Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Erschwerniszulage wegen Tragen einer OP-Maske für gewerblich Beschäftigte in der Gebäudereinigung. Tragen einer Atemschutzmaske als Eigenschutz. Unterschied zwischen Atemschutz- und OP-Maske. Tragen textiler OP-Maske keine Erschwernis
Leitsatz (amtlich)
1. Das Tragen einer Atemschutzmaske dient nach dem Sinn und Zweck des § 10 Ziff. 1.2 RTV für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung dem Eigenschutz der Beschäftigten vor durch die Arbeiten ausgelösten giftigen Gasen und Staubpartikeln.
2. Eine schlichte OP-Maske dient demgegenüber nicht vornehmlich dem Eigenschutz, sondern schützt Dritte vor virenbelasteten Tröpfchen und Aerosolen, die der Träger der OP-Maske beim Sprechen, Husten oder Niesen absondert.
3. Auch die Systematik der Tarifnorm spricht dafür, dass eine eher locker sitzende textile OP-Maske keine solche Erschwernis darstellt, die eine 10 %ige Erschwerniszulage gemäß § 10 Ziff. 1.2 RTV begründet.
Normenkette
Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Beschäftigten in der Gebäudereinigung § 10 Nrn. 1-2; ZPO § 97 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 24.09.2021; Aktenzeichen 10 Ca 1382/20) |
Tenor
- Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart - Kammern Ludwigsburg - vom 24.09.2021 - 10 Ca 1382/20 - wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Berufung hat der Kläger zu tragen.
- Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Anspruch auf Zahlung einer tariflichen Erschwerniszulage.
Der Kläger ist seit dem 16. Februar 1980 bei der Beklagten in der Glas- und Gebäudereinigung beschäftigt und wird ihm Rahmen der zwischen der Beklagten und deren Kunden geschlossenen Verträgen zur Glas- und Gebäudereinigung im Kundenobjekt eingesetzt. Der Einsatz des Klägers erfolgt beim Kunden E..
Mit einer E-Mail-Nachricht vom 20. Mai 2020 teilte der Kunde E. der Beklagten Folgendes mit:
"Hallo zusammen,
wie bereits angekündigt Folgendes ist ab dem 25.05.20 innerhalb der E. Standorte zu befolgen - mit der Bitte dies entsprechend umzusetzen:
Während der gesamten Aufenthaltszeit im Gebäude ist ein Mund-Nasen-Schutz (MNS) zu tragen. Sofern ein Mitarbeiter von Ihnen (innerhalb einer E.-Liegenschaft) ein festzugeordneter Arbeitsplatz hat (bspw. Assistenz) darf der MNS am eigenen Arbeitsplatz abgesetzt werden. Sobald der eigene Arbeitspatz verlassen wird, gilt die Tragepflicht des MNS.
Generell gilt weiterhin:
- Sicherheitsabstand von 2 m einhalten
- in Aufzügen und Raucherkabinen darf sich nur je eine Person aufhalten (gem. Plakatierung vor Ort)
- Regelmäßiges Händewaschen
..."
Zumindest ab dem 25. Mai 2020 trug der Kläger infolge der Weisung des Kunden der Beklagten bei seinem Aufenthalt in den Liegenschaften des Kunden einen Mund-Nasen-Schutz.
Der allgemeinverbindliche Rahmentarifvertrag für das Gebäudereinigerhandwerk für die Bundesrepublik Deutschland vom 31. Oktober 2019 (künftig: RTV) sieht u.a. Folgendes vor:
§ 10 Erschwerniszuschläge
Der Anspruch auf nachstehende Zuschläge setzt voraus, dass Beschäftigte die einschlägigen Arbeitsschutzvorschriften einhalten.
Beschäftigte haben für die Zeit, in der sie mit einer der folgenden Arbeiten beschäftigt werden, Anspruch auf den nachstehend jeweils aufgeführten Erschwerniszuschlag, bezogen auf den jeweiligen Lohn des Tätigkeitsbereichs.
1. Arbeiten mit persönlicher Schutzausrüstung
(Schutzbekleidung, Atemschutzgerät)
1.1 Arbeiten, bei denen ein vorgeschriebener Schutzanzug (mit PVC o. Ä. beschichtet) verwendet wird,
a) mit Kapuze, Überschuhen, Handschuhen und Brille 5 %
b) mit Kapuze, Überschuhen und Handschuhen, Filterschutzmaske oder luftunterstützenden Beatmungssysteme 15 %
c) mit Kapuze, Überschuhen und Handschuhen, Frischluftsaugschlauchgerät, Druckluftschlauchgerät (Presslufthammer) oder ein Regenerationsgerät, 20 %
d) in Form des Vollschutzes oder des Chemikalienschutzanzugs (Form C) mit Gesichts- und Atemschutz, 40 %
1.2 Arbeiten, bei denen eine vorgeschriebene Atemschutzmaske verwendet wird 10 %
2. Arbeiten in/an besonderen Räumen und Einrichtungen
2.1 Manuelles Parkettabziehen ohne jeglichen Maschineneinsatz 3,00 Euro/Stunde
2.2 ...
...
Der Kläger behauptet, in der 15. Kalenderwoche des Jahres 2020 habe der Objektleiter der Beklagten dazu aufgefordert, während der Arbeitszeit eine - zur Verfügung gestellte - Maske zu tragen. Diese Masken, bei denen es sich um medizinische Masken handele, seien als Atemschutzmaske im Sinne der Tarifnorm anzusehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei eine Atemschutzmaske, eine Gesichtsmaske, die dem Schutz vor dem Einatmen giftiger Gase oder verseuchter Luft, beziehungsweise zur Verhütung einer Ansteckung Dritter diene.
Mit dem Erschwerniszuschlag solle besonders die Erschwernis von Reinigungskräften in Krankenhäusern kompensiert werden. Auch das Tragen von Alltagsmasken bzw. medizinischen Masken führe im Übrigen zu Erschwernissen und könne Kopfschmerzen, Schwindel und Müdigkeit auslösen. Wenn nur das Tragen von FFP-Masken einen Zuschlag hätte auslösen sollen,...