Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit des GBR nach § 50 Abs. 1 BetrVG für unternehmenseinheitliche Entlohnungsgrundsätze. Präjudizielle Wirkung eines rechtskräftigen Beschlusses, mit dem GBR das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG aberkannt ist, auf Zustimmungsverweigerungsgründe des Einzelbetriebsrates wegen Eingruppierung
Leitsatz (amtlich)
1. Wendet ein Unternehmen in sämtlichen seiner Betriebe den gleichen Entlohnungsgrundsatz an, ist der Gesamtbetriebsrat gemäß § 50 Abs. 1 BetrVG zuständig für eine Änderung des bestehenden Entlohnungsgrundsatzes im Unternehmen.
2. Läßt der Gesamtbetriebsrat im Wege des Beschlußverfahrens klären, ob sein Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG bei einer behaupteten einseitigen Änderung des bisherigen Entlohnungsgrundsatzes durch das Unternehmen verletzt ist, so hat die rechtskräftige gerichtliche Entscheidung hierüber, daß ihm das Mitbestimmungsrecht im konkreten Fall nicht zusteht, weil vom Sachverhalt her eine Änderung des Entlohnungsgrundsatzes nicht vorliegt, präjudizielle Wirkung für die Einzelbetriebsräte sämtlicher Betriebe des Unternehmens.
3. Der Einzelbetriebsrat kann seine Zustimmung zur beabsichtigten Eingruppierung eines Arbeitnehmers nach § 99 BetrVG dann nicht mit der Begründung verweigern, die Eingruppierung erfolge unter Änderung des bisherigen Entlohnungsgrundsatzes, bei deren Einführung das Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG verletzt sei.
Normenkette
BetrVG § 50 Abs. 1, § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 99 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 23.06.1988; Aktenzeichen 20 BV 2/88) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der am 23.6.1988 verkündete Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin – 20 BV 2/88 – teilweise abgeändert:
- Es wird festgestellt, daß der Antragsgegner der Eingruppierung von Arbeitnehmern seine Zustimmung auch nicht mit der Begründung verweigern kann, die Eingruppierung entsprechend dem Rundschreiben des Bundesinnenministers (D III 1 – 220 200/21) vom 27.12.1983, modifiziert durch das Rundschreiben vom 19.2.1985, in eine „abgesenkte” Vergütungsgruppe verstoße gegen § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.
- Es wird weiter festgestellt, daß es künftig bei solchen Zustimmungsverweigerungen, die auf den in Ziff. 1) genannten Grund gestützt werden, der arbeitsgerichtlichen Ersetzung der Zustimmung des Antragsgegners nicht mehr bedarf.
II. Die Beschwerde des Antragsgegners wird zurückgewiesen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten streiten über Mitbestimmungsrechte des Antragstellers bei der Eingruppierung neu eingestellter Arbeitnehmer.
Der Antragsteller ist ein eingetragener Verein zur Förderung der Wissenschaften mit etwa 60 rechtlich unselbständigen Forschungsinstituten; er wird überwiegend aus öffentlichen Mitteln finanziert. Der Antragsgegner ist der im …-Institut gewählte Betriebsrat. Im Unternehmen des Antragstellers ist ein Gesamtbetriebsrat errichtet.
Der Antragsteller richtet sich bei der Eingruppierung neu eingestellter Arbeitnehmer inhaltlich nach der Absenkungsregelung aus dem Schreiben des Bundesministers des Inneren – D III 1 – 220 200/21 – vom 27. Dezember 1985. Für die Einzelheiten dieser Schreiben wird auf die bei den Akten befindlichen Fotokopien (Bl. 10 bis 24 d.A.) Bezug genommen. Die Betriebsräte der einzelnen Institute des Antragstellers stimmten der abgesenkten Vergütung in den meisten Fällen nicht zu. In den daraufhin eingeleiteten etwa 40 Zustimmungsersetzungsverfahren wurde gerichtlich in mehreren Fällen die Zustimmung des jeweiligen Einzelbetriebsrates zur Eingruppierung des betroffenen Arbeitnehmers in die abgesenkte Vergütungsgruppe ersetzt. In der Folgezeit sah der Antragsteller nach Absprache mit den Einzelbetriebsräten bzw. dem Gesamtbetriebsrat von der Einleitung weiterer Verfahren ab. Nach dem Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 27. Januar 1987 – 1 ABR 66/86 –, mit dem das BAG die Zustimmung des Einzelbetriebsrates nicht ersetzte, bestehen eine Reihe von Betriebsräten, wie auch der Antragsgegner, auf der Einleitung weiterer Zustimmungsersetzungsverfahren.
Der Antragsteller beantragte mit Schreiben vom 28. September 1987 die Zustimmung des Antragsgegners zur Einstellung und Eingruppierung des Arbeitnehmers in die Vergütungsgruppe V b BAT unter Anwendung des Absenkungserlasses. Der Antragsgegner, dem die vollständigen Unterlagen für den Einstellungsvorgang nicht vor dem 2. Oktober 1987 beim Antragsteller eingegangenen Schreiben vom Vortage der Einstellung des betroffenen Arbeitnehmers zu, widersprach aber der vorgesehenen Eingruppierung in die abgesenkte Vergütungsgruppe mit der Begründung, daß die Anwendung des Absenkungserlasses eine Änderung der bisher maßgebenden Vergütungsordnung sei, die dem Mitbestimmungsrecht des Gesamtbetriebsrates unterliege. Ferner hielt er die Kündigung der Anlagen 1 a und 1 b zum BAT nicht für rechtswirksam, da die Vergütungsordnung nur zusammen mit den §§ 22 bis 24 BAT wirksam hätte gekünd...