Entscheidungsstichwort (Thema)
Begriff der Arbeitszeit
Leitsatz (amtlich)
Zeiten einer Dienstreise fallen nicht unter den Begriff der Arbeitszeit in § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG.
Normenkette
ZPO § 256; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 03.05.2005; Aktenzeichen 5 BV 17190/04) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den am 03. Mai 2005 verkündeten Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin – 5 BV 17190/04 – wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Beteiligte zu 1), der Betriebsrat der Berliner Gebietsfiliale der C. AG, der Beteiligten zu 2), schloss im Jahre 1998 eine Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeitgestaltung. In § 3 dieser Betriebsvereinbarung sind bestimmte Bandbreiten für Arbeitszeiten vorgesehen. Diese erfassen für die Tage von Montag bis Donnerstag die Zeiten von 7.00 bis 22.00 Uhr und an Freitagen von 7.00 bis 20.00 Uhr. Für Abwesenheitszeiten und Fehlzeiten sind Sonderregelungen in § 12 der Betriebsvereinbarung vorgesehen. Auf den Inhalt der Betriebsvereinbarung (Bl. 5 bis 12 d.A.) wird Bezug genommen. In § 12 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung heißt es:
„Soweit die tägliche Arbeitszeit außerhalb des Betriebes beginnt oder endet, (z.B. Dienstreise, Besprechungen, Kundenbesuche), wird die Differenz bis zum Beginn oder Ende der durch Zeiterfassungsgeräte nachgewiesenen Tätigkeit mittels Kontrollbeleg im Rahmen der bestehenden Bandbreiten (vgl. hierzu BV Zeiterfassung) erfasst. Bei Dienstreisen ist die jeweils für die Reise benötigte Zeit im Rahmen der Bandbreiten anzurechnen.”
Beschäftigte der Berliner Filiale müssen Dienstreisen zum Sitz der Zentrale der Beteiligten zu 2) in F. antreten.
Die Beteiligten streiten in dem vorliegenden Verfahren darum, ob die Beteiligte zu 2) Beschäftigte anweisen kann, Dienstreisen auch ohne gesonderte Zustimmung des Beteiligten zu 1), des Betriebsrates, vor 7.00 Uhr morgens zu beginnen. Beispielsweise weist die Beteiligte zu 2) Beschäftigte an, bei Dienstreisen nach F. den sogenannten ICE-Sprinter der Deutschen Bahn zu benutzen, der um 6.13 Uhr von Bahnhof Zoo abfährt.
Der Beteiligte zu 1) hat in der ersten Instanz die Auffassung vertreten, dass eine Anweisung, die zu einem Dienstreisebeginn vor 7.00 Uhr führe, seiner Zustimmung bedürfe. Reisezeiten seien insoweit Arbeitszeiten. Ferner hat der Beteiligte zu 1) die Auffassung vertreten, dass Reisen zu außerhalb stattfindenden Betriebsversammlungen grundsätzlich Arbeitszeit seien. Zwar würden die Betriebsversammlungen seit Jahren in der U. stattfinden, die Anreise sei jedoch Dienstreise, so dass die dafür benötigte Zeit im Rahmen der Bandbreiten abzurechnen seien. Die Beteiligte zu 2) wolle die Fahrzeit in Abzug bringen, die Beschäftigte zum Erreichen des Arbeitsplatzes benötigten. Lediglich bei längerer Anreisezeit sollte die Differenz gutgeschrieben werden. Für das Feststellungsinteresse sei ausreichend, dass eine entsprechende Meinungsverschiedenheit bestehe.
Der Beteiligte zu 1) hat beantragt,
- der Beteiligten zu 2) aufzugeben, die Anordnung oder Duldung eines Dienstreisebeginns vor Beginn der Bandbreitenarbeitszeit gemäß § 3 der Betriebsvereinbarung über die variable Arbeitszeitgestaltung vom 02. November 1998 zu unterlassen, es sei denn, er habe dazu zuvor seine Zustimmung erteilt,
- festzustellen, dass die Beteiligte zu 2) die Reisezeiten zu einer Betriebsversammlung auch in dem Fall voll auf die Arbeitszeit anzurechnen habe, in dem der Arbeitnehmer die Betriebsversammlung an einem Arbeitstag von zu Hause aus unmittelbar aufsuche.
Die Beteiligte zu 2) hat beantragt,
die Anträge zurück zu weisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, dass Reisezeit jedenfalls dann keine Arbeitszeit sei, wenn in ihr von den Beschäftigten keine Arbeitsleistung erbracht werden müssten. Dem Feststellungsantrag stehe § 44 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entgegen.
Durch Beschluss vom 03. Mai 2005 hat das Arbeitsgericht den Antrag zu 2) als unzulässig und den Antrag zu 1) als unbegründet zurückgewiesen. Hinsichtlich der Begründung wird auf den Inhalt des angefochtenen Beschlusses (Bl. 119 bis 127 d.A.) Bezug genommen.
Gegen diesen ihm am 26. Mai 2005 zugestellten Beschluss hat der Beteiligte zu 1) am 06. Juni 2005 Beschwerde eingelegt, die er am 11. Juni 2005 begründet hat.
Der Beteiligte zu 1) vertritt die Auffassung, dass seine Rechte betroffen seien. Er mache die Einhaltung der Betriebsvereinbarung geltend. Grundlage des Individualanspruches der Arbeitnehmer sei eine betriebsverfassungsrechtliche Norm, also eine Bestimmung mit kollektivem Bezug, so dass ein Feststellungsinteresse für den Antrag zu 2) gegeben sei. Hinsichtlich des Antrages zu 1) habe das Arbeitsgericht die Definition des Begriffes der Arbeitszeit nicht unter Bezugnahme auf europarechtliche Normen und europarechtliche Rechtsprechung durchgeführt. Im übrigen sei zu berücksichtigen, dass bei Dienstreisen regelmäßig Vor- und Nachbereitung der jeweiligen Si...