Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren.
2. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten.
3. Streiten die Parteien über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung oder fehlen Angaben über die Kündigungsgründe, bedarf es zur Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts für eine Zeugnisregelung regelmäßig näherer Angaben, aus denen auf einen im Zeitpunkt des Vergleichs bestehenden Streit bzw. auf eine Ungewissheit über den Zeugnisanspruch geschlossen werden kann.
Verfahrensgang
ArbG Berlin (Entscheidung vom 30.01.2024; Aktenzeichen 6 Ca 10193/23) |
Tenor
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. Januar 2024 - 6 Ca 10193/23 - wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Klägervertreter machen mit der Beschwerde die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts geltend. Die Parteien haben über die Wirksamkeit einer Kündigung gestritten. Das Arbeitsgericht hat am 7. Dezember 2023 das Zustandekommen eines Vergleichs festgestellt. Dieser sieht ua. eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. November 2023 vor, unter Nr. 4 eine Einigung darüber, dass dem Kläger der ihm zustehende Urlaub gewährt wurde, er diesen in natura genommen habe und somit weder Resturlaubsansprüche noch Urlaubsabgeltungsansprüche noch sonstige Freizeitausgleichsansprüche bestünden. Die Beklagte hatte dem Kläger ursprünglich einen Aufhebungsvertrag vorgeschlagen, der unter § 1 Abs. 2 und Abs. 3 eine mit Nr. 4 des Vergleichs nahezu wortgleiche Regelung enthielt.
Unter Nr. 5 des Vergleichs heißt es:
"Die Parteien sind sich darüber einig, dass dem Kläger mit Subskription Form vom 1. Mai 2020 150.000 Optionen und vom 1. Januar 2021 30.000 Optionen auf Basis des Employee Share Option Plan vom 14. Juli 2022 (ESOP) zugesagt wurden, von denen bis zum Beendigungszeitpunkt 164.375 Optionen gefestet sind. Die übrigen zugesagten Optionen entfallen restlos. Das Ausscheiden des Klägers gilt als "Good Leaver Event" im Sinne von Ziffer 2.4 des ESOP."
Die in dem bereits erwähnten Vorschlag der Beklagten unter § 4 aufgenommene Reglung entspricht der Formulierung unter Nr. 5 des Vergleichs.
Unter Nr. 6 des Vergleichs haben die Parteien sich auf ein Zeugnis mit der Gesamtnote "sehr gut" geeinigt. Hinsichtlich des Zeugnisses hatte die Beklagte in dem Vorschlag für einen Aufhebungsvertrag nur ein solches mit der Note "gut" vorgesehen.
Das Arbeitsgericht hat im Rahmen der Berechnung des Gegenstandswerts die Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts mit Beschluss vom 30. Januar 2024 abgelehnt.
Mit ihrer Beschwerde machen die Klägervertreter geltend, hinsichtlich der Regelung zu den Urlaubsansprüchen solle ein Betrag in Höhe eines Bruttoeinkommens berücksichtigt werden, für die Regelung zu den virtuellen Optionen ein solcher in Höhe von 164.375 Euro, da angesichts der Massenentlassung unklar gewesen sei, was aus den Optionen werde. Für die Vereinbarung unter Nr. 6 des Vergleichs über das sehr gute Zeugnis solle der Vergleichsmehrwert um ein weiteres Bruttoeinkommen erhöht werden.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Ein Vergleichsmehrwert ist nicht angefallen.
1) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht (Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG). In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nichtrechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die mit dem Vergleich geregelt wurden. Demgegenüber ist die bloße Begründung einer Leistungspflicht in dem Vergleich für den Vergleichsmehrwert ohne Bedeutung; denn es kommt für die Wertfestsetzung darauf an, worüber- und nicht worauf - die Parteien sich geeinigt haben.0Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass durch den Vergleich ein Streit vermieden wurde. Ein Titulierungsinteresse kann nur dann berücksichtigt werden, wenn der geregelte Anspruch zwar unstreitig und gewiss, seine Durchsetzung aber ungewiss war (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 - 17 Ta (Kost) 6013/17, Rn. 2).
Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häu...