Bl. 19 bis 22 VorA.). Ein anderer Patient rügte schriftlich im Zusammenhang mit einer Untersuchung am 23.05.1999, dass er von der Klägerin unfreundlich und barsch angefaucht worden sei und teilte der Beklagten mit, dass er eine weitere Untersuchung durch die Klägerin strikt ablehne (Bl. 24 VorA.). Ein weiterer Patient bestätigte am 10.06.1999 auf Anfrage der Beklagten schriftlich, dass die Klägerin ihm eine fachliche Frage nicht beantwortet, sondern recht unfreundlich an die Oberärztin verwiesen habe (Bl. 26 VorA.). Mit Schreiben vom 17.06.1999 an die ...