Zulassung: Rechtsbeschwerde

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei Veränderung der Vergütungsstruktur

 

Leitsatz (redaktionell)

Schließt ein Arbeitgeber betriebseinheitlich mit allen neu eingestellten Arbeitnehmern nur noch Arbeitsverträge ab, in denen bisher gezahlte Zulagen und Zuschläge nicht mehr enthalten sind, so liegt darin die Einführung eines modifizierten Vergütungsschemas. Damit ist das bisherige Vergütungssystem, das hinsichtlich Eingruppierung und Vergütung auf einen Tarifvertrag Bezug nahm, nicht lediglich bezüglich der Entgelthöhe geändert worden, sondern insgesamt eine Änderung der Vergütungsstruktur vorgenommen worden. Die Nichtbeteiligung des Betriebsrats verletzt das zur Wahrung und Sicherung der innerbetrieblichen Lohngerechtigkeit bestehende Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Ziff. 10

 

Verfahrensgang

ArbG Berlin (Urteil vom 16.06.2005; Aktenzeichen 38 BV 4680/05)

 

Tenor

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16. Juni 2005 – 38 BV 4680/05 – wird zurückgewiesen.

II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I.

Die Beteiligten streiten über Bestand und Inhalt eines Mitbestimmungsrechts des antragstellenden Betriebsrats, des Beteiligten zu 1), in Fragen der Änderung und Absenkung der Entlohnung neu eingestellter Mitarbeiter.

Die Arbeitgeberin, die Beteiligte zu 2) beschäftigt in Behinderteneinrichtungen in Berlin etwa 650 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Der zwischen ihr und der ÖTV vom 19. Mai 1994 geschlossenen Haustarifvertrag, der auf die für die Angestellten und Arbeiter des Landes Berlin maßgeblichen tariflichen Vorschriften des BAT bzw. BMT G II sowie in der Anlage 1 und 2 diese ergänzenden tariflichen Regelungen Bezug nahm mit Ausnahme bestimmter in §§ 3 benannter Abweichungen vom Bundestarifrecht, hat sie zum 31. März 2004 gekündigt. Verhandlungen über den Neuabschluss eines Haustarifvertrages sind gescheitert. Seit 1. April 2004 vereinbart die Beteiligte zu 2) mit befristet oder unbefristet neu eingestellten Arbeitnehmern eine Vergütung in Anlehnung an das Vergütungssystem des BAT, wobei die Eingruppierung sich ausschließlich nach den Eingruppierungsmerkmalen des BAT richtet, die Vergütungshöhe aber auf 97 % der Vergütungshöhe aus den Anlagen 1 c und 5 c zum Vergütungstarifvertrag Nr. 34 begrenzt ist. Zulagen oder Zuschläge werden mit Ausnahme eines Zeitzuschlages für zwischen 22.00 und 6.00 Uhr geleistete Nachtarbeit nicht mehr bezahlt.

Nach Auffassung des Beteiligten zu 1) hat die Beteiligte zu 2) unter Verstoß gegen sein Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG damit eine neue Vergütungsstruktur eingeführt, weil mit dem Wegfall der Wechselschicht- und Schichtzulage, der Sonn- und Feiertagszuschläge sowie der Heimzulage nicht lediglich die Vergütung der neu eingestellten Mitarbeiter abgesenkt, sondern neue Entlohnungsgrundsätze aufgestellt würden.

Dem gegenüber hat die Beteiligte zu 2) die Auffassung vertreten, die vorgenommene Absenkung der Vergütungshöhe für neu eingestellte Arbeitnehmer sei mitbestimmungsfrei, ebenso wie die Einstellung freiwilliger Zulagen und sonstiger freiwilliger Leistungen.

Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten in der ersten Instanz wird auf den Inhalt der zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Durch Beschluss vom 16. Juni 2005 – 38 BV 4680/05 – hat das Arbeitsgericht Berlin der Arbeitgeberin antragsgemäß aufgegeben, es zu unterlassen, die betriebliche Lohngestaltung und Entlohnungsgrundsätze durch Vorlage neuer Arbeitsverträge mit Wirkung ab 1. April 2004 ohne Gewährung von Schichtzulagen nach BAT, ohne Gewährung von Sonn- und Feiertagszuschlägen nach BAT sowie ohne Gewährung einer Heimzulage (nach BAT) gegenüber dem bis zum 31. März 2004 vereinbarten Vergütungssystem abzuändern, ohne zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt zu haben oder dass eine Einigungsstelle eine solche Regelung getroffen hat und der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld von 10.000,– EUR, ersatzweise Ordnungshaft, zu vollziehen an dem jeweiligen organschaftlichen Vertreter der Beteiligten zu 2) angedroht. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Beteiligte zu 2) habe die Strukturformen des Entgelts, zu denen auch die bisher gezahlten Zulagen und Zuschläge gehörten, geändert; insoweit stehe dem Betriebsrat ein Mitbestimmungsrecht gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG zu. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses (Bl. 52-57 d.A.) verwiesen.

Gegen diesen ihr am 1. Juli 2005 zugestellten Beschluss hat die Beteiligte zu 2) mit am 15. Juli 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenem Schriftsatz Beschwerde eingelegt und diese mit am 1. September 2005 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet. Sie wiederholt und vertieft ihre Auffassung, dass nach Ende der Tarifbindung der Beteiligten zu 2) eine Verpflichtung, Zuschläge u...

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