Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzanfechtung. Vorsatzanfechtung. Stellung Insolvenzantrag. Unbegründete Vorsatzanfechtung des Insolvenzverwalters bei fehlendem Nachweis der Kenntnis drohender oder eingetretener Zahlungsunfähigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Kenntnis von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Schuldners steht auch im Rahmen des § 133 Abs. 1 InsO die Kenntnis von Umständen gleich, die zwingend auf eine drohende oder bereits eingetretene Zahlungsunfähigkeit hinweisen.

2. Diese subjektive Voraussetzung der Vorsatzanfechtung steht nicht stets schon dann fest, wenn der Gläubiger im Zuge der Zwangsvollstreckung einen Antrag auf Insolvenzeröffnung gegen den Schuldner stellt.

3. Auch in diesem Falle ist eine Gesamtwürdigung vorzunehmen, bei der Indizien heranzuziehen sind, die gegen eine Zahlungsunfähigkeit zum Zeitpunkt der angefochtenen Leistungen sprechen können (z. B. Lohnzahlungen noch nach beendetem Arbeitsverhältnis, Erfüllungshandlungen nach Rücknahme des Insolvenzantrags, mehrjährige Unternehmensfortführung noch nach gestelltem und wieder zurückgenommenen Insolvenzantrag, Rücknahme des Insolvenzantrags vor vollständiger Erfüllung der titulierten Gesamtforderung).

 

Normenkette

InsO § 133 Abs. 1 Sätze 1-2; ZPO § 286 Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Freiburg i. Br. (Entscheidung vom 25.05.2012; Aktenzeichen 6 Ca 487/11)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 27.03.2014; Aktenzeichen 6 AZR 989/12)

 

Tenor

  • 1.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg - Kn. Offenburg - vom 25.05.2012, Az. 6 Ca 487/11, wird zurückgewiesen.

  • 2.

    Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.

  • 3.

    Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Rückzahlungsansprüche des Klägers gegen den Beklagten infolge einer Insolvenzanfechtung.

Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen des Herrn G., ehemals Inhaber eines Kleinunternehmens für Maschinen- und Vorrichtungsbau in L.. In der Zeit von März 2001 bis Januar 2002 war dort der Beklagte als einziger Arbeitnehmer beschäftigt. Nachdem er für April und Mai 2001 sowie für November und Dezember 2001 seine Arbeitsvergütung nicht erhalten hatte, beendete er sein Arbeitsverhältnis und erwirkte gegen seinen vormaligen Arbeitgeber am 05.04.2002 ein Versäumnisurteil über insgesamt € 6.405,46 brutto nebst Zinsen (Rechtsstreit 5 Ca 112/02 beim Arbeitsgericht Freiburg - Kn. Offenburg). Das Versäumnisurteil wurde rechtskräftig. Unter dem 18.02.2003 ließ der Beklagte beim Amtsgericht Offenburg Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens gegen Herrn G. stellen. Darin wurde mitgeteilt, dass Zwangsvollstreckungsversuche erfolglos geblieben seien, zuletzt sei eine Zwangssicherungshypothek auf dem Grundstück des Eigentümers G. eingetragen worden, bezüglich derer eine Zwangsversteigerung wenig Aussicht auf Erfolg habe, weil mehrere Voreintragungen bestünden, es sei von Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung auszugehen.

In der Folgezeit leistete Herr G. an den Beklagten nachstehende Zahlungen:

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    am 02.06.2003 € 500,00

  • -

    am 02.09.2003 € 500,00

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    am 11.09.2003 € 600,50

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    am 18.12.2003 € 300,00

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    am 11.03.2004 € 300,00

  • -

    am 12.05.2004 € 200,00

  • -

    am 09.06.2004 € 300,00.

Der Beklagte nahm daraufhin den Insolvenzantrag gegen Herrn G. zurück. Es folgten als weitere Zahlungen an den Beklagten am

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    am 28.07.2004 € 400,00

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    am 25.10.2004 € 150,00 und

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    am 03.12.2004 € 100,00.

Bereits am 28.01.2001 hatte die TKK H. die Insolvenzeröffnung beantragt,

den Antrag aber wieder zurückgenommen. Am 22.01.2002 hatte Herr G. die eidesstattliche Versicherung abgegeben. Am 08.02.2002 beantragte die AOK O. Insolvenzeröffnung, am 10.11.2004 die Autovermietung J., am 22.07.2005 der frühere Auszubildende H., am 04.10.2005 erneut die AOK O., alle Anträge wurden jedoch nach Eingang von Zahlungen zurückgenommen, zu einer Insolvenzeröffnung führten sie nicht.

Am 07.04.2008 eröffnete das Amtsgericht Offenburg infolge eines Eigenantrags des Herrn G. das Insolvenzverfahren über dessen Vermögen und bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter. Im Eigenantrag gab Herr G. Verbindlichkeiten im Umfang von etwa € 520.000,00 an. Der Beklagte meldete am 22.04.2008 Forderungen auf Arbeitsvergütung in Höhe von € 6.071,02 im Insolvenzverfahren an. Sie wurden vom Insolvenzverwalter in voller Höhe vorläufig bestritten. Der Kläger erklärte dem Beklagten gegenüber, die Anfechtung der in der Zeit vom 02.06.2003 bis 03.12.2004 geleisteten Zahlungen.

Der Kläger fordert vom Beklagten Rückzahlung der angefochtenen Leistungen. Er behauptet, der Schuldner G. sei bereits im Jahre 2000 durchgängig zahlungsunfähig gewesen, was sich aus den nicht erfüllten Forderungen von Gläubigern und den gestellten Insolvenzanträgen ergebe. Auch zum Zeitpunkt der Zahlungen an den Beklagten sei Herr G. zahlungsunfähig gewesen. Herr G. habe nur deshalb geleistet, weil der Beklagte Antrag auf Insolvenzeröffnung gestellt und diesen nach Erhalt der Zahlung wieder zurückgenommen habe. Bei einem Zahlungsrückstand im vorliegenden Umfang sei von Zahlungsunfähigkei...

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