rechtskräftig
Entscheidungsstichwort (Thema)
Streitwertfestsetzung bei Anfechtung einer Betriebsratswahl
Leitsatz (amtlich)
Bei der Wertfestsetzung für betriebsverfassungsrechtliche Wahlanfechtungsverfahren ist aus Gründen der Rechtssicherheit im Rahmen des § 8 Abs. 2 BRAGO von typisierenden Grundsätzen auszugehen. Da die Legitimation des ganzen Betriebsrates in Rede steht, muß auch in kleineren Betrieben der Wert höher als der Regelwert angesetzt werden.
Die Bewertungsstaffel ist an der Staffel des § 9 BetrVG zu orientieren. Bei einem Betriebsrat mit einem Mitglied beträgt der Gegenstandswert in der Regel DM 9.000,–, für jedes weitere Betriebsratsmitglied erhöht sich der Gegenstandswert in der Regel um DM 1.500,–.
Normenkette
GKG § 8 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 08.08.1991; Aktenzeichen 36 BV 7/90) |
Tenor
Der Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 8. August 1991 – 36 BV 7/90 – wird auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 1–9 vom 4. November 1991 geändert.
Der Verfahrenswert wird zur anwaltlichen Gebührenberechnung auf DM 36.000,– festgesetzt.
Im übrigen wird die Beschwerde auf Kosten der Beschwerdeführerin nach einem Beschwerdewert von DM 520,– zurückgewiesen.
Gründe
Die Beschwerdeführerin vertritt die Beteiligten zu 1–9 in einem Beschlußverfahren wegen der Anfechtung der Betriebsratswahl 1990, bei der ca. 2.600 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wahlberechtigt waren. Es war ein Betriebsrat von 19 Mitgliedern zu wählen. Das Arbeitsgericht hat durch Beschluß vom 14.8.1990 – 36 BV 7/90 – über den Antrag entschieden.
Dem Anfechtungsverfahren ist ein einstweiliges Verfügungsverfahren im Beschlußverfahren vorausgegangen, in dem die Beschwerdeführerin u.a. die Beteiligten zu 1–7 wegen der Aufnahme in die Wählerliste vertreten hat.
Die Beschwerdeführerin hat mit Schriftsatz vom 13.8.1990 die Festsetzung des Verfahrenswertes für die anwaltliche Gebührenberechnung beantragt. Das Arbeitsgericht Berlin hat durch Beschluß vom 9.7.1991 den Verfahrenswert auf 30.000,– DM festgesetzt und ausgeführt, dieser Wert scheine im Hinblick auf die Anzahl der Mitglieder des Betriebsrates und das vorangegangene einstweilige Verfügungsverfahren angemessen.
Gegen diesen am 23.10.1991 zugestellten Beschluß wendet sich die Beschwerdeführerin mit ihrer am 6.11.1991 bei Gericht eingegangenen Beschwerde und begehrt die Wertfestsetzung auf 60.000,– DM. Sie bringt vor, es habe sich um ein umfangreiches Anfechtungsverfahren gehandelt, in dem Verstöße gegen die Vorschriften über das Wahlrecht, die Wählbarkeit und das Wahlverfahren geltend gemacht worden seien. Die Schwierigkeiten in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht seien durch das einstweilige Verfügungsverfahren nicht geringer geworden.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Die nach dem Beschwerdewert gemäß § 10 Abs. 3 BRAGO zulässige Beschwerde ist innerhalb der zweiwöchigen Beschwerdefrist bei Gericht eingegangen. Sie ist teilweise begründet.
Da im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren Gerichtsgebühren nicht erhaben werden (§ 12 Abs. 5 ArbGG), fehlt es an einem für die Gebührenberechnung der beauftragten Rechtsanwälte maßgebenden Gegenstandswert.
Die Bewertung des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit in betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten findet nach § 8 Abs. 2 BRAGO statt. Der Wert ist daher, da er nicht aus den dort angeführten Vorschriften der Kostenordnung entnommen werden kann und auch sonst nicht feststeht, nach billigem Ermessen zu bestimmen; in Ermangelung genügender tatsächlicher Anhaltspunkte für eine Schätzung ist der Gegenstandswert auf 6.000,– DM, nach Lage des Falles jedoch auch niedriger oder höher innerhalb des Rahmens von 300,– DM bis zu 1 Million DM anzunehmen (Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rz 263 m.w.Nachweisen). In diesem Rahmen sind für die Bewertung die Umstände des Einzelfalles, insbesondere die Bedeutung und der Umfang der Sache sowie der Arbeitsaufwand des Rechtsanwaltes zu berücksichtigen (Riedel-Sußbauer, BRAGO Komm., 6. Aufl., § 8 Rz 50).
In den Fällen der Anfechtung einer Betriebsratswahl hat die Rechtsprechung darüber hinaus als Wertbemessungsgrundlage die Zahl der wahlberechtigten Arbeitnehmer bzw. die Anzahl der zu wählenden Betriebsratmitglieder für die Bewertung des Verfahrensgegenstandes herangezogen (Wenzel DB 1977, S. 722 ff; Wenzel in GK-ArbGG, § 12 Rz 278 mit Beispielen aus der Rechtsprechung). Ausgangswert für die Feststellung des Verfahrenswertes von Wahlanfechtungsverfahren ist nicht der Durchschnittswert von 6.000,– DM gemäß § 8 Abs. 2 BRAGO, weil dies der Bedeutung dieser Beschlußverfahren im Verhältnis zu anderen betriebsverfassungsrechtlichen Streitigkeiten nicht gerecht würde. Im Interesse der Rechtssicherheit erscheint es geboten, für die Bewertung von Beschlußvorfahren typisierende Grundsätze zu entwickeln, die eine gleichförmige Rechtsanwendung ermöglichen. Hierbei ist bei der Wertfestsetzung von Wahlanfechtungsverfahren zu beachten, daß nach allgemeiner Meinung bereits für ...