Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung von Reisekosten für die Beauftragung eines Arbeitgeberverbands als Prozessbevollmächtigten
Leitsatz (redaktionell)
Die in § 12a Abs. 1 S. 1 ArbG geregelte Ausnahme von dem Grundsatz, dass im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch auf Kostenerstattung der obsiegenden Partei für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht, ist nicht in den Rechtsmittelinstanzen anzuwenden. Gleiches gilt auch für die vor dem Arbeitsgericht der Partei entstehenden Reisekosten.
Normenkette
ZPO § 91 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Neuruppin (Entscheidung vom 26.09.2023; Aktenzeichen 5 Ca 168/21) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Neuruppin vom 26. September 2023 - 5 Ca 168/21 - aufgehoben.
2. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens, an das Arbeitsgerichts zurückverwiesen.
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts werden nicht erhoben.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Beklagte verlangt von dem Kläger die Erstattung von Reisekosten, die ihr durch die Beauftragung eines Arbeitgeberverbands als Prozessbevollmächtigten entstanden sind.
Sie wendet sich mit ihrer Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts, mit dem ihr Antrag auf Ausgleichung von Reisekosten ihrer Prozessbevollmächtigten mit der Begründung zurückgewiesen worden ist, dass die Reisekosten von Verbandsvertretern nicht erstattungsfähig seien. Die Beklagte war durch einen Arbeitgeberverband, der Kläger war durch den DGB vertreten.
Die Beklagte hat die Reisekosten der Verbandsvertretung für die Teilnahme an Terminen vor dem Arbeitsgericht Neuruppin am 9. April 2021 und 30. Juni 2021 für Fahrten von Stade zum Arbeitsgericht (begrenzt auf die Kosten einer Anreise von Hamburg-​Harburg zum Arbeitsgericht), für die An- und Abreise zum und vom Termin bei dem Landesarbeitsgericht am 11. März 2023 und für die Fahrt zur Wahrnehmung des Termins am 25. Januar 2023 beim Bundesarbeitsgericht von Stade nach Erfurt und zurück zur Ausgleichung eingebracht, wobei sie nur die hälftigen Beträge ansetzt, da die Terminsvertreterin jeweils noch einen weiteren Termin bei den Gerichten wahrgenommen hat. Insgesamt bringt die Beklagte einen Betrag in Höhe von 540,52 Euro zur Ausgleichung in Ansatz. Der Kläger hatte nach der Kostenentscheidung des Bundesarbeitsgerichts 3/4 der Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Beklagte ist der Ansicht, sie könne Reisekosten jedenfalls in Höhe der fiktiven Kosten für die eigenen Anreisen zum Termin beanspruchen. Diese wären teilweise sogar höher gewesen als die ihrer Prozessbevollmächtigten, jedenfalls aber nicht niedriger als die geltend gemachten Beträge. An ihrer Außenstelle am Standort Gransee gebe es keine Person, die zur eigenverantwortlichen Führung des Verfahrens geeignet gewesen wäre.
Nach § 4 Nr. 1 der Satzung des Verbandes, dessen Mitglied die Beklagte ist, haben die Mitglieder das Recht "auf unentgeltliche Inanspruchnahme aller Verbandseinrichtungen. Auslagen kann der Verband geltend machen". Nach § 4 Nr. 2 der Satzung "haben die Mitglieder das Recht auf Schutz und Vertretung in allen arbeitsrechtlichen Streitigkeiten vor Gerichten und Schiedsinstanzen".
Das Arbeitsgericht hat den Antrag der Beklagten auf Kostenfestsetzung mit Beschluss vom 26. September 2023 zurückgewiesen und der Beschwerde der Beklagten nicht abgeholfen. Erstattungsfähig seien Kosten nur insoweit, als sie tatsächlich erwachsen seien. Die Fahrt- und Übernachtungskosten seien durch die Mitgliedsbeiträge abgedeckt und müssten nicht durch die Partei zusätzlich getragen werden. Daher seien auch fiktive Kosten nicht erstattungsfähig. Informationsfahrten der Beklagten von Hamburg zu ihrem Standort in Gransee seien nicht notwendig und hätten auch nicht stattgefunden
Die Beklagte begründet ihre Beschwerde im Wesentlichen damit, dass die Fahrtkosten zu den einzelnen Terminen nicht von den regulären Verbandsbeiträgen gedeckt seien. Sie erstatte Fahrtkosten dem Aufwand entsprechend.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Die geltend gemachten Reisekosten sind erstattungsfähig. Entgegen der Annahme des Arbeitsgerichts kann die Beklagte vom Kläger Erstattung der Reisekosten verlangen, die ihr durch die Beauftragung des Arbeitgeberverbands in den Instanzen entstanden sind. Es handelt sich um notwendige Kosten der Rechtsverteidigung iSv. § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
1) Der Umfang der Kosten, die die in einem Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen unterliegende Partei zu erstatten hat, ergibt sich grundsätzlich aus den Bestimmungen der §§ 91 ff. ZPO. Die in § 12a Abs. 1 Satz 1 ArbGG normierte Ausnahme, der zufolge im arbeitsgerichtlichen Urteilsverfahren des ersten Rechtszugs kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Hinzuziehung eines Prozessbevollmächtigten besteht, gilt nicht ...