Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsvergütung einer Pflegehelferin eines privaten Pflegedienstes im Rahmen einer Rundumbetreuung in kirchlicher Einrichtung
Leitsatz (amtlich)
Die Regelung über das Mindestentgelt in der Pflegebranche in § 2 PflegeArbbV differenziert nicht nach der Art der Tätigkeit. Deshalb sind im Bereitschaftsdienst erbrachte Arbeitsleistungen mit demselben Mindestentgeltsatz zu vergüten wie Arbeitsleistungen während der Vollarbeitszeit. Überwiegen im Rahmen der Leistungserbringung die pflegerischen Tätigkeiten der Grundpflege iSv. § 14 Abs. 4 Nr. 1 - 3 SGB XI und ist somit der Anwendungsbereich der Mindestentgeltregelungen gem. § 1 Abs. 3 PflegeArbbV eröffnet, sind auch andere Tätigkeiten, insb. solche der hauswirtschaftlichen Versorgung iSv. § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI mit dem Mindestentgeltsatz des § 2 Abs. 1 PflegeArbbV zu vergüten.
Normenkette
BGB § 611 Abs. 1; PflegeArbbV § 1 Abs. 3, § 2 Abs. 1; SGB XI § 14 Abs. 4 Nrn. 1-4
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 13.03.2012; Aktenzeichen 6 Ca 8962/10) |
Nachgehend
Tenor
I.
Das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 13. März 2012 (6 Ca 8962/10) wird auf die Berufung der Klägerin abgeändert.
1.
Die Beklagte wird verurteilt, auf das Entgelt der Klägerin für den Monat Juli 2010 noch 22,71 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 16. August 2010.
2.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Entgelt für den Monat August 2010 zu zahlen weitere 670,53 EUR brutto, sowie 69,20 EUR netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diesen Beträgen seit 16. September 2010.
3.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Entgelt für den Monat September 2010 weitere 696,03 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 16. Oktober 2010.
4.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin auf das Entgelt für den Monat Oktober 2010 weitere 1.414,56 EUR brutto zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus diesem Betrag seit 16. November 2010.
5.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.
Die Berufung der Beklagten wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich richtete gegen die Verurteilung in Höhe von 22,71 EUR brutto für den Monat Juli 2010. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu 74%, die Klägerin zu 26% zu tragen.
IV.
Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über Arbeitsentgelt.
Die in R. wohnende Klägerin war bei der Beklagten, die einen privaten Pflegedienst betreibt, beschäftigt vom 1. Juli 2010 bis 29. Oktober 2010 als Pflegehelferin. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer ordentlichen Probezeitkündigung der Beklagten vom 15. Oktober 2010. Die Klägerin wurde eingesetzt im S.haus der S. V. in S., einer Einrichtung der Katholischen Kirche. Die Katholische Kirche war Auftraggeberin der Beklagten. Die Klägerin war ursprünglich zuständig für drei pflegebedürftige Schwestern, nach dem Tod einer Schwester (Schwester C.) nur noch für zwei Schwestern (Schwester E. und Schwester U.). Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der schriftliche Arbeitsvertrag vom 30. Juni 2010 (Bl. 7 bis 9 der arbeitsgerichtlichen Akte). Darin heißt es auszugsweise wie folgt:
"§ 1
Der Arbeitnehmer wird mit der Wirkung vom 01.07.2010 als Pflegehelferin für die Rudu Pflege und Betreuung an der Pflegestelle VS für Sr. E., Sr. U. und Sr. C. unbefristet eingestellt.
Er ist nach jeweiliger näherer Weisung des Arbeitgebers verpflichtet, Pflege- und sonstige Dienstleistungen für die pflegebedürftigen Personen zu erbringen. Die Dienstleistungen erfolgen in der Regel in dem Haus der Pflegebedürftigen.
Der Arbeitnehmer kann in dringenden Fällen auch mit anderen Pflegeaufträgen/Arbeiten betraut werden.
...
§ 3
1. Der Arbeitnehmer erhält ein Festlohn von EUR 1.885,85 Brutto monatlich. (nur gültig für die o.b.a. Personen).
2. Es ist wird eine Arbeitszeit von 204 Rudu-Einsätzen abzüglich der 24 Urlaubstage sind 180 Rudu-Einsätzen/Arbeitstagen p/Jahr der vereinbart..
3. Der Arbeitnehmer ist jedoch auf Anweisung des Arbeitgebers verpflichtet, Mehr- und Überarbeit zu leisten.
4. Rudu wird berechnet nach Pflegemodulen/Pflegezeiten dabei wird der Mindeslohn anzuwenden, Hauswirtschaftliche Tätigkeit, Bereitschaft und Anwesenheit gesondert Ruhezeiten und Pausen werden nicht vergütet. (siehe Stellenbeschreibung)
Fahrtzeiten und Fahrtkosten werden nicht vergütet
..."
Die Klägerin erbrachte im Monat Juli 2010 ihre Dienste vom 08. Juli 2010, 21.00 Uhr bis 23. Juli 2010, 12.00 Uhr durchgehend im sogenannten Rudu (Rund um die Uhr)-Dienst. Die Beklagte zahlte an die Klägerin hierfür 1.863,14 EUR brutto.
Im Monat August 2010 hatte die Klägerin Dienst vom 06. August 2010, 21.00 Uhr bis 20. August 2010, 12.00 Uhr, wiederum im sogenannten ...