Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Anfechtbarkeit einer Einstellungsentscheidung im Rahmen einer Vollstreckungsgegenklage

 

Leitsatz (amtlich)

Gegen Einstellungsentscheidungen nach § 769 ZPO findet in der Regel ein Rechtsmittel nicht statt, es sei denn, der Fall einer „greifbaren Gesetzwidrigkeit” liegt vor.

 

Normenkette

ZPO § 707 Abs. 2, § 719 Abs. 1, § 769; ArbGG § 62

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Beschluss vom 26.05.1989; Aktenzeichen 22 Ca 34/89)

 

Tenor

I. Die beim Rechtsmittelgericht am 14. Juni 1989 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den ihren Prozeßbevollmächtigten am 1. Juni 1989 zugestellten Beschluß des Arbeitsgerichts Berlin vom 26. Mai 1989 – 22 Ca 43/89 – wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

II. Für das Rechtsmittelverfahren wird der Wert des Beschwerdegegenstandes auf 1.000,– DM festgesetzt.

 

Gründe

Entgegen der im angefochtenen Beschluß erteilten Rechtsmittelbelehrung erweist sich die sofortige Beschwerde als unstatthaft, da § 793 ZPO Anwendung findet.

Bei einer Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO, wie vorliegend, kann das Prozeßgericht auf Antrag die Zwangsvollstreckung vorläufig einstellen, § 769 ZPO. Über die Anfechtbarkeit einer solchen Entscheidung sagt § 769 ZPO allerdings nichts (vgl. dazu neuestens: Künkel, MDR 1989, 309 ff), während die §§ 707 Abs. 2, 719 Abs. 1 ZPO ausdrücklich bestimmen, daß eine Anfechtung des Beschlusses nicht stattfindet.

Ob und inwieweit nach § 769 ZPO ergangene Entscheidungen anfechtbar sind, ist lebhaft umstritten (vgl. die Nachweise bei Teubner, NJW 1974, 301; Baumbach/Lauterbach/Hartmann, ZPO, 47. Aufl. 1989, § 769 Anm. 3 B). Die vertretenen Auffassungen reichen von der unbeschränkten Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bei voller sachlicher Überprüfbarkeit über die unbeschränkte Beschwerdefähigkeit bei sachlich auf Gesetzesverletzungen oder rechtsfehlerhafte Ermessensausübung beschränkter Überprüfbarkeit bis zur grundsätzlichen Unzulässigkeit der Beschwerde mit ausnahmsweiser Zulässigkeit bei „greifbarer Gesetzwidrigkeit”. Danach kann eine nach den gesetzlichen Vorschriften unanfechtbare Entscheidung allenfalls dann ganz ausnahmsweise mit der Beschwerde angreifbar sein, wenn sie jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt und inhaltlich dem Gesetz fremd ist (vgl. OLG Frankfurt v. 21.7.1988, JurBüro 1988, Spalte 1572; OLG München, FamRZ 1988, 1189 m.w.N.; Stein/Jonas/Grunsky, ZPO, 20. Aufl., Allgemeine Einleitung vor § 511 Rn. 45.)

Das Beschwerdegericht hat schon mehrfach, so zuletzt in einer Entscheidung vom 31. Juli 1987 – 9 Ta 8/87 –, die Auffassung vertreten, daß gegen Einstellungsentscheidungen gemäß § 769 ZPO ein Rechtsmittel grundsätzlich nicht statthaft ist, es sei denn, der Beschwerdeführer legt die tatsächlichen Voraussetzungen schlüssig dar, aus denen sich eine „greifbare Gesetzwidrigkeit” ergibt. Die Unanfechtbarkeit einer solchen Entscheidung folgt aus der analogen Anwendung von § 707 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Nach dieser Norm unterliegt in Fällen der Wiedereinsetzung und Wiederaufnahme des Verfahrens eine gerichtliche Entscheidung über die Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht der Anfechtung. Entsprechendes gilt nach § 719 Abs. 1 ZPO in Fällen des Einspruchs oder der Berufung gegen ein vorläufig vollstreckbares Urteil. Dieselbe Regelung muß aber auch bei Entscheidungen über die Einstellung der Zwangsvollstreckung im Fall der Erhebung einer Vollstreckungsgegenklage bezüglich einer einstweiligen Anordnung gelten. Eine vorläufige Maßnahme nach § 769 ZPO ist ebenso wie die nach den §§ 707, 719 ZPO keine zwangsvollstreckungsrechtliche Entscheidung im eigentlichen Sinne von § 793 ZPO. Sie dient vielmehr ausschließlich der Sicherung einer künftigen Entscheidung und soll verhindern, daß dieser durch schon vorgetroffene Vollstreckungsmaßnahmen die Grundlage entzogen wird. Die unbeschränkte Zulässigkeit einer Anfechtung würde nicht nur zu einer Verzögerung, sondern auch zu einer Präjudizierung der erstinstanzlichen Entscheidung in der Hauptsache und zu einer mit einer vorläufigen Maßnahme unvereinbaren Bindungswirkung führen (vgl. dazu auch OLG Bamberg vom 18.1.1989, JurBüro 1989, Spalte 874).

Von einer greifbaren Gesetzwidrigkeit, die ausnahmsweise zur Statthaftigkeit eines solchen Rechtsmittels führen kann, kann vorliegend keine Rede sein. Unter Bezugnahme auf eine Entscheidung des LAG Hamm vom 7.2.1980 (DB 1980, 792) hat das Arbeitsgericht die Auffassung vertreten, daß im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Einstellung nach § 769 ZPO nur unter den besonderen Voraussetzungen des § 62 Abs. 1 ArbGG in Betracht komme (so auch Grunsky, ArbGG, 5. Aufl. 1987, § 62 Rn. 7), so daß die beklagte Partei glaubhaft zu machen hätte, daß ihr die Zwangsvollstreckung einen nicht ersetzenden Nachteil bringen würde. Anderer Ansicht nach (vgl. LAG Köln v. 16.6.1983, DB 1983, 1827; LAG Baden-Württemberg vom 22.12.1986, NZA 1988, 40) soll das Gegenteil gelten, wobei zutreffend darauf hingewiesen wird, daß § 62 Abs. 1 ArbGG lediglich die Zwangsvollstreckung aus v...

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