Entscheidungsstichwort (Thema)

Zum Umfang der auf den Arbeitgeber übergehenden Schadensersatzansprüche des geschädigten Arbeitnehmers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Weder Urlaubsentgelt noch zusätzliches Urlaubsgeld können Gegenstand eines durch Arbeitsunfähigkeit entstandenen Verdienstausfalls eines Arbeitnehmers im Sinne von § 6 Abs. 1 EntgeltfortzahlungsG sein. Vielmehr besteht der diesbezügliche Anspruch des Arbeitnehmers gegen den Arbeitgeber unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Arbeitsunfähigkeit. Daher können in Bezug auf Urlaubsentgelt und Urlaubsgeld auch keine Schadensersatzansprüche des arbeitsunfähigen Arbeitnehmers gegen den Schädiger auf den Arbeitgeber übergehen.

2. Das Gleiche gilt für andere Ansprüche des geschädigten Arbeitnehmers, wie Erfolgsbeteiligungen oder Sonderzuwendungen (Weihnachtsgeld), die an ihn unabhängig vom Vorliegen oder Nichtvorliegen von Arbeitsunfähigkeit gezahlt werden.

 

Normenkette

EFZG § 6 Abs. 1; SGB VII § 105 Abs. 1; BGB § 823

 

Verfahrensgang

ArbG Heilbronn (Urteil vom 29.09.2010; Aktenzeichen 6 Ca 153/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 29.09.2010 (6 Ca 153/10) wird zurückgewiesen.

2. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Heilbronn vom 29.09.2010 (6 Ca 153/10) wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten der Berufung trägt die Klägerin 12/19 und die Beklagte 7/19.

4. Für die Klägerin wird die Revision zugelassen. Im Übrigen wird die Revision nicht zugelassen

 

Tatbestand

Die Klägerin macht gegenüber der Beklagten Ansprüche auf Erstattung von Entgeltfortzahlungskosten gemäß § 6 EntgeltfortzahlungsG wegen eines Verkehrsunfalls eines ihrer Arbeitnehmer geltend, der von einem anderen ihrer Arbeitnehmer verursacht wurde.

Die Klägerin betreibt ein Unternehmen des Automobilbaus und beschäftigt am Standort N. unter anderem die Arbeitnehmer H. und D.. Das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer H. besteht seit 01.12.1982. Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen, bei dem der Pkw Seat Arosa XX-XX XX des Arbeitnehmers D. haftpflichtversichert ist.

Die Klägerin stellt ihren Arbeitnehmern um das weitläufige Werksgelände herum Parkplätze zur Verfügung. Die Parkplätze befinden sich entweder auf eigenen oder auf angemieteten Flächen. Die Arbeitnehmer parken teilweise auch auf öffentlichen Straßen in der Umgebung des Werks. Der Parkplatz Nr. 4, auf dem sich der streitgegenständliche Unfall ereignete, ist nicht durch eine Pforte, eine Schranke, einen Zaun oder Ähnliches von der öffentlichen Zufahrtsstraße abgetrennt. Er ist für jedermann frei zugänglich. Eine Nutzungskontrolle findet nicht statt. Durch Beschilderung wird darauf hingewiesen, dass auf dem Parkplatz die StVO gilt.

Das Werksgelände der Klägerin wiederum ist durch einen Zaun und eine Pforte vom öffentlichen Bereich – auch vom Parkplatz Nr. 4 – abgetrennt. Die Klägerin hat bei Parkplatz Nr. 4 in den Zaun zum Werksgelände ein mannshohes Drehkreuz eingebaut, durch welches die Werksangehörigen unter Benutzung eines Werksausweises das Werksgelände betreten und verlassen können, ohne die nächste Pforte aufsuchen zu müssen. Das Drehkreuz ist mit einem elektronischen Ausweisleser ausgestattet. Die Freischaltung des Drehkreuzes erfolgt mit dem Werksausweis.

Am 20.03.2009 ereignete sich gegen 05:47 Uhr auf dem Parkplatz Nr. 4 ein Unfall. Der Arbeitnehmer D. befuhr mit seinem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw auf dem Parkplatz die Durchfahrtstraße Parkplatz 6. Aufgrund beschlagener und vereister Windschutzscheibe und dadurch bedingter Sichtbeeinträchtigung wollte der Arbeitnehmer D. seitlich der Fahrbahnstraße anhalten. Hierbei übersah er den Arbeitnehmer H., der zu Fuß unterwegs war, und fuhr diesen an. Der Arbeitnehmer H. wurde durch die Kollision schwer verletzt und war unfallbedingt vom 20.03.2009 bis 29.11.2009 durchgehend arbeitsunfähig krank. Die Klägerin leistete an den Arbeitnehmer H. im Zeitraum 20.03.2009 bis 30.04.2009 Entgeltfortzahlung.

Die Klägerin verlangte von der Beklagten mehrfach erfolglos Ersatz der von ihr an den Arbeitnehmer H. im Krankheitszeitraum vom 20.03.2009 bis 29.11.2009 geleisteten Zahlungen, zuletzt mit Schreiben vom 11.03.2010 (vgl. Anlage K6, Akten 1. Instanz Bl. 11; I/11), wobei unter anderem auch Ansprüche betreffend eine ”Mitarbeitererfolgsbeteiligung / Sonderzuwendung (anteilig)” und ”Urlaubsentgelt einschl. 50% (anteilig)” darin enthalten sind. Die Beklagte lehnte eine Zahlung unter Bezugnahme auf das Haftungsprivileg nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB VII ab. Mit ihrer am 14.06.2010 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 18.06.2010 zugestellten Klage verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche weiter.

Die Klägerin hat erstinstanzlich vorgetragen, für die Dauer der Arbeitsunfähigkeit vom 20.03.2009 bis 30.04.2009 sei sie dem Arbeitnehmer H. nach §§ 2, 4 EntgeltfortzahlungsG verpflichtet gewesen, Entgeltfortzahlung zu leisten. Der hierbei geleistete Betrag von EUR 22.428,33 setze sich wie folgt zusammen:

Fortzahlung ...

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