Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsübergang. Änderung des Betriebszwecks
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Betriebsübergang setzt die Wahrung der Identität der betreffenden wirtschaftlichen Einheit voraus. Der Begriff Einheit bezieht sich auf eine organisierte Gesamtheit von Personen und Sachen zur auf Dauer angelegten Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung. Bei der Prüfung, ob eine Einheit übergegangen ist, müssen sämtliche den betreffenden Vorgang kennzeichnenden Tatsachen berücksichtigt werden. Dazu gehören als Teilaspekte der Gesamtwürdigung namentlich die Art des betreffenden Unternehmens oder Betriebs, der etwaige Übergang der materiellen Betriebsmittel wie Gebäude und bewegliche Güter, der Wert der immateriellen Aktiva im Zeitpunkt des Übergangs, die etwaige Übernahme der Hauptbelegschaft, der etwaige Übergang der Kundschaft sowie der Grad der Ähnlichkeit zwischen den vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeiten und die Dauer einer eventuellen Unterbrechung der Tätigkeit. Eine Einheilt darf allerdings nicht als bloße Tätigkeit verstanden werden. Die Identität der Einheit ergibt sich auch aus anderen Merkmalen wie ihrem Personal, ihren Führungskräften, ihrer Arbeitsorganisation, ihren Betriebsmethoden und ggf. den ihr zur Verfügung stehenden Betriebsmitteln.
2. Der konkrete Betriebszweck ist nicht in jedem Fall als wesentliches Betriebsmittel und damit als einheits- oder identitätsbildend anzusehen. Es reicht vielmehr aus, dass der Erwerber einen in der konkreten organisatorischen Einheit zumindest als möglich angelegten Betriebszweck tatsächlich realisiert.
Normenkette
BGB § 613a
Verfahrensgang
ArbG Ulm (Urteil vom 06.04.2001; Aktenzeichen 7 Ca 463/00) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ulm – Kammern Ravensburg – vom 06.04.2001 – 7 Ca 463/00 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt die Feststellung des Übergangs seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte sowie die Zahlung von Annahmeverzugsvergütung für die Zeit von November 1998 bis Juni 2000.
Der Kläger war ab 01.08.1984 bei der Firma X. Sportartikel Handels GmbH (künftig: X.) im Lager und im Versand beschäftigt. Sein Bruttoverdienst betrug zuletzt DM 16.963,60 pro Quartal. Die Firma X. hatte ihren Sitz in I.. Sie war als Vertriebsgesellschaft der Sportartikelhersteller Z. und Y. tätig. Sie kaufte die Ware unmittelbar bei den Herstellerfirmen ein, lagerte sie und veräußerte sie an Sportgeschäfte weiter.
Im Juni 1998 schloss sie ihr Lager und ihren Versand und übertrug Lagerung, Kommissionierung und Auslieferung der Ware unter Anmietung von Lagerräumen durch einen Werkvertrag auf die Firma D./W.. Ihren Betriebssitz einschließlich Büro und Verwaltung verlegte sie nach M.. Zuvor hatte sie am 28./29.04.1998 sämtlichen Mitarbeitern in I. betriebsbedingt gekündigt. Die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage des Klägers war in zwei Instanzen erfolgreich. Der Kläger ist über den 31.10.1998, den Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist, nicht weiterbeschäftigt worden.
Am 30.04.1999 endete das Vertragsverhältnis zwischen der Firma X. und der Firma D.. Ab Mai 1999 bestanden vertragliche Beziehungen zwischen der Firma D. einerseits und den Herstellerfirmen andererseits, wenngleich die Firma X. (sowie ab 01.11.1999 die Beklagte) die Geschäfte mit der Firma D. abwickelte.
Aufgrund von Auseinandersetzungen zwischen den Firmen Z. und Y. beschloss die Firma X. am 27.08.1999 ihre Liquidation. Am 27.09.1999 berief sie ihren Geschäftsführer Wagner ab, kündigte ihm und schloss mit ihm per 31.10.1999 einen Aufhebungsvertrag. Mit Gesellschaftsvertrag vom 15.10.1999 wurde die Beklagte gegründet und am 26.10.1999 ins Handelsregister eingetragen. Zur Geschäftsführerin wurde zunächst die ehemalige Verkaufsmitarbeitern der Firma X., Frau S., bestellt, bevor am 27.04.2000 die Bestellung des ehemaligen Geschäftsführers W. der Firma X. als neuer Geschäftsführer bekannt gemacht wurde.
Die Beklagte nahm am 01.11.1999 ihre Geschäfte in den Betriebsräumen der Firma X. auf. Sie nutzte das gesamte Inventar, die Telefon- und Faxanlage, die EDV-Anlage einschließlich der Kunden- und Artikeldaten, eines von ursprünglich zwei Geschäftsfahrzeugen und übernahm – neben der Geschäftsführerin S. – eine weitere Mitarbeiterin von ursprünglich zuletzt fünf Arbeitnehmern der Firma X. Von ursprünglich acht für die Firma X. vermittelnden Handelsvertretern waren übergangslos zunächst sechs für die Beklagte tätig. Während die Beklagte in erster Instanz noch behauptet hatte, nur eine reine Handelsvertretung für Y.-Artikel zu betreiben, ist in zweiter Instanz unstreitig geworden, dass die Y.-Sportartikel im eigenen Namen veräußert und auch selbst fakturiert werden. Die Z.-Artikel werden von einer Firma S. GmbH (künftig: S.) mit Sitz in I. vertrieben.
Die Aufstellung des Klägers über die Höhe seiner geltend gemachten Vergütungsansprüche...