Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch des Betriebsrats zu Daten von persönlichen Zielvereinbarungen aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung
Leitsatz (redaktionell)
1. Der Gesamtbetriebsrat ist nicht Träger des Überwachungsrechts aus § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG. Für dessen Wahrnehmung ist allein der (örtliche) Betriebsrat zuständig.
2. Zu den Aufgaben des Betriebsrats im Sinne des § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehört auch die Aufgabe, gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG darüber zu wachen, dass die zugunsten der Beschäftigten geltenden Gesetze, Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Diese Überwachungsaufgabe ist vom Vorliegen besonderer Mitwirkungs- oder Mitbestimmungsrechte unabhängig, auch wenn die Wahrnehmung von Beteiligungsrechten nach dem Betriebsverfassungsgesetz ihrerseits zu den Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG gehört.
3. Die Unterrichtung soll es dem Betriebsrat ermöglichen, in eigener Verantwortung zu prüfen, ob sich Aufgaben im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes ergeben und er zu ihrer Wahrnehmung tätig werden muss. Die Grenzen des Auskunftsanspruchs liegen dort, wo ein Beteiligungsrecht offensichtlich nicht in Betracht kommt.
4. Zur Begründung des Auskunftsanspruchs genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit für das Bestehen von Aufgaben des Betriebsrats. Der Anspruch ist gegeben, wenn eine Aufgabe des Betriebsrats gegeben ist und im Einzelfall die begehrte Information zur Aufgabenwahrnehmung erforderlich ist.
5. Regelt eine Gesamtbetriebsvereinbarung die Erstellung von Zielvorgaben aufgrund zahlreicher und genauer Vorgaben unter Einbeziehung von Tätigkeit und Arbeitszeit der Betroffenen sowie deren tätigkeitsbezogenen persönlichen Stärken und weiteren in der Person liegenden Umständen (eventuelle Leistungseinschränkungen, Behinderungen, Schwerbehinderung), kann der Betriebsrats seinen Überwachungsaufgaben nur nachkommen, wenn ihm die betreffenden Personen namentlich bekannt gegeben werden.
6. Die Überwachungsaufgabe des Betriebsrats gemäß § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG und damit auch sein Informationsrecht gemäß § 80 Abs. 2 BetrVG ist nicht von einer vorherigen Einwilligung der einzelnen Beschäftigten abhängig, weil die Wahrnehmung der Betriebsratsaufgaben nicht zur Disposition der Beschäftigten steht. Auf Grundrechte der Beschäftigten kann sich die Arbeitgeberin gegenüber dem Betriebsrat nicht berufen.
Normenkette
BetrVG § 80 Abs. 2; GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1; BetrVG § 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Sätze 1, 2 Hs. 1; BDSG § 3 Abs. 7, § 32 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 03.11.2015; Aktenzeichen 7 BV 8719/15) |
Nachgehend
Tenor
I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 2) gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 3. November 2015 - 7 BV 8719/15 - wird zurückgewiesen.
II. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Die Beteiligten streiten über die Erteilung von Auskünften.
Die Beteiligte zu 2) gehört zum IBM Konzern, dessen Konzernobergesellschaft in Deutschland die I. C. Holding GmbH ist. Die Beteiligte zu 2) beschäftigt ca. 1.700 Arbeitnehmer und hat ihren Sitz in Ehningen bei Stuttgart. Im Unternehmen der Beteiligten zu 2) ist ein Gesamtbetriebsrat gebildet und es gibt 13 örtliche Betriebsräte.
Der Beteiligte zu 1) ist der für den Berliner Betrieb der Beteiligten zu 2) gewählte Betriebsrat, der aus sieben Mitgliedern besteht. Im Berliner Betrieb mit Sitz in Berlin-Marienfelde sind ca. 175 Arbeitnehmer beschäftigt.
Die Beteiligte zu 2) wendet Haustarifverträge an, die mit der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen wurden.
Am 1. Dezember 2010 schlossen die I. C. Holding GmbH mit dem Konzernbetriebsrat eine "Konzernbetriebsvereinbarung zum PBC-Prozess" ab (im Folgenden: KBV), hinsichtlich deren Inhalt auf die Ablichtung auf Blatt 46 - 57 der Akten Bezug genommen wird (Anlage BR 2). Die KBV regelte das Verfahren zur Zielplanung und Leistungsbewertung. Die KBV ist inzwischen gekündigt worden.
PBC bedeutet: "Personal Business Commitments". Hierbei handelt es sich um individuell vereinbarte Arbeitsziele, die aus den Geschäftszielen der I. abgeleitet sind und im Einklang mit den IBM-Werten stehen sollen.
Am 12. Juni 2014 schlossen die Beteiligte 2) und der Gesamtbetriebsrat eine "Gesamtbetriebsvereinbarung zum PBC-Prozess" (im Folgenden: GBV) ab, hinsichtlich deren Inhalt auf die Ablichtung auf Blatt 33 - 45 der Akten Bezug genommen wird (Anlage BR 1).
In der Präambel der GBV ist unter anderem Folgendes bestimmt:
"Die individuellen PBCs dienen einerseits der Geschäftssteuerung und tragen somit zum Erfolg des Unternehmens bei. Andererseits fördern sie die Motivation sowie die berufliche Entwicklung und leistungsorientierte Beförderung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen (im Folgenden: Mitarbeiter genannt).
...
Insbesondere ist darauf zu achten, dass die Bewertung diskriminierungsfrei erfolgt und einzelne Mitarbeitergruppen (z. B. Mitarbeiter mit Behinderung, ältere Mitarbeiter, Teilzeit-Mitarbeiter) ni...