Rechtsmittel eingelegt: ja
Entscheidungsstichwort (Thema)
Kettenarbeitsverhältnis. Inzidentprüfung des vorletzten angeblich aus sachlichem Grund befristeten Vertrages mit nachfolgender Befristung nach § 1 Absatz 1 BeschFG 1996, Reichweite der Fiktionswirkung des § 7 KSchG in Verbindung mit § 1 Absatz 5 BeschFG 1996
Leitsatz (amtlich)
1. Der Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 BeschFG ist unzulässig, wenn dieser in einem engen sachlichen Zusammenhang mit einem vorhergehenden befristeten Arbeitsverhältnis steht, das sachlich nicht gemäß § 620 BGB gerechtfertigt ist.
2. Ein ohne Sachgrund abgeschlossener befristeter Arbeitsvertrag ist als solcher im Sinne des § 1 Absatz 1 Satz 1 BeschFG anzusehen.
3. § 1 Absatz 5 BeschFG 1996 schließt eine gerichtliche inhaltliche Überprüfung des dem letzten fristgerecht mit Entfristungsklage angegriffenen Arbeitsvertrag vorangehenden befristeten Vertrages nicht aus, vielmehr erfordert die Feststellung, ob der zuletzt abgeschlossene befristete Arbeitsvertrag nicht gegen § 1 Absatz 3 BeschFG verstößt, eine Inzidentprüfung der sachlichen Befristungsgründe des vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrages.
4. Streitgegenstand der Entfristungsklage nach § 1 Absatz 5 BeschFG ist die Wirksamkeit der Beendigung eines Arbeitsverhältnisses aufgrund einer ganz bestimmten Befristung. Die Versäumung der Frist des § 1 Absatz 1 BeschFG führt deshalb lediglich zur Fiktion, daß das Arbeitsverhältnis zu dem in der Befristungsabrede vorgesehenen Termin endete, nicht aber auch zur Fiktion der sachlichen Rechtfertigung der Befristung.
Normenkette
BeschFG 1996 § 1 Abs. 3 S. 1, Abs. 5; KSchG § 7; BGB § 620
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen dasUrteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 15.07.1998 – Aktenzeichen 18 Ca 660/98 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten auch in der Berufungsinstanz über den Fortbestand ihres Arbeitsverhältnisses (Entfristungsklage) und die vorläufige Weiterbeschäftigung der Klägerin/Berufungsbeklagten, die am 13.01.1965 geboren wurde und zwei minderjährigen Kindern zum Unterhalt verpflichtet ist.
Die Klägerin war ab 03.07.1995 im Rahmen eines wiederholt befristeten Kettenarbeitsverhältnisses als … in der … der Beklagten zu einem Bruttomonatsgehalt von zuletzt DM 4.075,00 beschäftigt. Die einzelnen Befristungsabsprachen stellen sich nach Dauer und Befristungsgrund wie folgt dar:
Abschlußdatum |
Dauer |
Grund der Befristung |
03.07.1995 |
03.07.1995 bis 31.12.1996 |
§ 1 Beschäftigungsförderungsgesetz |
23.12.1996 |
23.12.1996 bis 01.03.1997 |
Kataloghauptversand, Abbau Überstunden |
28.02.1997 |
28.02.1997 bis 29.03.1997 |
Abbau von Überstunden |
24.03.1997 |
24.03.1997 bis 27.09.1997 |
Abbau von Überzeiten lt. GD Anweisung |
06.10.1997 |
27.09.1997 bis 28.02.1998 |
§ 1 Beschäftigungsförderungsgesetz. |
Am 29.01.1998 reichte die Klägerin Klage auf Feststellung, daß das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht mit Ablauf des 28.02.1998 ende, sondern über diesen Zeitpunkt hinaus unbefristet fortbestehe, sowie auf Weiterbeschäftigung ein. Sie ist der Auffassung, die Befristung des Arbeitsverhältnisses bis zum 28.02.1998 habe die Beklagte nicht auf § 1 BeschFG (neue Fassung) stützen können, da sie seit ihrer Ersteinstellung am 03.07.1995 unverändert in der gleichen Abteilung mit den gleichen Tätigkeiten betraut worden sei, die angegebenen Befristungsgründe in den Arbeitsverträgen vom 24.03.1997 und 31.12.1996 lediglich vorgeschoben seien und der Umgehung der Schutzbestimmung in § 1 Absatz 3 BeschFG dienten und sich die Beklagte durch den ständigen Wechsel von Befristungen nach § 1 BeschFG und anderen „sachlich begründeten Befristungen” allen kündigungsschutz- und tarifvertraglichen Kündigungsfristen entziehen wolle.
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
- Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis nicht mit Ablauf des 28.02.1998 endet, sondern über diesen Zeitraum hinaus unbefristet weiterbesteht.
- Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen mit einer Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens zu beschäftigen und aus der Lohngruppe 4 zu entlohnen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.
Sie hat die Auffassung vertreten, die Wirksamkeit der zuletzt getroffenen Befristungsabrede im Vertrag vom 06.10.1997 ergebe sich aus § 1 BeschFG. Dieser Arbeitsvertrag habe sich nahtlos an den Arbeitsvertrag vom 24.03.1997 angeschlossen, welcher zweckbefristet gewesen sei. Die damalige befristete Einstellung der Klägerin sei erforderlich gewesen, weil in der … übermäßig viele Überstunden angefallen seien, deren Abbau nur durch Einstellung zusätzlicher Kräfte möglich gewesen sei, nachdem gemäß § 6 Absatz 4 des Tarifvertrages für Arbeiter der … in der Fassun...