Entscheidungsstichwort (Thema)

Abmahnung. Lohneinbehalt. Betriebsratsmitglieder. Anforderungen an das Verfahren bei Geltendmachung von Gegenstandsloserklärung von Abmahnungen und Rückgängigmachen von Lohneinbehalt wegen Teilnahme an einer Schulung von Betriebsratsmitgliedern

 

Leitsatz (amtlich)

Der Anspruch von Betriebsratsmitgliedern auf Gegenstandsloserklärung von Abmahnungen und des Rückgängigmachens von Lohneinbehalt wegen aus Sicht der Arbeitgeberin nicht erforderlicher Schulungsteilnahme hat im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren zu erfolgen. Daran ändert auch eine Bezugnahme auf § 78 BetrVG nichts.

 

Normenkette

ArbGG §§ 2, 2 a; BetrVG § 78

 

Verfahrensgang

ArbG Potsdam (Entscheidung vom 07.07.2011; Aktenzeichen 2 BV 16/11)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Beteiligten zu 1. und 2. gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 7. Juli 2011 - 2 BV 16/11 - wird zurückgewiesen.

II. Auf die sofortige Beschwerde des Beteiligten zu 3. wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Potsdam vom 7. Juli 2011 - 2 BV 16/11 - teilweise abgeändert. Die Anträge des Betriebsrates sind im arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren zu behandeln.

III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Beteiligten zu 1. und 2. sind bzw. waren Mitglieder des Beteiligten zu 3., dem in der Filiale 704 der Beteiligten zu 4. gebildeten Betriebsrat. Die Beteiligte zu 4. (im folgenden Arbeitgeberin) ist ein Unternehmen eines weltweit tätigen Konzerns des Textileinzelhandels mit deutschlandweit über 300 betriebenen Filialen.

In dem Verfahren 2 BV 4/11 stritten die Beteiligten wohl um die Berechtigung der Teilnahme an Schulungsmaßnahmen im Rahmen des § 37 Abs. 6 BetrVG (Die hiesige Akte beginnt mit dem Protokoll der Sitzung vom 5. Mai 2011 und dem Original des Schriftsatzes der Rechtsanwälte Berger vom 2. Mai 2011). Mit beim Arbeitsgericht eingegangenen Anträgen vom 2. Mai 2011 haben - nach der Klarstellung im Schriftsatz vom 5. Dezember 2011 - die Beteiligten zu 1. bis 3. zweimal zwei weitgehend identische Anträge gestellt. Mit diesen soll der Arbeitgeberin einmal aufgegeben werden, eine am 27. Dezember 2010 gegenüber der Beteiligten zu 1. ausgesprochene Abmahnung für gegenstandslos zu erklären und aus ihrer Personalakte zu entfernen sowie eine gegenüber der Beteiligten zu 2. am 1. Dezember 2010 ausgesprochene Abmahnung für gegenstandslos zu erklären und aus der Personalakte der Beteiligten zu 1. zu entfernen, wobei es sich bei letzterer Bezeichnung wohl um einen offensichtlichen Schreibfehler handeln dürfte. Nach den Ausführungen auf Seite 21 des Schriftsatzes vom 2. Mai 2011 handelte es sich jeweils um mündliche Abmahnungen.

Zum anderen soll der Arbeitgeberin aufgegeben werden, einen infolge einer Seminarteilnahme der Beteiligten zu 1. und 2. im November 2010 erfolgten Lohnabzug in Höhe von 248,70 EUR brutto für die Beteiligte zu 1. und 252,55 EUR brutto für die Beteiligte zu 2. rückgängig zu machen und den jeweiligen Betrag an die Beteiligten zu 1. bzw. 2. auszuzahlen. Der Lohnabzug erfolgte nach den Ausführungen auf Seite 21 des Schriftsatzes vom 2. Mai 2011 jeweils mit der Januarabrechnung 2011, nach dem Vortrag auf Seite 22 des Schriftsatzes mit der Begründung, dass die Beteiligten zu 1. und 2. wegen der Seminarteilnahme ihre Arbeitspflicht verletzt hätten.

Sodann hatte das Arbeitsgericht das Verfahren hinsichtlich der Antragserweiterung wohl mit Beschluss vom 5. Mai 2011 abgetrennt und es unter dem Aktenzeichen 2 BV 16/11 fortgeführt.

Mit Beschluss vom 7. Juli 2011 hat das Arbeitsgericht Potsdam das Verfahren hinsichtlich der Anträge zu 3., 4., 5. und 6. aus dem Antragsschriftsatz vom 2. Mai 2011 ins Urteilsverfahren verwiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass mit diesen Anträgen die Beteiligten zu 1. und 2. die Rechtswidrigkeit von Lohnabzügen und Abmahnungen aus Anlass der Teilnahme an einer Fortbildungsveranstaltung geltend machen würden. Da es sich somit um Ansprüche handele, die mit dem Arbeitsverhältnis in rechtlichem und wirtschaftlichem Zusammenhang stehen würden, sei nach § 2 Abs. 1 Nr. 4a ArbGG sei das arbeitsgerichtliche Urteilsverfahren die zutreffende Verfahrensart. Dass die Beteiligten zu 1. und 2. Betriebsratsmitglieder seien, führe zu keinem anderen Ergebnis. Eine Angelegenheit nach § 2a ArbGG sei nicht festzustellen.

Gegen diesen den Vertretern der Antragsteller am 18. Juli 2011 zugestellten Beschluss legten diese am 25. Juli 2011 namens und in Vollmacht des Beteiligten zu 1. bis 3. sofortige Beschwerde ein.

Zur Begründung führten sie aus, dass es sich um eine betriebsverfassungsrechtliche Streitigkeit zwischen dem Betriebsrat sowie den Beteiligten zu 1. und 2. mit der Arbeitgeberin handele. Es gehe um die Reichweite der Freistellungsrechte nach § 37 Abs. 2 BetrVG und um die Behinderung der Betriebsratsarbeit nach § 78 BetrVG durch Lohnabzüge und Abmahnungen. Der Streit wurzele im betriebsverfassungsrechtlichen Behinderungsverbot nach § 78 BetrVG.

Am 18. August 2011 beschloss das Arbeitsgericht Potsdam, der sofor...

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