Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 29.03.1995; Aktenzeichen 1 BV 460/94)

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Beteiligten zu 2) wird der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. März 1995 – 1 BV 216 + 460/94 – abgeändert:

Auch der Hilfsantrag des Beteiligten zu 1) wird zurückgewiesen.

II. Die Anschlußbeschwerde wird zurückgewiesen.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten um die Vornahme von Ersatzfreistellungen bei Verhinderung freigestellter Betriebsratsmitglieder.

Der Beteiligte zu 1) ist der Betriebsrat im Hause Hertie bei Wertheim Steglitz, die Arbeitnehmervertretung für 735 Arbeitnehmer. Freigestellt von der beruflichen Tätigkeit sind die Betriebsratsvorsitzende Frau S. B. B. sowie zu 2/5 die stellvertretende Betriebsratsvorsitzende D. L. und zu 3/5 das Betriebsratsmitglied E. V. Am 06.01.1994 hat der Beteiligte zu 1) weitere zwei Ersatzfreistellungen beschlossen, nämlich ab ersten Tag bei Urlaub über drei Tage, ab ersten Tag bei Seminar über drei Tage und ab dem vierten Tag bei längerer Krankheit, wobei diese Ersatzfreistellung von den Betriebsratsmitgliedern M. und G. wahrgenommen werden sollte. Damit hat sich die Beteiligte zu 2) nicht einverstanden erklärt. Der Beteiligte zu 1) hielt an seiner Auffassung fest und teilte am 16.02.1994 der Geschäftsleitung der Beteiligten zu 2) mit, zur Erledigung der anfallenden Betriebsratsarbeit sei es erforderlich, Herrn M. vom 17. bis 28.02.1994 von der Arbeit freizustellen, um Arbeiten durchzuführen, die die Betriebsratsvorsitzende urlaubsbedingt nicht habe durchführen können. Die Beteiligte zu 2) lehnte das Begehren des Beteiligten zu 1) mit der Ankündigung eines Gehaltsabzuges für Herrn M. ab und nahm tatsächlich für die Zeit seiner Freistellung vom 17. bis 28.02.1994 einen Gehaltsabzug für 44,05 Stunden vor.

Der Beteiligte zu 1) ist der Auffassung, daß zur Gewährleistung der ordnungsgemäßen Erledigung der Betriebsratsaufgaben bei nicht nur kurzfristiger Verhinderung freigestellter Betriebsratsmitglieder generelle Ersatzfreistellungen, wie in seinem Beschluß vom 06. März 1994 erfolgt, zulässig seien. Der Gesetzgeber habe bei 735 Arbeitnehmern mindestens die Freistellung von zwei Betriebsratsmitgliedern für erforderlich gehalten, so daß durchgängig die entsprechende Anzahl der freigestellten Betriebsratsmitglieder zu gewährleisten sei, ohne daß es jeweils eines besonderen Beschlusses und dessen Begründung gegenüber dem Arbeitgeber bedürfe.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

  1. festzustellen, daß er berechtigt ist, Ersatzfreistellungen für die Zukunft entsprechend seinem einmaligen Beschluß vom 06.01.1994 wegen Abwesenheit der freigestellten Betriebsratsmitglieder ohne weitere Begründung vorzunehmen,
  2. hilfsweise festzustellen, daß er bei Verhinderung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes berechtigt ist, nach vorheriger entsprechender Mitteilung an den Arbeitgeber ohne näheren Nachweis der Erforderlichkeit eine Ersatzfreistellung zu beschließen: Bei Urlaub über 3 Tage ab dem 1. Tag – bei Seminarteilnahme über 3 Tage ab dem 1. Tag – bei Arbeitsunfähigkeit ab dem 4. Tag.

Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen, weiterhin

  1. festzustellen, daß Ersatzfreistellungen bei Abwesenheit von freigestellten Betriebsratsmitgliedern nicht schematisch erfolgen, sondern von Fall zu Fall eines Beschlusses des Betriebsrates bedürfen,
  2. hilfsweise – nur zum Hauptantrag des Beteiligten zu 1) – festzustellen, daß Beschlüsse des Beteiligten zu 1) über die Ersatzfreistellung nur nach Anhörung des Arbeitgeber oder nach Erörterung mit ihm gefraßt werden dürfen.

Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,

die Wideranträge der Beteiligten zu 2) zurückzuweisen.

Durch Beschluß vom 29.03.1995 hat das Arbeitsgericht Berlin zum Aktenzeichen 1 BV 216/94 und 1 BV 460/94 festgestellt, daß der Beteiligte zu 1) bei der Verhinderung eines freigestellten Betriebsratsmitgliedes berechtigt ist, nach – möglichst – vorheriger Mitteilung an den Arbeitgeber ohne näheren Nachweis der Erforderlichkeit eine Ersatzfreistellung zu beschließen und zwar in den Fällen: Bei Urlaub über drei Tage ab dem ersten Tag, bei Seminarteilnahme über drei Tage ab dem ersten Tag, bei Arbeitsunfähigkeit ab dem vierten Tag. Im übrigen hat es den Hauptantrag und die Wideranträge zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 55 bis 63 d.A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 27.04.1995 zugestellten Beschluß hat die Beteiligte zu 2) mit am 26.05.1995 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenen Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am 26.06.1995 beim Rechtsmittelgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Der Beteiligte zu 1) hat gegen den ihm am 26.04.1995 zugestellten Beschluß mit am 26.07.1995 beim Landesarbeitsgericht Berlin eingegangenem Schriftsatz Anschlußbeschwerde eingelegt.

Die Beteiligte zu 2) ist der Auffassung, die Anträge des Beteiligten zu 1) seien schon unzulässig, da sie sich lediglich auf die Festst...

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