Entscheidungsstichwort (Thema)
Abhilfeentscheidung durch die gleiche Kammer. Schriftform des Aufhebungsvertrages bei Wechsel vom Arbeitnehmer zum Geschäftsfüher
Leitsatz (amtlich)
1.
Das nach § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelte Abhilfeverfahren ist seiner Funktion nach ein aus Gründen der Prozessökonomie vorgeschriebenes Vorverfahren. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren oder für die Beschwerdeentscheidung selbst.
Das Beschwerdegericht kann daher bei fehlerhaftem Abhilfeverfahren selbst in der Sache entscheiden. Es muss nicht dieselbe Kammer über die Abhilfe entscheiden, die vorher den angefochtenen Beschluss erlassen hat. Vielmehr sind diejenigen ehrenamtlichen Richter an der Beschlussfassung zu beteiligen, die nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständig sind.
2.
Wird ein bis dahin geltenden Arbeitsvertrag durch einen schriftlichen Geschäftsführervertrag aufgehoben, der einen vollständig neuen Vertrag mit eigenständigen Regelungen, einem neuen Aufgabenkreis, der Zusicherung einer betrieblichen Altersversorgung und einer höheren Vergütung als im Arbeitsvertrag darstellt, entspricht dieser Aufhebungsvertrag der Schriftform des § 623 BGB.
Normenkette
ZPO § 572 Abs. 1 S. 1; GVG § 17a; BGB § 623
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 14.09.2005; Aktenzeichen 30 Ca 14757/05) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 14. 9. 2005 – 30 Ca 14757/05 – aufgehoben.
Es wird festgestellt, dass der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen unzulässig ist. Der Rechtsstreit wird an das zuständige Landgericht Berlin verwiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Der Kläger wurde seit dem 1.11.1998 bei der Beklagten aufgrund eines Arbeitsvertrages als Leiter der Buchhaltung beschäftigt (vgl. dazu den Arbeitsvertrag in Kopie Bl. 13 ff d.A.). Unter dem 27.2.2003 schlossen die Parteien einen Geschäftsführerdienstvertrag, aufgrund dessen der Kläger zum Geschäftsführer der Beklagten berufen wurde (vgl. dazu den Geschäftsführerdienstvertrag in Kopie Bl. 17 ff d.A.). Am 24.5.2005 wurde er als Geschäftsführer abberufen. Danach arbeitete er weiter. Er wurde ab 25.5.2005 als sozialversicherungspflichtiger Beschäftigter angemeldet und erhielt eine Abmahnung mit Datum vom 22.6.2005, wonach er seine Arbeitszeiten einzuhalten habe. In diesem Schreiben wird darauf hingewiesen, dass der Kläger mit seinem Fehlverhalten sein Arbeitsverhältnis gefährde (vgl. dazu die Abmahnung in Kopie Bl. 30 d.A.).
Im Rahmen der beim Arbeitsgericht Berlin am 1.7.2005 eingegangenen Klage gegen eine Kündigung vom 24.6.2005 sowie die Abmahnung vom 22.6.2005 ist der Kläger der Auffassung gewesen, das Arbeitsgericht Berlin sei für den Rechtsstreit sachlich zuständig, die Beklagte dagegen der Auffassung, dass die Zivilgerichte für den Rechtsstreit zuständig seien.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 14. September 2005 den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben erachtet. Wegen der Begründung wird auf dem Beschluss vom 14.9.2005 Bl. 104 ff d.A.) verwiesen.
Gegen diesen ihr am 22.9.2005 zugestellten Beschluss richtet sich die beim Arbeitsgericht Berlin am 23.9.2005 eingegangene Beschwerde der Beklagten. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass die ordentlichen Gerichte zur Entscheidung des Rechtsstreits zuständig seien.
Der Kläger verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung.
Wegen des Inhalts der in der Beschwerdeinstanz gewechselten Schriftsätze wird auf Bl. 119 – 122 bzw. Bl. 130 – 134 d.A. verwiesen.
Das Arbeitsgericht Berlin hat mit Beschluss vom 23.1.2006 mit gleicher Kammerbesetzung wie am 14.9.2005 der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und gemeint, dass wegen des Grundsatzes der Selbstkontrolle der Abhilfe- bzw. Nichtabhilfebeschluss stets durch die gleiche Kammer zu erfolgen habe. Wegen des weiteren Inhalts des Nichtabhilfebeschlusses wird auf Bl. 137 – 139 d.A. verwiesen.
Entscheidungsgründe
II.
Auf die zulässige, insbesondere formgerecht und fristgemäß erhobene sofortige Beschwerde der Beklagten war der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 14.9.2005 aufzuheben und der Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht Berlin zu verweisen. Denn der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen ist nicht gegeben.
1.
Das Landesarbeitsgericht Berlin kann als Beschwerdegericht über die sofortige Beschwerde entscheiden, ohne vorher wegen der fehlerhaften Abhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts das Verfahren an das Arbeitsgericht zurück zu geben.
a) Denn das nach § 572 Abs. 1 Satz 1 ZPO geregelte Abhilfeverfahren ist seiner Funktion nach ein aus Gründen der Prozessökonomie vorgeschriebenes Vorverfahren. Die ordnungsgemäße Durchführung des Abhilfeverfahrens ist nicht Verfahrensvoraussetzung für das Beschwerdeverfahren oder für die Beschwerdeentscheidung selbst (zutreffend OLG Frankfurt 24.05.2002 MDR 2002, 1391; OLG Stuttgart 27.08.02 MDR 2003,110, Zöller/Gummer, ZPO, 25. Aufl., § 572 R...