Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 22.03.1988; Aktenzeichen 1 Ca 578/87) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 22.03.1988 (Az.: 1 Ca 578/87) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren neu auf DM 263,76 festgesetzt.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der seit 1981 als Elektriker gegen eine Brutto-Stundenvergütung von zuletzt DM 18,84 bei der Beklagten, einem Energieversorgungsunternehmen, im Dreischichtdienst (vgl. Schichtplan Seite 53a d.A.) tätige Kläger ist Mitglied des bei der Beklagten gebildeten Betriebsrates.
Am 20. August 1987 und am 16. September 1987 nahm der Kläger jeweils von 8.00 Uhr an bis 16.30 Uhr bzw. 17.05 Uhr an den stattfindenden Betriebsratssitzungen teil. Zu beiden Zeitpunkten war er in der Nachtschicht eingesetzt, die von abends 22.00 Uhr bis morgens 6.00 Uhr lief. In beiden Fällen blieb er sowohl der der Betriebsratssitzung vorangehenden wie auch der der Betriebsratssitzung nachfolgenden Nachtschicht fern, weil er die Arbeitsleistung angesichts der jeweils außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit liegenden Betriebsratssitzungen für unzumutbar hielt. Wegen der Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit vergütete die Beklagte dem Kläger unter Hinweis auf § 37 Abs. 3 BetrVG unter Einschluß einer halben Stunde Fahrzeit für die Anreise und Rückreise zur Sitzung des Betriebsrates neun Stunden wie Arbeitszeit; die Schichten, die er ausfallen ließ, wurden nicht bezahlt. Mit der vorliegenden Klage begehrt der Kläger die Zahlung der ausgefallenen Schichten abzüglich der erhaltenen Beträge für neun Stunden. Er meint, er habe als Schichtarbeiter für die der Betriebsratssitzung vorausgehende und die dieser Sitzung nachfolgende Schicht nicht nur einen Freistellungsanspruch, sondern auch einen Zahlungsanspruch. Es sei, so hat er vorgetragen, unzumutbar, nur zwei Stunden nach Ende der Nachtschicht an einer ganztägigen Betriebsratssitzung teilzunehmen und in gleicher Weise sei es unzumutbar, nur fünf Stunden nach der ganztägigen Betriebsratssitzung die Arbeit in der Nachtschicht wieder aufzunehmen. Da die Beklagte nur eine der jeweils ausgefallenen beiden Schichten gezahlt habe, schulde sie ihm noch die Vergütung für die ausgefallene zweite Schicht, also zwei mal acht Stunden mal DM 18,84 = DM 301,44 brutto. Demzufolge hat der Kläger beantragt,
die Beklagte zur Zahlung von DM 301,44 brutto nebst 4 % Zinsen aus dem dem Bruttobetrag entsprechenden Nettobetrag zu verurteilen.
Die Beklagte hat
Klagabweisung
beantragt und zur Begründung im wesentlichen vorgetragen:
Betriebsratstätigkeit falle nicht unter die AZO, sei also selbst keine Arbeitszeit, so daß die Bestimmungen der AZO der Erfüllung der vertraglichen Arbeitspflicht in den beiden Nachtschichten (vor und nach der Betriebsratssitzung) nicht entgegenstünden. Auch die Teilnahme an der Betriebsratssitzung habe den Kläger nicht daran gehindert, im Anschluß an diese Sitzung nach fünfstündiger Ruhepause die Nachtschicht anzutreten, jedenfalls sei dies ihm nicht unzumutbar gewesen; daher sei die der Betriebsratssitzung vorangehende Schicht als bezahlter Freizeitausgleich zu behandeln, nicht aber die auf die Betriebsratssitzung folgende Nachtschicht, die auch nicht durch Betriebsratstätigkeit ausgefallen sei. § 37 Abs. 2 BetrVG gelte hier nicht. Den bezahlten Freizeitausgleich nach § 37 Abs. 3 Satz 1 BetrVG habe er erhalten, weil er in der der Betriebsratssitzung vorausgehenden Schicht nicht habe arbeiten müssen, obgleich ihm diese Schicht bezahlt worden sei. Mehr könne er nicht verlangen. Es gelte der Grundsatz: Eine Stunde Betriebsratstätigkeit außerhalb der persönlichen Arbeitszeit werde ausgeglichen durch eine Stunde bezahlte Freizeit. Es sei dem Kläger freigestellt gewesen, seine im Turnus von vier Wochen angesammelte Freizeit im Umfang einer Freischicht für die Betriebsratssitzung zu verwenden, wenn diese Sitzung in den Nachtschicht-Turnus falle. Es sei auch möglich, ihn ständig – nicht mehr in Schicht – während der Normalarbeitszeit zu beschäftigen; wenn er das im Hinblick auf die gewährte Schichtzulage und die vertragliche Vereinbarung nicht wolle, gehe das mit ihm heim.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 22.03.1988, der Beklagten am 29.03.1988 zugestellt, der Klage in Höhe von DM 263,76 brutto entsprochen, sie im übrigen abgewiesen, den Streitwert auf DM 301,44 festgesetzt, die Berufung zugelassen und im wesentlichen ausgeführt: Der Zahlungsanspruch des Klägers folge aus § 611 BGB i.V.m. § 37 Abs. 2 BetrVG. Die Teilnahme an der Betriebsratssitzung sei Amtstätigkeit des Klägers gewesen. Zeitlich sei diese Betriebsratssitzung in seine Freizeit gefallen. Für diesen Fall gelte nicht § 37 Abs. 3 BetrVG, sondern § 37 Abs. 2 BetrVG, das heiße: Befreiung von der Arbeitspflicht mit Erhalt des Vergütungsanspruchs. Infolge der Betriebsratstätigkeit in seiner Freizeit sei wegen Unzumu...