Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfügungsgrund bei Befriedungs- oder Leistungsverfügung im Eilverfahren. Arbeitsrechtlicher Gleichbehandlungsanspruch als Anspruchsgrundlage im Arbeitsrecht
Leitsatz (redaktionell)
1. Begehrt der Antragsteller im Eilverfahren eine Befriedungs- oder Leistungsverfügung, bei deren Erfüllung eine Rückgängigmachung nicht mehr möglich ist, wird vorausgesetzt, dass dem Antragsteller aus der Nichtleistung Nachteile drohen, die schwer wiegen und außer Verhältnis zu einem potentiellen Schaden des Antragsgegners stehen.
2. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz verbietet die sachfremde Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer gegenüber anderen Arbeitnehmern in vergleichbarer Lage ebenso wie eine sachfremde Bildung von Arbeitnehmergruppen. Der Arbeitgeber ist hiernach an ein Verhalten gebunden, wenn er Vorteile gewährt, mit denen er die betriebliche Ordnung gestaltet, soweit er dabei erkennbar selbst gesetzten abstrakten Regeln und generalisierenden Prinzipien folgt.
Normenkette
ZPO §§ 935, 940; LADG § 3 Abs. 1; ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. c); AGG § 15 Abs. 1 S. 1; IfSG § 20a; DSGVO Art. 9
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 29.06.2022; Aktenzeichen 56 Ga 6128/22) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 29. Juni 2022 - 56 Ga 6128/22 - wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes den Zutritt zu einem Sommerfest der Antragsgegnerin ohne Einhaltung des von ihr vorgegebenen Hygienekonzepts.
Er ist Mitglied der "G. Gewerkschaft". Der Antragsteller ist seit 2008 im Geschäftsbereich IT der Antragsgegnerin beschäftigt.
Zu dem von der Antragsgegnerin für den heutigen Freitag, 1. Juli 2022, geplanten Sommerfest konnten sich ihre Beschäftigten ab 1. Juni 2022 anmelden und eine Eintrittskarte erwerben, was der Antragsteller tat. Das Sommerfest soll in der K. stattfinden. Es ist lediglich für Beschäftigte der Antragsgegnerin eröffnet. Als Zugangsregelungen legte die Antragsgegnerin fest, es sei eine gültige, vollständige Impfung und/oder Genesung inklusive einer Auffrischungsimpfung, falls sechs Monate seit Genesung/Grundimmunisierung vergangen sind, sowie ein tagesaktueller, negativer Antigen-Schnelltest erforderlich.
Im Rahmen von Vorkorrespondenz lehnte die Antragsgegnerin das Ansinnen des Antragstellers, ihm ohne Einhaltung dieser Voraussetzungen Zugang zum Sommerfest zu gewähren, ab.
Der Antragsteller hat sich hinsichtlich der Möglichkeit der Vertretung durch die "G. Gewerkschaft" auf § 11 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) gestützt. Er hat die Auffassung vertreten, es fehle an einer Rechtsgrundlage für die von der Antragsgegnerin aufgestellten Zugangsvoraussetzungen. Bei dem Veranstaltungsort K. handele es sich nicht um eine Einrichtung im Sinne von § 23 Abs. 3 Infektionsschutzgesetz (IfSG). Der Nachweispflicht des § 20a IfSG unterliege er als Technischer Mitarbeiter nicht, da ausweislich der Gesetzesbegründung die dort geregelte Nachweispflicht nur auf Personen anwendbar sei, soweit ein Kontakt zu näher benannten vulnerablen Menschen möglich sei. Weiter hat er argumentiert, die Zugangsbeschränkungen seien diskriminierend nach dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG), da sie Ausnahmen etwa für schwerbehinderte Menschen, chronisch Kranke oder Schwangere nicht vorsähen. Weiter fehle es an einer Grundlage für die Verarbeitung der mitzuteilenden Gesundheitsdaten.
Die gesteigerte Dringlichkeit ergebe sich daraus, dass mit einer Entscheidung in der Hauptsache bis zum Zeitpunkt des Sommerfestes nicht zu rechnen sei.
Der Antragsteller hat beantragt,
der Antragsgegnerin aufzugeben, ihm den Zugang zu ihrem Sommerfest am 01.07.2022 zu ermöglichen, ohne den Nachweis einer gültigen, vollständigen Impfung und/oder Genesung, inklusive einer Auffrischungsimpfung, falls sechs Monate seit Genesung/Grundimmunisierung vergangen sind, sowie zusätzlicher tagesaktueller, negativer Antigen-Schnelltest.
Die Antragsgegnerin hat beantragt,
den Antrag zurückzuweisen.
Sie hat die Postulationsfähigkeit der "G. Gewerkschaft" im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetztes bezweifelt und die Erteilung einer Hauptvollmacht für diese gerügt. Weiter ist sie der begehrten einstweiligen Verfügung in der Sache entgegengetreten und hat insbesondere das Vorliegen eines Verfügungsanspruchs in Abrede gestellt. Der vom Antragsteller vermissten Rechtsgrundlage für die Zugangsbeschränkungen bedürfe es für eine geschlossene Veranstaltung nicht; diese leite sie vielmehr aus ihrem Hausrecht her. Soweit der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz einschlägig sei, stehe die Veranstaltung sämtlichen Beschäftigten im Rahmen des limitierten Plätzekontingents offen, und auch der Antragsteller habe unstreitig auf seine Anmeldung hin eine Karte erhalten. Das von ihr aufgestellte Hygienekonzept wiederum gelte ebenfalls für alle potentiellen Gäste gleichermaßen. Die in § 20a IfSG geregelte Impfpflicht ...