Entscheidungsstichwort (Thema)
Taxierung des Gegenstandswerts für Streit über Einrichtung und Besetzung einer Einigungsstelle zwischen 5.000 und maximal 500.000 Euro. Anwendbarkeit der Ziffer II 4 des Streitwertkatalogs vom 09.02.2018 für Streitigkeiten nach § 100 ArbGG. Keine Bedeutung des Verschlechterungsverbots bei unzutreffend berechneten Einzel-Positionen mangels Status als selbständige Streitgegenstände
Leitsatz (amtlich)
1. Der Maßstab für die Bewertung des Streits über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle ist § 23 Abs. 3 RVG zu entnehmen.
Bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 Euro anzunehmen.
2. Ausgehend von dieser gesetzlichen Vorgabe sieht der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 9. Februar 2018 (EzA-SD 6/2018, S. 9-16) für Streitigkeiten nach § 100 ArbGG unter II.4. folgende Ansätze vor:
höchstens der Hilfswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle (II.4.1); grundsätzlich ¼ des Hilfswerts nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die Person des Vorsitzenden/der Vorsitzenden (II.4.2) und grundsätzlich insgesamt ¼ des Hilfswerts nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die Anzahl der Beisitzer (II.4.3).
3. Vor dem Hintergrund des Inhalts des Streits über die Frage, ob Verhandlungen bereits gescheitert gewesen sind und damit ein Rechtsschutzbedürfnis für das Verfahren nach § 100 ArbGG vorlag, des Umfangs der zu behandelnden Fragen und des Kreises an betroffenen Personen (660) und damit einer nicht nur unerheblichen Bedeutung der Angelegenheit war hier ein Betrag in Höhe von 3.750 Euro (3/4 Hilfswert) für den Streit über das Vorliegen eines Rechtsschutzbedürfnisses (Verhandlungen gescheitert?) angemessen
(Fortführung zu LAG Berlin-Brandenburg 23. Februar 2010 - 17 Ta (Kost) 6005/10, zu 2 der Gründe; 2. Dezember 2020 - 26 Ta (Kost) 6078/20, Rn. 1; 25. Janaur 2021 - 26 Ta (Kost) 6005/21).
4. Das Verschlechterungsverbot steht einer Verrechnung von zu niedrig und zu hoch angesetzten Bewertungen einzelner Positionen nicht entgegen.
Normenkette
RVG §§ 23, 33; ArbGG §§ 100, 2a Abs. 1; RVG § 33 Nr. 9
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 17.12.2020; Aktenzeichen 8 BV 10596/20) |
Tenor
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 17. Dezember 2020 - 8 BV 10596/20 - teilweise abgeändert und der Gegenstandswert auf 5.000 Euro festgesetzt. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Betriebsrat hat in dem diesem Beschwerdeverfahren vorausgegangenen arbeitsgerichtlichen Beschlussverfahren die Einsetzung einer Einigungsstelle mit je vier Beisitzern über den Regelungsgegenstand "Abschluss einer Betriebsvereinbarung zur Art und Weise der Durchführung von Gefährdungsbeurteilungen..." für einen Kreis von etwa 660 Personen unter dem Vorsitz von Richter am Arbeitsgericht F.S. beantragt. Die Arbeitgeberin hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, die Verhandlungen seien noch nicht gescheitert, weshalb die Voraussetzungen für ein Einsetzungsverfahren noch nicht gegeben seien. Es hätten noch gar keine Verhandlungen stattgefunden. Außerdem seien zwei Beisitzer ausreichend. Gegen die Person des vorgeschlagenen Einigungsstellenvorsitzenden hat sie keine Einwände erhoben. Das Arbeitsgericht hat die Einigungsstelle eingesetzt, allerdings die Zahl der Beisitzer auf jeweils zwei begrenzt.
Das Arbeitsgericht hat den Gegenstandswert auf 2.500 Euro (davon in Höhe von jeweils 1.250 Euro wegen des Streits über die Anzahl der Beisitzer und die Person des Vorsitzenden) festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten des Betriebsrats. Sie halten einen Gegenstandswert in Höhe von 7.250 Euro (keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle: 5000 Euro; Anzahl der Beisitzer: 1.250 Euro; Person des Einigungsstellenvorsitzenden: 1.250 EUR) für angemessen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist teilweise begründet. Der Gesamtgegenstandswert beträgt 5.000 Euro.
1) Der Streit über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle (§ 100 ArbGG) ist nichtvermögensrechtlicher Natur.
a) Der Maßstab für die Bewertung des Streits über die Einrichtung und Besetzung der Einigungsstelle ist § 23 Abs. 3 RVG zu entnehmen. Danach ist der Gegenstandswert nach billigem Ermessen zu bestimmen. Bei nichtvermögensrechtlichen Gegenständen ist der Gegenstandswert mit 5.000 Euro, nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000 Euro anzunehmen. Ausgehend von dieser gesetzlichen Vorgabe sieht der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichtsbarkeit in der überarbeiteten Fassung vom 9. Februar 2018 (EzA-SD 6/2018, S. 9-16) für Streitigkeiten nach § 100 ArbGG unter II.4. folgende Ansätze vor: höchstens der Hilfswert nach § 23 Abs. 3 Satz 2 RVG bei Streit über die offensichtliche Unzuständigkeit der ...