Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifvorbehalt eines Firmentarifvertrages. Tarifauslegung hinsichtlich des Begriffes Arbeitszeit. Wasch-, Wege- und Umkleidezeiten
Leitsatz (amtlich)
1. Zur Frage, ob und in welchem Umfange in einer Betriebsvereinbarung auf die gerichtliche „Anfechtung” eines Einigungsstellenspruches verzichtet worden ist.
2. Im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren kann ein Feststellungsantrag auf die Unwirksamkeit von Teilen des Einigungsstellenspruches beschränkt werden.
3. Wasch-, Wege- und Umkleidezeiten gehören im allgemeinen nicht zur betrieblichen Arbeitszeit.
Normenkette
BetrVG §§ 76, 77 Abs. 3, § 87 Abs. 1, 1 Nr. 2; ZPO § 256
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 05.12.1985; Aktenzeichen 41 BV 2/85) |
Tenor
Die befristete Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 5. Dezember 1985 – 41 BV 2/85 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
I.
Die Antragstellerin betreibt ein internationales Flugunternehmen. Antragsgegner ist der in der Station Berlin (West) für das Bodenpersonal gebildete Betriebsrat.
Der seit dem 1. Januar 1984 gültige Manteltarifvertrag Nr. 4 (Bodenpersonal), abgeschlossen zwischen der … einerseits und der Gewerkschaft öffentliche Dienste, Transport und Verkehr andererseits, sieht ab 1. April 1985 eine Verkürzung der wöchentlichen Grundarbeitszeit von 40 auf 37,5 Stunden vor.
Am 15., 16. und 17. März sowie am 30. und 31. März 1985 kam es in Berlin (West) zu Einigungsstellenverhandlungen mit dem Regelungsbereich „Konkrete Umsetzung der 37,5 Stunden-Woche und Festsetzung der täglichen Grundarbeitszeit für alle Abteilungen (Dienstpläne)”. In den Sitzungen vom 15. und 16. März 1985 war unter anderem Gesprächsgegenstand, ob die Umkleide- und für bestimmte Abteilungen auch die Waschzeiten mit zur Grundarbeitszeit gehörten. Zumindest in der Abteilung Maintenance wurde die Waschzeit als Bestandteil der Arbeitszeit betrachtet, was sich unter anderem aus einer Dienstanweisung vom 12. Juni 1980 (Bl. 70 d.A.) ergibt. Es soll ferner Aushänge gegeben haben, die die Länge der Waschzeit auf fünfzehn Minuten festlegten.
An 16. März 1985 erging über die abstrakte Rahmenfestsetzung zur Einführung der 37,5 Stunden-Woche ein Spruch der Einigungsstelle, der unter anderem folgende Regelungen enthalt:
„…
II.
Grundarbeitszeit
1. Als Grundarbeitszeit gilt für die Schichtdienst leistenden Mitarbeiter die Zeit vom Betreten des Dienstgebäudes (z.B. Hangar) bis zu seinem Verlassen und für die Normaldienst leistenden diejenige vom Betreten bis zum Verlassen des jeweiligen Dienstbereichs.
2. Für Träger von Dienst-, Arbeits- und Arbeitsschutzkleidung stellt die für deren An- bzw. Ablegen benötigte Zeit einen Bestandteil der Grundarbeitszeit dar, wobei den Beschäftigten der Abteilungen
Terminal Services (nur Check in und Load Control, Airport Ticket Office, Baggage Service, Clipper Club)
Cargo (nur agents)
City Ticket Office
Ramp Operations
je 5 min zu Beginn und bei Ende der Grundarbeitszeit
Fleet Service
Cargo (ohne agents und Administration)
Stores (plus Mitarbeiter Praxl)
Seat Shop
je 10 min zu Beginn und bei Ende der Grundarbeitszeit
Maintenance
Automotive
je 15 min zu Beginn und bei Ende der Grundarbeitszeit zu diesem Zweck zur Verfügung stehen.
3. Zusätzlich bildet eine am Ende der jeweiligen Schicht liegende Waschzeit von 10 min in den Abteilungen Maintenance und Automotive ebenfalls einen Bestandteil der Grundarbeitszeit.
…
IV.
Inkrafttreten
Die Betriebsvereinbarung tritt am 1. April 1985 in Kraft.
…”
In der Sitzung vom 30. März 1985 beanstandeten die von der Arbeitgeberseite benannten Beisitzer der Einigungsstelle Ziffer II der Regelung, insbesondere den Umfang und die Verteilung der Umkleide- und Waschzeiten der Abteilungen Maintenance und Automotive. Daraufhin schlossen die Betriebsparteien folgende Betriebsvereinbarung zur Änderung der Betriebsvereinbarung vom 16. März 1985 ab:
„…
§ 1
Die Parteien sind sich darüber einig, daß II 2 c nunmehr wie folgt lautet:
c) Maintenance (außer Supervisors)
Automotive
zu Beginn der Grundarbeitszeit 10 min und bei deren Ende 20 min zu diesem Zweck zur Verfügung stehen.
§ 2
II 3 der Betriebsvereinbarung und ersatzlos gestrichen.
§ 3
Beide Parteien sind sich darüber einig, daß die Betriebsvereinbarung vom 16. März 1985 nicht angefochten wird.
…”
Darauf aufbauend kamen Betriebsvereinbarungen bzw. Einigungsstellensprüche für die einzelnen Abteilungen zustande.
Mit der beim Arbeitsgericht Berlin am 12. Juli 1985 eingegangenen Antragsschrift hat die Antragstellerin die Feststellung begehrt, daß Ziffer II der Regelung vom 16. März 1985 in der Fassung der Betriebsvereinbarung vom 30. März 1985 hinsichtlich der Einführung von Umkleide- und Waschzeiten während der Arbeitszeit nichtig sei.
Die Betriebsvereinbarung vom 30. März 1985, so hat die Antragstellerin ausgeführt, enthalte eine durch § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nicht gedeckte Arbeitszeitverkürzung, die darin liege, daß sie das Umkleiden und das Waschen zu Bestandteilen der Arbeitszeit erkläre. Es sei den Tarifvertragsparteien ...