Entscheidungsstichwort (Thema)
Heilung fehlender Zustellung im Parteibetrieb nur durch gewollte Zustellung des Vergleichs als Vollstreckungstitel. Zustellung des Vollstreckungstitels von Amts wegen
Leitsatz (amtlich)
Die Ersetzung bzw. Heilung der fehlenden Zustellung eines gerichtlichen Vergleichs im Parteibetrieb als Voraussetzung für die Zwangsvollstreckung nach § 750 Absatz 1 ZPO durch die Zustellung des Vergleichs als Anlage zum Vollstreckungsantrag kommt nur in Betracht, wenn mit der Zustellung des Vollstreckungsantrages von Amts wegen zugleich der Vergleich als Vollstreckungstitel zugestellt werden sollte (hier verneint).
Normenkette
ZPO §§ 91a, 189, § 191 ff., § 750 Abs. 1, § 794 Abs. 1 Nr. 1, §§ 795, 888; ArbGG § 62 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Brandenburg (Entscheidung vom 14.02.2022; Aktenzeichen 1 Ga 3/21) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel vom 14. Februar 2022 - 1 Ga 3/21- abgeändert:
Der Antrag des Gläubigers auf Feststellung der Erledigung des Zwangsvollstreckungsantrages vom 22. November 2021 wird zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Verfahrens hat der Gläubiger zu tragen.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. In dem dem Zwangsvollstreckungsverfahren vorausgegangenen einstweiligen Verfügungsverfahren vor dem Arbeitsgericht Brandenburg an der Havel schlossen die Parteien in der mündlichen Verhandlung am 21. Juli 2021 einen Vergleich über die Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses zum 30. September 2021. Ferner enthält der am 23. Juli 2021 bestandskräftig gewordene Vergleich unter anderem folgende Regelungen:
"6. Die Beklagte wird dem Kläger umgehend nach der Bestandskraft des Vergleichs ein wohlwollendes, auf Leistung- und Verhalten bezogenes Zwischenzeugnis mit einer der Gesamtnote "gut bis sehr gut" entsprechenden Führungs- und Leistungsbeurteilung mit entsprechenden Zwischenbenotungen sowie folgender Schlussformel:
"..."
erteilen.
7. Zum Beendigungszeitpunkt erteilt die Beklagte dem Kläger ein auf Leistung und Führung bezogenes Endzeugnis, welches hinsichtlich der Leistungs- und Verhaltensbewertung sowie der Benotung dem Zwischenzeugnis entspricht. Das Endzeugnis endet mit der üblichen Dankes- und Bedauerns- und Wunschformel. Sowohl Zwischen- als auch Endzeugnis übersendet die Beklagte dem Kläger auf Kosten der Beklagten."
Am 16. November 2021 beantragte der Gläubiger beim Arbeitsgericht eine vollstreckbare Ausfertigung des Vergleichs, die ihm am 18. November 2021 erteilt wurde. Mit am 25. November 2021 beim Amtsgericht Nauen eingegangenen Schriftsatz vom 22. November 2021 hat der Gläubiger die Anordnung eines Zwangsgeldes, ersatzweise Zwangshaft gegen die Schuldnerin beantragt, weil diese ihrer Verpflichtung zur Erteilung eines Endzeugnisses nach der Nummer 7 des Vergleichs nicht nachgekommen sei, und dem Antrag unter anderem eine Kopie des Vergleichsprotokolls als Anlage Ast 1 sowie die vollstreckbare Ausfertigung beigefügt. Am 13. Januar 2022 hat der Vorsitzende der Kammer 1 des Arbeitsgerichts Brandenburg an der Havel, an das das Amtsgericht das Zwangsvollstreckungsverfahrens am 10. Januar 2022 verwiesen hatte, die Zustellung des Zwangsvollstreckungsantrags an die Schuldnerin verfügt und ihr Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zehn Tagen gegeben. Zugleich hat er darauf hingewiesen, dass die allgemeinen Voraussetzungen für die Vollstreckung (Titel, vollstreckbare Ausfertigung und Zustellung) gegeben seien. Wegen der Einzelheiten wird auf die Verfügung vom 13. Januar 2021 (Blatt 119 der Akten) verwiesen. Der Antrag ist der Schuldnerin am 18. Januar 2022 zugestellt worden.
Bereits im November/Dezember 2021 hatte die Schuldnerin vergeblich versucht, dem Gläubiger ein der Nummer 7 des Vergleichs entsprechendes Endzeugnis zunächst als Übergabeeinschreiben und, nachdem der Gläubiger nicht angetroffen worden war und die Sendung auch nicht abgeholt hatte, über dessen Prozess- und aktuellen Verfahrensbevollmächtigten zu übersenden. Letzter Versuch scheitere ebenfalls, weil der Verfahrensbevollmächtigte des Gläubigers es ablehnte, das Zeugnis an den Gläubiger weiterzuleiten. Schließlich übersandte die Schuldnerin dem Gläubiger das Endzeugnis als Einwurfeinschreiben. Die Sendung ging dem Gläubiger am 28. März 2022 zu.
Mit Beschluss vom 14. Februar 2022 hat das Arbeitsgericht gegen die Schuldnerin ein Zwangsgeld in Höhe von 5.000,00 Euro festgesetzt, ersatzweise für je 250,00 Euro einen Tag Zwangshaft, zu vollziehen an dem Geschäftsführer der Schuldnerin. Am 18. März 2022 hat die Schuldnerin gegen diesen ihr am 8. März 2022 zugestellten Beschluss beim Arbeitsgericht sofortige Beschwerde eingelegt. Mit Beschluss vom 5. April 2022 hat das Arbeitsgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, da keine Anhaltspunkte gegeben seien, dass die Schuldnerin ihre Verpflichtung zwischenzeitlich erfüllt habe, und die Beschwerde dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt.
Mit Schriftsatz vom 13. Mai 2022 hat der G...