Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristung. Sachgrund. Aufgabe von begrenzter Dauer. Rückbau eines Forschungsreaktors. Prognose
Leitsatz (redaktionell)
1. Allgemeine Schwankungen des Arbeitskräftebedarfs, insbesondere eine Ungewissheit über dessen künftige Entwicklung, stellen keinen Sachgrund für eine Befristung i.S.v. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 TzBfG dar.
2. Ermittelt ein Arbeitgeber den zeitlichen Bedarf an Arbeitskräften nach gesicherten Erkenntnissen und Regeln der Technik anhand objektiver, vorhandener Daten, ist die Prognose beim Sachgrund des vorübergehenden betrieblichen Mehrbedarfs selbst nicht willkürlich. Dies kann nicht mehr angenommen werden, wenn anstelle der auf vorhandenen objektivierten Daten gestützten Prognose eine rein subjektiv gefärbte Spekulation tritt.
Normenkette
TzBfG § 14 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; BAT SR 2y Nr. 1b
Verfahrensgang
ArbG Karlsruhe (Urteil vom 20.12.2005; Aktenzeichen 2 Ca 425/05) |
Tenor
1.Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichtes Karlsruhe vom 20.12.2005 – Az.: 2 Ca 425/05 – abgeändert und im Kostenpunkt aufgehoben.
2.Die Klage wird abgewiesen.
3.Die Kosten des Rechtsstreites – beider Rechtszüge – trägt der Kläger.
4.Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Zulässigkeit einer im Anschluss-Arbeitsvertrag vom 18.06.2002 vereinbarten Sachgrundbefristung zum 31.12.2005 gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge (im Folgenden: TzBfG).
Die Beklagte ist eine mit öffentlichen Mitteln geförderte Forschungseinrichtung. Sie betrieb unter anderem einen sogenannten Mehrzweck-Forschungsreaktor (MZFR). Die Beklagte beschäftigt mehrere Tausend Arbeitnehmer. Sie stellte den am 27.02.1965 geborenen Kläger erstmalig mit Arbeitsvertrag vom 22.12.1999 für die Zeit ab dem 01.02.2000 befristet bis zum 31.08.2004 unter einzelvertraglicher Vereinbarung des Bundesangestelltentarifvertrages (im Folgenden: BAT) und der Sonderregelung 2y hierzu als Technischen Angestellten ein. Als Befristungsgrund ist in § 1 angegeben:
„Er wird während der Dauer dieses Vertrages bis zum 31.08.2004, dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Dauer des Projektes „Durchführung von Kontaminations- und Dosisleistungsmessungen im Kontroll- und Sperrbereich sowie Strahlenschutzkontrollen”, befristet beschäftigt (Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer gem. Nr. 1 Abs. b SR2y BAT). …”
Die eigentlich für diese Aufgaben vorgesehenen Mitarbeiter der Hauptabteilung Sicherheit waren und sind mit dem Rückbau des MZFR beschäftigt und standen bzw. stehen für die Dauer des Rückbaus für einen Einsatz in der Hauptabteilung Dekontaminierungsbetriebe nicht zur Verfügung. Deswegen wurde der Kläger befristet eingestellt.
Zum Zeitpunkt der Einstellung des Klägers ging die Beklagte davon aus, dass die dem Kläger übertragenen Aufgaben wegen der Rückkehr der zum Rückbau des MZFR eingesetzten Personals zu Ende August 2004 abgeschlossen sein würden. Diese Prognose bewahrheitete sich nicht: Bereits im Jahr 2001 kam die Beklagte aufgrund technischer und administrativer Verzögerungen zu der Erkenntnis, dass der Rückbau des MZFR sich bis Dezember 2005 hinziehen werde, so dass bis dahin ein weiterer Bedarf für den Einsatz des Klägers bestehe. Daher schlossen sie am 18.06.2002 einen Anschluss-Arbeitsvertrag, dessen § 1 folgenden Wortlaut hat:
„Herr … wird mit Wirkung vom 01.07.2002 als Technischer Angestellter eingestellt. Es wird während der Dauer dieses Vertrages im Zusammenhang mit den Rückbauarbeiten im MZFR bis zum 31.12.1995, dem Zeitpunkt der voraussichtlichen Beendigung des Projektes, befristet beschäftigt (Angestellter für Aufgaben von begrenzter Dauer gem. Nr. 1 ABs. b SR2y BAT). Das Arbeitsverhältnis endet mit Ablauf der Frist, ohne dass es einer vorherigen Kündigung bedarf.”
Nach Erhalt einer dementsprechenden Nichtverlängerungsanzeige der Beklagten vom 19.04.2005 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht am 29.09.2005 Befristungskontrollklage erhoben und mit am 28.11.2005 eingegangener Klageerweiterung seine tatsächliche Weiterbeschäftigung begehrt.
Er hat die Ansicht vertreten, dass der im Arbeitsvertrag vom 18.06.2002 geregelten Befristung keine taugliche Prognose der Beklagten zugrundegelegen habe. Tatsächlich habe nur eine Ungewißheit über den zukünftigen erhöhten Arbeitskräftebedarf bestanden. Dies werde auch durch den Umstand bekräftigt, dass die Beklagte mittlerweile im Jahr 2005 – unstreitig – die tatsächliche Beendigung der Rückbauarbeiten auf das Jahresende 2008 datiere. Die zweimalige Korrektur ihrer Prognose rechtfertige die Annahme, dass in Wahrheit lediglich eine Ungewissheitskonstellation bei Abschluss des zweiten Vertrages vom 18.06.2002 bestanden habe.
Demgemäß hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht beantragt,
- festzustellen, dass das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht aufgrund der Befristungsvereinbarung vom 18.06.2002 mit dem 31.12.2005 enden wird,
- die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens a...