Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung einer Einigungsstelle zu Interessenausgleich und Sozialplan oder nur zum Interessenausgleich. Auswahl des Vorsitzenden
Leitsatz (amtlich)
1) Es obliegt dem Ermessen der Einigungsstelle, die Verhandlungen über den Interessenausgleich und den Sozialplan miteinander zu verbinden oder auch nicht.
Hieraus folgt, dass für den Fall, dass auch nur eine der Betriebsparteien im Bestellungsverfahren gem. § 98 ArbGG eine gemeinsame Verhandlung von Interessenausgleich und Sozialplan im Rahmen einer Einigungsstelle erstrebt, das Arbeitsgericht einem hierauf gerichteten (Wider-) Antrag zu entsprechen und eine Einigungsstelle zu beiden Regelungsgegenständen zu bestellen hat.
2) Das von d. jeweiligen Bet. zu 1) für die Einsetzung ihres/seines Wunschkandidaten angeführte „Müller-Prinzip” (Wer zuerst kommt, mahlt zuerst) ist kein in jedem Fall taugliches Auswahlkriterium.
Als rein formales Argument erleichtert es dem Gericht zwar die Auswahlentscheidung; eine entsprechende Praxis birgt aber die auf der Hand liegende Gefahr, dass die Betriebsparteien aus steter Sorge, beim Bestellungsverfahren nur „zweiter Sieger” zu werden, die Verhandlungen im Vorfeld einer Einigungsstelle nicht mit der notwendigen Unbefangenheit und Intensität durchführen.
Normenkette
ArbGG § 98; BetrVG §§ 111-112
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Beschluss vom 16.12.2005; Aktenzeichen 76 BV 25785/05) |
Tenor
I.
Auf die Beschwerde des Betriebsrats und Beteiligten zu 2) und unter Zurückweisung der Anschlussbeschwerde der Arbeitgeberin und Beteiligten zu 1) wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 16.12.2005 – 76 BV 25785/05; WA: 76 BV 26552/05 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Vorsitzende Richter am Landesarbeitsgericht Berlin Dr. G. B. wird zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Verhandlung eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans im Betrieb der Beteiligten zu 1) bestellt und die Anzahl der von jeder Seite zu benennenden Beisitzer auf 3 festgesetzt.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist nicht statthaft.
Tatbestand
I.
Die Beteiligten (Arbeitgeberin und Betriebsrat der Firma J. V. M. Europe GmbH) streiten in der Beschwerdeinstanz weiterhin primär darüber, ob nach dem Scheitern entsprechender innerbetrieblicher Verhandlungen zu den von der Arbeitgeberin für ihren Berliner Betrieb beabsichtigten betriebsändernden Maßnahmen „Einstellung der Produktion” und „Umstrukturierung/ Leistungsverdichtung im Bereich der Verwaltung” eine Einigungsstelle nur zur Verhandlung eines Interessenausgleichs (so der Antrag der Arbeitgeberin) oder zugleich auch über die Verhandlung eines Sozialplans (so der Widerantrag des Betriebsrats) zu bilden ist.
Des Weiteren streiten sich die Beteiligten über die Person des Vorsitzenden (Arbeitgeberin: VRi LAG Bln. Dr. R. P.; Betriebsrat: VRi LAG Bln. Dr. G. B.) sowie über die Zahl der von jeder Seite in die Einigungsstelle(n) zu entsendenden Beisitzer (Arbeitgeberin: 2; Betriebsrat:
4).
Mit Beschluss vom 14.12.2005 hat das Arbeitsgericht Berlin folgende Entscheidung getroffen:
- Zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle zur Verhandlung über einen Interessenausgleich/ Feststellen des Scheiterns der Verhandlungen wird der Vorsitzende Richter am LAG Berlin Dr. G. B. bestellt.
- Die Zahl der von den Beteiligten jeweils zu benennenden Beisitzer wird auf drei festgesetzt.
- Der Vorsitzende Richter am LAG Berlin Dr. G. B. wird zum Vorsitzenden einer weiteren Einigungsstelle im Betrieb der Antragstellerin zum Zwecke des Abschlusses eines Sozialplans wegen betriebsändernder Maßnahmen bestellt.
- Die Anzahl der von jeder Anzahl zu benennenden Beisitzer (wird) auf drei festgesetzt.
- Der Streitwert wird auf 4.000,00 EUR festgesetzt.
Das Arbeitsgericht erachtet sowohl den Antrag der Arbeitgeberin auf Einsetzung einer Einigungsstelle nur wegen eines Interessenausgleichs bzw. der Feststellung des Scheiterns entsprechender Verhandlungen für ebenso zulässig und begründet wie den Widerantrag des Betriebsrats auf Einsetzung einer Einigungsstelle wegen eines Interessenausgleichs und eines Sozialplans. Es gebe allerdings grundsätzlich keinen Anspruch darauf, dass beide Regelungsgegenstände in einer einheitlichen Einigungsstelle verhandelt und entschieden werden, wenngleich dies aus inhaltlichen, zeitlichen und finanziellen Gründen zweckmäßig erscheine. Der Betriebsrat habe auch nicht näher dargelegt, warum die Verhandlung beider Regelungsgegenstände in einem Verfahren zwingend geboten erscheint.
Wegen der Einzelheiten der Begründung zu diesem Punkt sowie den tragenden Gesichtspunkten zur Auswahl der Person des Vorsitzenden und der Anzahl der Beisitzer wird auf den Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses Bezug genommen (Bl. 58 – 66 d. A.).
Gegen diesen dem Betriebsrat am 16.12.2005 zugestellten Beschluss richtet sich sowohl dessen bei dem Landesarbeitsgericht am 30.12.2005 eingegangene und zugleich begründete Beschwerde als auch die am 18.01.2006 bei dem Landesarbeitsgericht eingegangene und zugleich begründete Anschlussbeschwe...