Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbegriff des Kündigungsschutzgesetzes
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ermittlung der für die Geltung des allgemeinen Kündigungsschutzes gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 KSchG a.F. (in der bis zum 30.9.96 geltenden Fassung) erforderlichen Beschäftigtenzahl sind alle in unselbständigen Betriebsteilen eines einheitlichen Betriebes beschäftigten Arbeitnehmer mitzuzählen.
2. Bei der Auslegung des Begriffs „Betrieb” iSd § 23 Abs 1 Satz 2 a.F. ist auch der Sinn und Zweck dieser Vorschrift heranzuziehen. Hiernach sind von den Belastungen des Kündigungsschutzgesetzes Kleinstbetriebe ausgenommen, denen wegen ihrer regelmäßig geringeren Leistungsfähigkeit der Gesetzgeber nicht zumuten wollte, Arbeitnehmer gezwungenermaßen zu behalten. Dieses gesetzgeberische Motiv entfällt, wenn der Arbeitgeber mehrere unselbständige Betriebsteile mit jeweils nicht mehr als 5 Arbeitnehmern unterhält, er aber insgesamt weit mehr Arbeitnehmer hat (im Anschluß an BAG, Urteil v. 26.8.1971 – 2 AZR 233/70 – AP Nr. 1 zu § 23 KSchG 1969).
Normenkette
EGBGB Art. 27, 30; KSchG § 1 Abs. 1-2, § 2 S. 1, § 23 Abs. 1 S. 2; BetrVG § 4; BPersVG § 6
Verfahrensgang
ArbG Stuttgart (Urteil vom 10.10.1996; Aktenzeichen 3 Ca 4296/96) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 10.10.1996 – Az.: 3 Ca 4296/96 – wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, daß die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung vom 06.03.1996 unwirksam ist.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird für die Beklagte zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Rechtswirksamkeit der von der Beklagten mit Schreiben vom 06. März 1996 erklärten ordentlichen Änderungskündigung zum 30. Juni 1996.
Der am … 1941 geborene und ledige Kläger wurde im Januar 1990 im … der Beklagten in … als Bürofachmann eingestellt. Der zwischen den Parteien am 31. August 1989 geschlossene Arbeitsvertrag sieht unter § 13 für alle im Vertrag nicht ausdrücklich erwähnten Fälle die Geltung deutschen Rechts vor. Das Jahreseinkommen des Klägers betrug zuletzt DM 56.746,38 brutto. Nach dem schriftlichen Arbeitsvertrag hatte der Kläger grundsätzlich einen Anspruch auf eine Erhöhung seines Einkommens alle zwei Jahre um 2 % (§ 3). Sein Urlaubsanspruch betrug 30 Arbeitstage pro Jahr (§ 6). Die wöchentliche Arbeitszeit belief sich auf 36 Stunden (§ 7). Gemäß § 10 des Arbeitsvertrages stand dem Kläger bei Ablauf des Arbeitsvertrages eine bestimmte Abfindung zu. Nach § 13 sollte für alle nicht im Arbeitsvertrag ausdrücklich erwähnten Fälle das in Deutschland geltende Gesetz maßgebend sein. Gemäß § 14 war der Arbeitsvertrag erst nach Ratifizierung durch Ministerialerlaß und nach Eintragung durch den Finanzhof gültig
Im … in …, das wie die anderen … der Beklagten in der Bundesrepublik Deutschland keine selbständige Rechtspersönlichkeit besitzt und von … geleitet wird, wurden im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung regelmäßig nicht mehr als fünf Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen beschäftigt, was mittlerweile im zweiten Rechtszug unstreitig ist. Die Beklagte unterhält in der Bundesrepublik Deutschland noch weitere … in …, wo sieben Arbeitnehmer/-innen im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung beschäftigt wurden (im folgenden: Anzahl der Arbeitnehmer/-innen im Zeitpunkt des Kündigungsausspruchs), in Hamburg (3), Köln (5), Frankfurt (1), München (3), Wolfsburg (2), Berlin. Die organisatorische Selbständigkeit der … ist zwischen den Parteien umstritten.
Im Gesetz Nr. 401 vom 22. Dezember 1990 über die Reform der … und Maßnahmen zur Förderung der … und … im Ausland sind die Rechtsgrundlagen der … festgelegt. Nach der vom Kläger vorgelegten Übersetzung dieses Gesetzes, deren Richtigkeit von der Beklagten nicht bestritten worden ist, lauten Art. 7 … und Art. 3 … auszugsweise folgendermaßen:
Art. 7 Ziffer 1:
Die … widmen in sich Aufgaben zur Förderung und Verbreitung der … und … in den Staaten, in denen sie ihren Sitz haben.
Ziffer 2:
Für die Verfolgung der Zwecke dieses Gesetzes haben die operative und finanzielle Autonomie im Rahmen der Weisungs- und Aufsichtsfunktion gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. d; auf der Grundlage der jährlichen Haushalte unterliegt ihr Finanzgebahren der Kontrolle des Rechnungshofs.
Ziffer 4:
Der … weist jährlich jedem … eine Finanzausstattung zu und teilt zu diesem Zweck die entsprechenden Haushaltsmittel auf.
Art. 3 Ziffer 1:
…
d) veranlaßt gemäß den Bestimmungen von Art. 7 Abs. 5 die Errichtung und eventuelle Schließung der …, denen gegenüber es auch über die diplomatischen Vertretungen und die konsularischen Stellen in Übereinstimmung mit diesem Gesetz und im Rahmen der politisch-diplomatischen Beziehungen zwischen … und den anderen Staaten weisungs- und aufsichtsbefugt ist; ….
Über Inhalt und Schwerpunkt des angebotenen … Programms entscheiden die Leiter der … weitgehend selbständig, also auch die...